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Kultur

»Politisch und partyorientiert nicht trennen«

Lumière Bleue-Partyveranstalterin Maria Lev über die queere Szene von Leipzig

  »Politisch und partyorientiert nicht trennen« | Lumière Bleue-Partyveranstalterin Maria Lev über die queere Szene von Leipzig

Über guten Willen der Feierkultur in Leipzig kann man kaum klagen. In vielen Clubs hängen Schilder gegen Sexismus, die Barleute sind sensibilisiert, mit dem IfZ hat sich ein ganzer Club auf den Grundsätzen der Homoelektrikpartys etabliert. Dort veranstaltet Maria Lev auch ihre Lumière Bleue-Partys. Wir haben mit ihr über die queere Szene in Leipzig gesprochen.

kreuzer: Was zeichnet eine queere Party aus?

MARIA LEV: Ich denke, die Hauptaufgabe hierbei liegt vor allem darin, einen sicheren Ort für alle LGBTIQ-Menschen zum Feiern zu schaffen und diese Aufgabe ist eine sehr ernst zu nehmende und anspruchsvolle. Traurigerweise werden viele Veranstaltungen als »queer« deklariert, die es nicht sind und mit diesem Schlagwort lediglich Menschen anziehen wollen, da die Veranstalter*innen die queere »Szene« als Trend sehen und Kapital daraus schlagen wollen. Das zeugt zum einen zwar davon, wie stark sich diese Szene etabliert hat, entkräftet jedoch den Ernst der Sache, weil queere Menschen nicht den sicheren Raum vorfinden, den sie suchen.

kreuzer: Wie unterscheidet sich Lumière Bleue von andere Partys im IfZ?

LEV: Die Lumière Bleue gibt es ja einige Jahre länger als das IfZ. Das Format ist aber zeitgleich mit der Cluberöffnung in das IfZ eingezogen und hatte sich recht gut etabliert, da beiden Konzepten viele identische Leitbilder zugrunde liegen, wie eben die starke Sensibilisierung gegenüber sicheren Freiräumen für LGBTIQ-Menschen. Darüber hinaus schreibt sich die Lumière Bleue auf die Fahne, für diese Menschen als Safe Space zu dienen. Unser Slogan »Party for Queers & Freaks« bringt dabei die ursprünglich negativ besetzten Begriffe »Queer sein« und »Freak sein« auf eine Ebene und konnotiert diese positiv. Im Sinne von: Wir sind alle einzigartig und besonders darin, wer und was wir sind, und zeigen uns stolz, auf dieser »Bühne«, welche die Lumière Bleue bietet.

kreuzer: Warum haben Sie Lumiere Bleue ins Leben gerufen?

LEV: Dazu muss ich sagen, dass die meisten meiner Helfer*innen und ich aus einem Teil der »schwarzen« Szene stammen, die sehr aufgeschlossen und linkspolitisch aktiv ist – unter anderem führen wir den Verein Gothic Pogo, der für sein politisches Engagement recht bekannt und geschätzt ist. Unsere Vereinsmitglieder sind größtenteils LGBTIQ-Menschen. Wir hatten an sich nie das Bedürfnis, auf queere oder Homo-Veranstaltungen zu gehen, da unser Umfeld diese Notwendigkeit nicht geschaffen hatte und wir uns darüber hinaus in unserem »Punksein« auf solchen Veranstaltungen nicht wohl gefühlt hatten. Es war sehr stereotyp. Dann kam uns die Idee, ein queeres Partyformat zu schaffen, bei dem sich auch queere Menschen, die unterschiedlichsten Subkulturen angehören, wohl fühlen können. Hinzu kommt, dass wir Raum für Kunst schaffen wollten, für Art Performances, Live-Acts, ausgefallene Sachen, aber auch politische und gesellschaftskritische Themen. So haben wir anfangs zum Beispiel Spendengelder gesammelt für die »Free Pussy Riot«-Aktion und sind mit jeder Veranstaltung bestrebt, aktuelle Themen aufzugreifen und mit der Party als verlängertes Sprachrohr auch mehr Menschen zu erreichen. Über die Jahre hat sich das Konzept natürlich verfeinert, so dass wir seit zwei Jahren zum Beispiel auch ein eigenes Awareness-Team haben.

kreuzer: Wie würden Sie die Szene für Queers in Leipzig generell beschreiben?

