Leipzigs historische Altstadt hat viel zu bieten. Dass es dennoch wesentlich mehr sein könnte, zeigt Stadtführer und Autor Sebastian Ringel in seinem neuen Buch »Wie Leipzigs Innenstadt verschwunden ist. 150 verlorene Bauten aus 150 Jahren«.
Nicht selten vernimmt man in der Messestadt Stimmen, die aus dem Schwärmen kaum noch herauskommen. Es geht dann oft um das historische Zentrum, das Leipzig noch besäße. Falsch ist diese Behauptung nicht, denn es ist ja tatsächlich so: Vergleicht man den Bestand an historischer Bausubstanz der Leipziger Innenstadt mit dem anderer deutscher Großstädte, so scheint kein Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu bestehen.
Sebastian Ringel würde jetzt vermutlich das Gesicht verziehen. Der Autor bietet seit Jahren Stadtführungen an und leistet nun mit seinem Buch »Wie Leipzigs Innenstadt verschwunden ist. 150 verlorene Bauten aus 150 Jahren« einen wichtigen, fast aufklärerischen Beitrag zum Verständnis der Leipziger Architekturgeschichte. Geht es nach ihm, so ist Leipzigs Stadtkern vielleicht älter als der anderer Städte – mehr aber auch nicht. Nach wirklich alten Gebäuden, die Hunderte von Jahren alt sind, müsse man fast schon suchen, blendet man das Alte Rathaus oder Kirchen mal aus. Dennoch sind sie zu finden: Beispiele sind die Alte Waage von 1555 oder das Romanushaus von 1703.
Das rasante Wachstum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts forderte architektonisch seinen Tribut, ganze Straßenzüge wurden zunichtegemacht. Die Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs taten ihr Übriges, sind aber dennoch beinahe vernachlässigbar angesichts der Zahl der Häuser, die völlig bewusst ausradiert wurden, um Platz für Neues zu schaffen.
Äußerst akribisch und detailliert zeigt Ringel, wie sich das Gesicht der Innenstadt seit 1860 gewandelt hat – dem Jahr, in dem mit dem Peterstor das letzte Stadttor abgerissen wurde. In mehreren chronologisch aufeinanderfolgenden Kapiteln stellt er Bauten vor, die wir heute nur noch von alten Fotos kennen können. Vorher-Nachher-Bilder dokumentieren außerdem eindrücklich die baulichen Veränderungen des Stadtzentrums. So entstand ein gelungenes Buch, bei dem man sich unweigerlich fragt, ob es in 150 Jahren neu aufgelegt werden muss.