Als Kultusminister Christian Piwarz (CDU) im März in einer Regierungserklärung das sogenannte Lehrerpaket ankündigte, da signalisierte er auch: Nach einer Zeit des Stillstands geht es jetzt nach vorne. Seit Jahren sind die schlechten Arbeitsbedingungen und der unter anderem dadurch ausgelöste Lehrermangel ein großes Thema im Freistaat.
Die Versäumnisse der Landesregierung räumte auch Piwarz ein. Doch scheinbar bewirkten erst ein neuer CDU-Ministerpräsident und eine Schlappe bei der Bundestagswahl gegen die AfD ein Umdenken. Seitdem kündigt die CDU zusammen mit der SPD an, im Freistaat wieder mehr zu investieren und den Staat bei Infrastruktur-, Bildungs- und Sicherheitsprojekten stärker aufzustellen.
»Nachhaltige Sicherung der Bildungsqualität im Freistaat Sachsen« ist der etwas sperrige Titel für das Aufbruchprogramm unter der Ägide von Kultusminister Piwarz. Damit soll Sachsen für Berufseinsteiger und junge Lehrer endlich wieder attraktiver werden. Jahrelang wanderten sie nach dem Studium in andere Bundesländer ab, wo bessere Bezahlung und eine Verbeamtung lockten – auch, wenn sie eigentlich bleiben wollten.
Nun sollen sie nach Sachsen zurückkommen und verbeamtet werden können. Egal, ob sie das bereits in einem anderen Bundesland waren. Voraussetzung: Sie dürfen maximal 42 Jahre alt sein. Gleiches gilt für sächsische Lehrer. Das Programm läuft vorerst bis 2023.
Damit löst die Regierung auf einen Schlag eines ihrer brennendsten Probleme – und die Lehrer werden auch noch Beamte und bekommen endlich mehr Anerkennung und Geld. Alles gut also? Viele sehen das nicht so. Schon kurz nach der Ankündigung wurde das Programm kritisch beäugt. Nach einigen Monaten kristallisieren sich inzwischen die Mängel heraus. Das Kernproblem: Von derzeit rund 33.000 Lehrern erfüllen laut Kultusministerium nur rund 6.000 die Vorbedingungen. Der Großteil ist eben bereits älter.
»Ein paar Monate Altersunterschied können 250.000 Euro weniger Verdienst bedeuten«
Wer zum Stichtag 43 Jahre und einen Monat alt ist, hat schlicht Pech gehabt. »So ein Lehrer würde dann bis zur Rente gegenüber einem nur wenige Monate jüngeren Kollegen, der aber verbeamtet wurde, rund 250.000 Euro weniger verdienen«, sagt Ursula-Marlen Kruse. Sie ist Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Grundsätzlich findet sie es wichtig, dass es nun endlich ein Programm der Landesregierung gegen den drohenden Lehrermangel gibt. Schließlich werden in den kommenden Jahren viele Pädagogen in Rente gehen, gleichzeitig steigen die Schülerzahlen. Im laufenden Schuljahr waren mit 52 Prozent nach Angaben des Kultusministeriums sogar eine knappe Mehrheit der neuen Lehrkräfte Seiteneinsteiger.
Doch Gewerkschafterin Kruse sieht vor allem eine Ungleichbehandlung der Lehrer. »Natürlich sind viele sauer, die nun nicht verbeamtet werden können«, sagt sie. Es entstehe das Gefühl, dass sich die Landesregierung nur um die jüngeren Kollegen bemühe. Kruse sieht einen drohenden Riss, der sich bald durch die Lehrerzimmer ziehen könnte. Zwar sollen im Zuge des Handlungsprogramms der Landesregierung auch ältere Kollegen in höhere Entgeltgruppen rutschen können. Auch ein Budget für Leistungsprämien soll es geben, das jeder Schulleiter frei an seiner Einrichtung verteilen kann. Doch laut Ursula-Marlen Kruse ist Geld eben nur ein Faktor. Es gehe auch um die Anerkennung jahrelangen Engagements.
Beginnen wird das Verbeamtungs-Programm Anfang kommenden Jahres. Doch bisher ist von den Inhalten noch nicht viel in den Schulen angekommen. »Alles, was wir bisher darüber wissen, kommt aus der Presse«, sagt eine Leipziger Grundschullehrerin, die seit einigen Jahren unterrichtet und lieber anonym bleiben will. »Richtig greifbar ist das für uns bisher noch nicht.« Sie könnte sich verbeamten lassen. Doch sehr wertgeschätzt fühle sie sich in ihrem Beruf immer noch nicht. Zudem erlebe sie die Arbeit der Seiteneinsteiger als ungerecht: »Wir haben das fünf, sechs Jahre studiert. Seiteneinsteiger machen nur ein paar Tage eine Fortbildung«, sagt sie.
Konfliktpotenzial gab es in den Lehrerzimmern also schon vorher, mit dem Programm des Kultusministeriums könnte dieses sich noch verstärken. Auch Petra Elias vom Stadtelternrat hat schon »Knatsch im Lehrerzimmer« registriert und vermisst Solidarität unter den Lehrkräften. Trotzdem hält sie die Verbeamtung für die einzige Möglichkeit, die Attraktivität für Sachsen zu steigern. »Jetzt müssen wir erst mal abwarten, ob das überhaupt funktioniert«, sagt Elias.
Bei der GEW sieht man auf jeden Fall noch viel Diskussionsbedarf bis zum Start im kommenden Jahr. »Anfang des Jahres hat die Regierung gesagt, es habe bereits Gespräche mit uns gegeben, das stimmte aber gar nicht«, sagt Ursula-Marlen Kruse. Dabei halte sie das für dringend notwendig. Zumindest den Lehrermangel sieht die Gewerkschafterin kurzfristig als nicht mehr ganz so akut an. Trotzdem wirft sie der CDU vor, in der Vergangenheit Fehler gemacht zu haben. »Wenn sich der Wert eines Lehrers danach bemisst, wie viele es gerade davon gibt«, sagt Ursula-Marlen Kruse, »dann ist das schon sehr schwierig.«