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Kultur

Wer ist hier der Möchtegernzensor?

Verleger Jörg Sundermeier über die Meinungsfreiheit

  Wer ist hier der Möchtegernzensor? | Verleger Jörg Sundermeier über die Meinungsfreiheit

Die Junge Freiheit hat ihre Teilnahme an der Buchmesse abgesagt, weil sie nicht im »rechtsextremen Block« stehen will. Der Dresdener Schriftsteller Uwe Tellkamp behauptete auf einer Podiumsdiskussion über Flüchtlinge: »Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent.« Davon hat sich sein Verlag Suhrkamp distanziert. Seitdem sieht nicht nur Uwe Tellkamp die Meinungsfreiheit in Gefahr. Jörg Sundermeier, Verleger des Verbrecher Verlags und Unterstützer der Aktion »Verlage gegen rechts«, antwortet ihnen.

Einige meiner Freunde haben Angst um die Meinungsfreiheit und sehen auch die Aktion #verlagegegenrechts plötzlich als eine Organisation an, die in dieser Hinsicht schwierig wäre. Daher dieses Statement:

Selbst Alexander Skipis vom Börsenverein hat bei der Aktion unterschrieben. In ihm einen antibürgerlichen Radikalen zu sehen, fällt mir arg schwer. Und ja, es gibt einige Unterzeichner*innen, deren politische Ansichten mir auch nicht passen bei #verlagegegenrechts. Das Statement jedoch erscheint mir richtig.

Aber, und das soll man bitteschön auch bedenken – nicht diese Aktion war es, die die Junge Freiheit zum Rückzug von der Messe gedrängt hat, sondern das Umfeld, in dem ihr Stand stehen sollte, die Aktion und die angebliche Unterstützung von Linksradikalen durch die Messeleitung ist offenkundig nur vorgeschoben. Kubitschek selbst hatte das Zurückziehen der JF auf seinem Blog schon vorausgesehen, er ahnte, dass die JF nicht kommen wird, sollte sie da stehen müssen (alle neuen Rechtenkenner sollten dort ruhig öfter mal lesen).

Nun kann man sich seinen Standort auf der Messe nicht aussuchen, und wir wurden auch schon mal unweit rechter Verlage angesiedelt, schade, nun ja, aber wir sind gekommen. Und wenn nicht, wären wir eben nicht gekommen. Fertig.

Die JF macht aber mimimimi und sagt, ihr werde die Meinungsäußerung verboten, dabei kann sie diese überall verbreiten, ihre Absage wird in allen Medien besprochen. Ein Unternehmen hat sich in seinem Standumfeld nicht wohl gefühlt und kommt nun nicht, das wird im ganzen Land in allen Medien behandelt (als ob wir sonst keine Sorgen hätten).

Oder: Uwe Tellkamp darf vor tausend Leuten Unwahrheiten verbreiten, die er für eine Meinung ausgibt, seinem Verlag gefällt das nicht, das macht er auf Twitter deutlich, daraufhin werden Tellkamps merkwürdigste Sätze hundertausendfach nachgedruckt und heiß diskutiert und alle Rechten wieder so: mimimimimimi.

Ist das etwa Unterdrückung der Meinungsfreiheit? Ist das Zensur? Eine solche Zensur hätten sich die Schriftsteller*innen im Rumänien der 80er Jahre sehr gewünscht (wir wollen ja das Gastland der Leipziger Messe und die Literatur ja nicht ganz aus dem Blick verlieren, oder?).

Ich fürchte, hier geht es eher darum, dass diese Rechten nicht akzeptieren wollen, dass jemand eine andere Meinung haben kann, und sie wollen genau diese andere Meinung dadurch diskreditieren, indem sie von Unterdrückung faseln, und von Attacken. Wer ist hier also der Möchtegernzensor? Mein leider verstorbener Freund Achim Bergmann wurde im Oktober in Frankfurt am JF-Stand geschlagen (nicht von JF-Mitarbeitern), doch an einem Stand der unterzeichnenden Verlage bei #verlagegegenrechts wurde noch niemand, der anderer Gesinnung ist, niedergehauen. Wer macht hier also Attacke?

JÖRG SUNDERMEIER


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