LEV: Es gibt in Leipzig im Vergleich zu anderen Städten vergleichsweise eine recht ausgereifte »Szene« mit einem breiten Bewusstsein, aber der Bedarf an Aufklärung und Raumschaffung ist natürlich nach wie vor da. Leipzig bietet reichlich Veranstaltungen in diesem Bereich, aber ich habe das Gefühl, dass es sich stark in »politisch« und »partyorientiert« spaltet, wobei ich in dem Kontext eigentlich keine Trennung machen würde. Dahingehend gestalten sich auch die Besucher*innen-Tendenzen und auch die Wahl des Veranstaltungsortes, die bei »undergroundigen« Geheimtipp-Lädchen beginnt, nach wenigen Schritten einen riesigen Sprung macht und bei großräumig-kommerziellen Formaten endet. Dazwischen gibt es leider sehr wenig. Auf der einen Seite wächst durch die Politisierung der Partykonzepte der Anspruch, bis es sich gar im Detail verliert und für die wenig politisch bewanderten Menschen kaum noch zugänglich oder verständlich wird. Auf der anderen Seite aber wird dieses Thema viel zu stiefmütterlich behandelt, so dass es nahezu gänzlich aus dem eigentlichen Kontext genommen wird.

kreuzer: Stimmt der Eindruck, dass es immer mehr Partys gibt, die nicht extra für queeres Publikum angekündigt werden, aber ihnen dennoch grundsätzlich ähneln, was Themen wie sexuelle Offenheit, keine Diskriminierung, Awareness etc. angeht?

LEV: Ja, diesen Eindruck habe ich auch, wozu natürlich die Entwicklung der letzten zehn Jahre beigetragen hat, mit ihrer allgemeinen Aufklärung und Sensibilisierung der Menschen diesem Thema gegenüber. Leider bewegt sich aber dieses Bewusstsein nach wie vor eher in den alternativen und auch sonst links-politisch aktiven Schichten der Leipziger Jugend. Ich würde mir anmaßen, diese sich »neu gebildeten Schichten« als »Underground« zu bezeichnen, weil ich schon ein Defizit darin sehe, keine Schnittstelle zu haben, die dieses Bewusstsein in die konservativen Schichten weiterträgt, um eben dort den Bedarf der Aufklärung zu decken. An dieser Stelle muss ich auch Kritik am Leipziger CSD üben, der ja eigentlich diese Schnittstelle sein sollte, diesem Anspruch aber nicht gerecht wird. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass der emanzipatorische Block gegründet wurde, um genau an diesem Defizit anzusetzen. Natürlich kann dieser bislang nicht die gleiche Effizienz aufbringen, weil er nicht über die gleichen Mittel und Infrastruktur verfügt und ihm viel weniger Aufmerksamkeit zuteil wird. Bemerkenswert ist aber, dass der Zuspruch zum Ema-Block für die wenigen Jahre seines Bestehens so immens gestiegen ist, dass der Bedarf nicht von der Hand zu weisen ist.

kreuzer: Was sind Ihre Zukunftspläne und -träume mit Lumière Bleue?

LEV: Nach sieben Jahren Lumière Bleue dürstet es mich ehrlich gesagt nach etwas Neuem. Das Konzept in dessen ursprünglicher Intention ist ein wenig eingeschlafen, hat aber ein paar Fußstapfen geschaffen, an denen irgendwann und irgendwer wieder ansetzen kann. Ich bin für nächstes Jahr noch unentschlossen, ob und wie es mit der Veranstaltungsreihe weitergeht und möchte mich eigentlich auf mein neues Projekt konzentrieren. Anfang dieses Jahres gründete ich ein queeres Label, Qrøz Reqørdz, dessen Hauptaugenmerk auf Female Fronted Queer Artists liegt, und möchte diese mit Plattenproduktion und im Bereich Booking supporten. Ich sehe hier sehr viel Raum für Engagement, Möglichkeiten und vor allem auch einen Bedarf und möchte Neues erschaffen und mit gebündelten Kräften wachsen sehen. Das ist quasi mein nächster Schritt und Beitrag zur LGBTIQ-Community auch unabhängig von Leipzig.


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