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Film

Emotionale Leibspeise

Mit »Once Again« hat der Leipziger Kanwal Sethi eine indische Liebesgeschichte inszeniert

  Emotionale Leibspeise | Mit »Once Again« hat der Leipziger Kanwal Sethi eine indische Liebesgeschichte inszeniert

In Indien konnte »Once Again« bereits einige Filmpreise abräumen, jetzt kommt der Film auch in der Wahlheimat des Regisseurs in die Kinos. In warmen Farben und mit viel Gefühl, inszeniert der Leipziger Kanwal Sethi eine Liebesgeschichte, die nicht sein darf.

Tara steht selbstbewusst im Leben und in der Küche ihres Restaurants. Sie hat zwei erwachsene Kinder und führt ein traditionsreiches Unternehmen. Nur wenn jemand ihren verstorbenen Mann erwähnt, zeigt sie für einen flüchtigen Moment 
Anzeichen von Schwäche. Amar steht die meiste Zeit des Tages im Rampenlicht. Sein Assistent fährt den angesehenen Schauspieler von einem Empfang zum nächsten. Wenn er in die Öffentlichkeit tritt, sammeln sich sofort Autogramm- und Selfie-jäger. Doch wenn sein Diener das Haus verlässt, ist er allein. Tara kocht für Amar. Tagsüber sind ihre Begegnungen flüchtig. Wenn die Sonne untergeht, reden sie am Telefon. Die Klassen trennen sie, aber hier sind sie sich nah.

Mit warmen Farben und viel Gefühl erzählt »Once Again« von einer Liebesgeschichte, die nicht sein darf. Es ist kein unbeholfenes Kennenlernen unter Teenagern, sondern ein Treffen auf Augenhöhe. Für beide kommt diese Liebe unerwartet, aber sie bringt auch viele Probleme mit sich. »Once Again« ist ein Liebesfilm, die Gesellschaftskritik schwelt darunter. »Der Film ist auf gewisse Weise auch politisch, aber die Erzählung steht im Vordergrund. Das Emotionale steht ganz oben, das Narrative, das Menschliche. Alles andere liegt unten drunter.« Regisseur Kanwal Sethi kommt aus einer politischen Familie. »Gewerkschaftler, Kommunisten und Schriftsteller – da lag es nahe, dass ich in Dresden Politik studierte.« Bereits in seiner indischen Heimat entdeckte Sethi die Leidenschaft zum Film und gründete eine Theatergruppe. »Ich wollte schon immer Filme machen und eigentlich auch eine Filmhochschule in Indien besuchen. Aber es sind manchmal Umwege, die man nehmen muss, um ans Ziel zu kommen. 1999, als ich mit meinem Studium in Dresden fertig war, wollte ich mit einem Freund auswandern, nach Barcelona, Mailand oder Delhi – und dann sind wir in Leipzig hängengeblieben. Dort habe ich einfach angefangen, meine Sachen zu machen.«

Er begann Kurzfilme und Dokumentationen zu drehen, zeigte sie auf Festivals und machte sich einen Namen. Sein erster Spielfilm »Fernes Land«, die Begegnung des illegal in Deutschland lebenden Pakistani Haroon mit dem Versicherungsvertreter Mark, feierte beim Max-Ophüls-Preis Premiere. Mit »Once Again« schließt sich der Kreis nun in Indien. »Es war eine sehr schöne, aber unbewusste, organische Entwicklung. Als ich an einem Film arbeitete, erzählte mir ein Schauspieler eine Anekdote, die mich faszinierte. Seine Frau wohnt ein wenig außerhalb von Mumbai, er lebt aber in der Stadt, weil er die Stadt braucht, als Mensch, aber auch als Schauspieler. Dort fing er eine Gesprächsbeziehung mit einer Frau an, die ihm Essen lieferte. Das war keine Liebesbeziehung, es waren einfach nur Gespräche. Er ist als Schauspieler ziemlich bekannt, und wenn er auf die Straße geht, sind sofort hundert Leute da, und trotzdem spricht er lange allein zu Hause mit dieser Frau. Diese Einsamkeit hat mich fasziniert.«

Aus dieser Geschichte entstand der Film »Once Again«, der auch Teil einer Trilogie sein wird, die im indischen urbanen Raum spielen soll. »Es geht um Einsamkeit und Sehnsucht nach Liebe«, erklärt Sethi. Sein Film hebt sich ab von Bollywood-Klischees. Er verbindet die große emotionale Komponente des indischen Kinos mit der ruhigen, konzentrierten Erzählweise des europäischen. Dabei liefen die Dreharbeiten alles andere als reibungslos. »Fast jeder Drehtag wurde verschoben. Fast jeder geplante Drehort ist im letzten Moment geplatzt. Eine Woche vor dem Dreh mussten wir den Line-Producer wechseln.« Hinzu 
kamen logistische Probleme: »Wir haben sehr besondere, alte Objektive aus London eingeflogen, um der digitalen Filmtechnik etwas Warmes entgegenzusetzen. Die hingen dann im Zoll fest. Ich bin dann persönlich hin, die anderen Produzenten haben ihre politischen Kontakte aktiviert … das ist eine James-Bond-Geschichte.«

Die schwierigen Produktionsbedingungen sieht man dem Film nicht an, was zu großen Teilen den überzeugenden Hauptdarstellern zu verdanken ist. Nachdem »Once Again« bereits einige Preise in Indien abräumen konnte, wo er begeistert gefeiert wird, hat sich Netflix die Weltvertriebsrechte geschnappt. Nun kommt der Film auch in Frankreich, Österreich und Deutschland in die Kinos. Kanwal Sethi 
arbeitet derweil in Leipzig an seinem nächsten Film: »Es geht um den NSU-Komplex, aber ich erzähle es als Liebesgeschichte. Das Politische liegt darunter.«


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