An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der August-Ausgabe des kreuzer. Vertretungschefredakteur Tobias Prüwer berichtet, was es im neuen Heft zu lesen gibt.
Schuld hat die DIN-Norm. Woran? Dass diese coolen Wippen futsch sind, die stehen auf keinem Spieler mehr rum. Sie wissen schon, diese wahnwitzigen Spielplatzgeräte meine ich, die einen in die Höhe katapultieren und wo man dann mit dem Hosenboden fast auf der Erde aufschlägt. Nur gedämpft wird der Fall von einem ollen Autoreifen. Sie erinnern sich? Diese Teufelsschleudern sind nicht mehr zu finden. Aus Sicherheitsgründen gibts nur noch Wippen, die ein bisschen wackeln. Den Namen Wippe haben diese Teile nicht verdient. Oder spielt mir nur die verzerrte Kindheitserinnerung einen Streich?Egal. Dass nur noch harmlose Wippen wippen, ist ein Nebenergebnis unserer Recherche zur Titelgeschichte übers Alleinsein in Leipzig. Ziemlich vorurteils- und schambeladen ist das Thema, wie unsere Redakteurinnen Juliane Streich und Franziska Reif herausfanden. Dabei sind Einsamkeit und Alleinsein keineswegs dasselbe, kann das eine krank machen, während das andere zum gelingenden Leben gehört (S. 18).Der Mensch ist eben auch ein geselliges Wesen, trotz aller Ungeselligkeit. Umso blöder, wenn Orte, wo man das Gemeinsame gern auslebt, sich entfremden oder ganz schließen müssen. Um das So&So steht es schlecht. Der Club im ehemaligen Eutritzscher Bahnhof muss ausziehen. Von der Raumalternative, die der Immobilienbesitzer anbieten wollte, ist nicht mehr die Rede; Leipzigs Clubsterben geht weiter (S. 44). Im Conne-Island-Plenum redet man noch miteinander, immerhin. Aber blinde Flecken im Selbstverständnis zeigen sich schon, wenn einige Akteure dort rassistische Positionen oder Provokationen mit notwendiger Religionskritik verwechseln (S. 17). Wäre schlimm, wenn es um den Ort einsam werden würde.Zurück zum Alleinsein: Ich weiß nicht, ob Sie es überhaupt herauslesen können, aber weite Teile der Heftregie für diese Ausgabe traf ich, als ich allein war. So fast zwei Wochen lang war die Mitbewohnerin ausgeflogen, da wurde die berühmte Decke überm Kopf überdeutlich bedrohlich. Ich musste unter Leute. So wurden die meisten Texte hier und da und vor allem draußen redigiert. Am See entsteht dieses Editorial, während Kinder und Hunde mich umspielen. Eben lenkte mich eine Bachstelze mit ihrem zierlich-wippenden Veitstanz ab. Just in diesem Moment schiebt eine Pelzbirne ihre nasse Nase an meinen Oberschenkel.Am Südplatz schrieb ich die Theaterkolumne und die Minireflexionen zum Titelthema unter den mitleidigen bis interessierten Passantenblicken.
Sprechen Sie Menschen ruhig mal an, wenn die allein irgendwo sitzen. Die beißen bestimmt nicht oder drängen Ihnen ihre nassen Nasen entgegen. Ansonsten wünsche ich Ihnen viel Spaß und Erkenntnisgewinn mit den Texten dieser Ausgabe, auch wenn ich nicht weiß, wo sie jeweils entstanden sind. Ein paar sind aber ganz weit gereist, versprochen!
Genießen Sie den Sommer, am besten draußen und in Gesellschaft – oder allein, wenn Sie das möchten!
TOBIAS PRÜWER (ALS URLAUBSVERTRETUNG)chefredaktion@kreuzer-leipzig.de