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Kultur

»Nicht in kleiner Runde entscheiden«

Künstlerischer Leiter Daniel Schade über das Ost-Passage Theater und Fragen der Mitbestimmung

  »Nicht in kleiner Runde entscheiden« | Künstlerischer Leiter Daniel Schade über das Ost-Passage Theater und Fragen der Mitbestimmung

Zwei Jahre nach der Eröffnung des Ost-Passage Theaters in der Eisenbahnstraße trifft der kreuzer den künstlerischen Leiter Daniel Schade zum Gespräch. Es geht um sein neues Theaterstück, Diversität und die Strukturen am Haus.

kreuzer: Ihr Stück »Boom L.E.« thematisiert die Stadtentwicklung?
DANIEL SCHADE: Das Thema ist Mietkampf. Es geht um einen Hausbesitzer und eine Mieterschaft, die ausziehen soll. Da sie das nicht will, versucht sie sich zu wehren. Das Ende lassen wir ein bisschen offen.

kreuzer: Was hat das mit dem Viertel zu tun?
SCHADE: Hier haben viele Menschen Angst vor der Gentrifizierung. Leipzig und auch dieses Viertel haben sich so schnell verändert. Viele haben Sorge davor, dass die Häuser in der Eisenbahnstraße verkauft werden und es dann bald so aussieht wie am Beginn der Straße. Die Ängste ziehen sich meiner Ansicht nach aber durch die ganze Stadt. Das ist ein schwieriges Thema, weil nur wenige Betroffene darüber sprechen. Die werden einfach still verdrängt.

kreuzer: Reden Menschen mit Ihnen darüber? 
SCHADE: Für unser Stück haben wir uns ein wenig am Haus der Reclamstraße 51 orientiert und mit den Bewohnern gesprochen. Die führen schon sehr lange einen juristischen Kampf, um in dem Haus wohnen zu bleiben. Die Gespräche waren auch eine Grundlage für »Boom L.E«.


kreuzer: Wie finden Sie Ihre Darsteller?
SCHADE: Auf verschiedenen Wegen. Einerseits arbeiten wir für konkrete Projekte mit Aushängen in umliegenden Geschäften, auf die sich immer viele Menschen zurück melden. Andererseits kommen auch Anfragen zum Mitspielen. Das Ost-Passage Theater ist ja ein Nachbarschaftstheater, das Laien und Amateure fördern will. Dieses Profil zieht die Leute natürlich an. Leider noch nicht alle Altersgruppen oder Hautfarben.

kreuzer: Sondern?
SCHADE: Das Nachbarschaftsensemble Optimal zum Beispiel entspricht in etwa der Struktur unseres Publikums. Es ist zum größeren Teil weiblich und im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. Ältere Menschen oder Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen, ist schwieriger.


kreuzer: Woran liegt das? 
SCHADE: Erst einmal an unterschiedlichen Vorstellungen von Hobby, Freizeit und Interessen. Ein anderer Alltag spielt eine große Rolle. Wir haben auch schon mit Menschen mit Migrationshintergrund gearbeitet, aber da braucht es einen anderen Zugriff. Ein Weg führt über die Kinder und Jugendlichen. Die haben einen höheren Spieltrieb, bringen mehr Zeit mit und ziehen die Familien dann mit ins Theater. Auch im Leitungsteam haben wir ein Problem mit fehlender Diversität.

kreuzer: Gibt es weitere Herausforderungen?
SCHADE: Durch die »Kulturstark«-Kampagne werden wir seit diesem Jahr institutionell gefördert. Plötzlich müssen wir einen Haushalt aufstellen, Arbeitgeber sein und Arbeitszeiten dokumentieren. Das wirft in unserer Leitungsgruppe natürlich einige Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen auf, wie Hauptamt versus Ehrenamt zum Beispiel. Die Budgetplanung und der Aufbau fester Strukturen bindet aktuell viele Kapazitäten.

kreuzer: Was sind Ziele für die Zukunft?
SCHADE: Wir wollen neue Wege gehen und strukturelle Fehler der alten Kulturbetriebe in Leipzig nicht wiederholen. Also eine Situation, bei der am Ende ganz wenige weiße Männer die Geschicke des Betriebes leiten. Sodass dann nur noch in kleiner Runde entschieden wird, was inhaltlich, künstlerisch, politisch passiert. Mit unserem Nachbarschaftstheater verbinden wir einen politischen Auftrag, kollektive Strukturen auszuprobieren und modernen Ansprüchen von Teilhabe, Gleichberechtigung und Diversität gerecht zu werden.

kreuzer: Gibt es konkrete Pläne für dieses Jahr?SCHADE: Zusammen mit Nachbarn und lokalen Akteuren wollen wir das alte Kino der Jugend in der hinteren Eisenbahnstraße wieder beleben. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass das Viertel einen größeren Saal benötigt. Unsere Bühne ist klein, weswegen nicht einmal eine Parallelnutzung wirklich möglich ist. Weiter nachhaltig zu wachsen und kurz- bis mittelfristig eine Probebühne aufzubauen, wäre unser Wunsch.


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