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Kohlekonflikt im Leipziger Land

Bei der Kohleförderung stehen sich Bürger, Umweltschützer und Gewerkschafter unversöhnlich gegenüber

  Kohlekonflikt im Leipziger Land | Bei der Kohleförderung stehen sich Bürger, Umweltschützer und Gewerkschafter unversöhnlich gegenüber

Pödelwitz in der Peripherie des Leipziger Landkreises könnte ein normales beschauliches, übersichtliches, vielleicht sogar langweiliges Dorf sein. Doch schon an der Bushaltestelle des Ortes fällt auf: Hier ist etwas anders. Bunte Wimpel hängen zwischen den Häusern an Seilen hoch über der Straße oder sind zwischen Bäumen angebracht. Sie tragen Aufschriften wie »Pro Pödelwitz«, »Lasst uns leben« oder »Zukunft statt Braunkohle«. Kämpferische Slogans statt ruhiges ländliches Idyll.

Der Grund für den Aufruhr liegt unter der Erde: Pödelwitz ist auf Braunkohle gebaut und daher Teil der Tagebauregion Vereinigtes Schleenhain. Von hier aus beliefert die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (MIBRAG) das nahe gelegene Kraftwerk Lippendorf mit Kohle, das wiederum die Region mit Strom versorgt.

Das Dorf Pödelwitz soll diesem Kreislauf zum Opfer fallen. Die verbliebenen Bewohner sollen wegziehen, damit die Bagger rollen können. Damit ist Jens Hausner nicht einverstanden. Der Mitbegründer der Initiative »Pro Pödelwitz« empört sich darüber, dass sein Dorf immer wieder zum »Schutzgut« gegenüber dem Kohleabbau in der Region erklärt wurde und dieser Schutz nun nicht mehr gelten soll. »Und das, obwohl das Kraftwerk bis zum Ende der Laufzeit ausreichend versorgt ist. Die Kohle unter Pödelwitz wird nicht gebraucht«, meint er. Wie die MIBRAG hier vorgehe, sei das eine, doch Hausner ist auch von der Politik enttäuscht. »Die CDU propagiert Heimatdebatten, hier aber treten sie Heimat mit Füßen.« Dabei geht es ihm nicht nur um Heimat, die bleiben soll, Hausner denkt global, sieht Pödelwitz als Brennglas für Klimaschutz und Energiewende. »Braunkohle ist ein Auslaufmodell. Trotzdem hat fast alles, was politisch passiert ist, die Kohleverstromung verfestigt.« Damit solle Schluss sein, sofort. »Wir haben nur diesen einen Planeten.« Der Ausstieg sei in 10 bis 15 Jahren machbar, davon ist Hausner überzeugt und so sehen es auch die nationalen und internationalen Klimaschutzverbände, die im Dorf ihre Transparente und Wimpel aufgehängt haben.

Doch so eindeutig ist die Sache wohl nicht in Pödelwitz. Der Tagebau spaltet die Dorfgemeinschaft. Auf der einen Seite Hausner & Co., auf der anderen Seite eine Mehrheit von 90 Prozent, die sich vor Jahren für die freiwillige Umsiedlung ausgesprochen hat. Nicht zuletzt, weil sie fürstlich entschädigt werden. Mit diesem Umfrageergebnis rechtfertigt die MIBRAG die Umsiedlungspläne des Dorfes. Dieses Ergebnis spricht auch für Felix Schultz eine eindeutige Sprache. Der Gewerkschaftssekretär der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) sitzt an seinem Schreibtisch im Leipziger Volkshaus: »Die MIBRAG wollte zunächst um Pödelwitz herumbaggern, die Pödelwitzer selbst aber wollten die Abstimmung«, sagt er. Der Widerstand der verbliebenen Pödelwitzer stößt bei ihm auf Unverständnis. Die geplante Energiewende sei auch nicht verkehrt, doch die Frage, wann Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen kann, bringe ihn auch nicht um den Schlaf. Hundert Jahre könnte das noch dauern, meint er. Gut für die Beschäftigten, die er in der Branche vertritt. Beim Thema Ausstieg stehen die für ihn an erster Stelle. Auch Schultz denkt global, aber aus anderer Perspektive. »Es ist besser, hier selbst abzubauen, unter guten und sicheren Arbeitsbedingungen, als die Kohle aus Ländern zu importieren, wo schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen.« Wenn hier die Kohle ausgeht, so das Szenario, wäre man womöglich auf Exporte aus Kolumbien oder anderen Ländern angewiesen – wo man es weder mit dem Umweltschutz noch mit Arbeitnehmerrechten genau nimmt. Auch für den Klimaschutz sei in einem solchen Szenario nichts gewonnen. »Wir haben eines der modernsten Kraftwerke Deutschlands, sogar weltweit. Da macht uns keiner etwas vor.«

Nicht einmal die MIBRAG ist in den Augen des Gewerkschafters Gegner der Energiewende, denn die investiere auch in Windkraftanlagen. Die Abstimmung damals nennt Aktivist Hausner hingegen ein »linkes Ding« des Unternehmens. Die Dorfbewohner seien durch eine »Lärm- und Staubdiskussion« getäuscht worden, glaubt er. Es sei behauptet worden, die Lebensverhältnisse würden untragbar werden, je näher der Tagebau ans Dorf rückt. »So haben sie die Leute hier rausgekauft.«

Die, die gehen wollten, leben längst nicht mehr in Pödelwitz, 80 Prozent des Dorfes wurden in-zwischen von der MIBRAG aufgekauft, ein Großteil der Gebäude steht leer. Geblieben sind 26 Dorfbewohner plus Hausner. »Wir kämpfen, bis wir bleiben dürfen, und dann weiter für den Strukturwandel.« Vom 28. Juli bis zum 5. August erwartet Pödelwitz mehrere Hundert Klimaaktivisten, die genauso entschlossen sind wie Hausner. An einem Punkt sind sich der Aktivist und der Gewerkschafter Schultz einig: Beide wollen, dass es friedlich bleibt. »Solange die Aktionen friedlich bleiben und die Angestellten der MIBRAG während dieser Tage ungestört ihrer Arbeit nachgehen können«, hat Schultz kein Problem


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