Ein Jahr ist der Bericht her: Auf einem Festival wurden Menschen auf der Toilette gefilmt, das Videomaterial wurde später auf Porno-Plattformen verbreitet. Kein Einzelfall, wie eine Demonstration am Lene-Voigt-Park klar machen will. Sexualisierte Gewalt gebe es immer wieder – auch im persönlichen Umfeld.
Es ist Valentinstag am Lene-Voigt Park. Unter dem Motto »My body is still not your porn« haben sich am Sonntagnachmittag bei eisigen Temperaturen mehrere Hundert Menschen eingefunden. Auf einem Seil hängen Blätter, die Bände sprechen: Laut der Recherche des Leipziger Musikblogs Frohfroh wurden 2019 im Elipamanoke 94 männliche Künstler gebucht – weibliche hingegen nur 8. Ähnlich sind auch die Zahlen von Clubs wie der Distillery oder dem Institut für Zukunft. Ein Zeichen, dass patriarchale Machtstrukturen auch – und vor allem – vor der Feierszene nicht Halt machen.
Letzteres zeigen auch die Geschehnisse um das Festival Monis Rache, die Ausgangspunkt für die Demonstration sind. Auf dem alternativen Kulturfestival in Mecklenburg-Vorpommern wurden in den Jahren 2016 und 2018 versteckte Kameras in Dixi-Toiletten installiert. Videos von als Frauen gelesenen Menschen landeten daraufhin im Netz und wurden weiterverkauft. Lange blieben Tat und Täter unbekannt. Erst eine Reportage von STRG_F brachte den Vorfall 2020 an die Öffentlichkeit. Wieso wurde der Täter Henning F. so lange geschützt? Was sagt die Tat und vor allem der Umgang mit dieser über linke Feierkultur?
Diese Fragen sind damals so aktuell wie heute – das Verfahren gegen F. wurde im Dezember vorläufig eingestellt. Berichten zufolge sei der Beschuldigte nicht auffindbar. Die feministische Gruppe Mora Leipzig ist darüber bestürzt und bezeichnet die Tat als »ganz klar sexualisierte Gewalt«. Mit ihrer mittlerweile zweiten Demo wollen sie dafür sorgen, dass das Thema im Gespräch bleibt. Denn das Geschehene auf dem Festival Monis Rache ist kein Einzelfall. »Die linke Szene hat ein Riesenproblem mit sexualisierter Gewalt«, erklärt eine Aktivistin von Mora Leipzig und eröffnet den Protest mit einem Redebeitrag darüber, dass sich ein Jahr nach Veröffentlichung der Tat zwar einiges getan habe, aber dies noch lange nicht reiche.
Ein Strafverfahren und eine potenzielle Verurteilung alleine genügen den Rednerinnen nicht. Aus ihrer Sicht, ist es an der Zeit, die komplette Gesellschaft umzudenken. Das bedeutet zum Beispiel, keinen Täterschutz mehr zu betreiben, sagt Journalistin Lea Schröder in ihrem Redebeitrag. Sie hat sich im Rahmen einer Recherche intensiv mit sexualisierter Gewalt in der Leipziger Clubszene auseinandergesetzt. Täter fühlen sich zu sicher, sagt Schröder. Fakt ist: Auch Henning F. wurde lange Zeit gedeckt.
Laut dem Antisexistischen Support Leipzig (ASL) muss sich das Verhalten von Cis-Männern dringend und zwingend ändern. Denn während es meistens Frauen, Lesben, intersexuelle sowie nicht-binäre und Trans Personen (FLINT) sind, die Verantwortungen übernehmen, progressiv an Veränderungen arbeiten und Support leisten, käme man bei Cis-Männern* »kaum umhin gebrochene Planlosigkeit und Gemütlichkeit zu registrieren«, sagt der ASL. Dabei ist genau diese männliche Reflexion so wichtig. Denn eine Umstrukturierung des Systems, in dem wir leben, funktioniert nicht, wenn sich knapp die Hälfte der Menschen raushält, macht ein Beitrag zu kritischer Männlichkeit klar.
Das bestätigen auch die Geschichten betroffener FLINT beim Open-Mic am Ende der Demo, die auf eindringliche Art und Weise klar machen: Mackertum, Gewalt, Machtgefälle sowie sexistische und queerfeindliche Diskriminierungen sind Probleme, die auch die linke Partyszene kennzeichnen. So weiß eine Betroffene, die den Täter von Monis Rache kennt, nicht wie sie mit ihrem Vertrauensverlust in Männer umgehen soll. Eine Person berichtet vom problematischen Verhalten von Männern, die auf ihr übergriffiges Verhalten angesprochen wurden, jemand anderes erzählt: »Alle meine Täter sind links, alle waren zum Zeitpunkt politisch aktiv.« Eine andere berichtet von ihrer Vergewaltigung im Partykontext vor einigen Jahren und davon, wie sie jahrelang die Schuld bei sich gesucht hat und dies nun endlich nicht mehr tut.
Die Stimmung ist aufgeladen. Und während ein paar Tränen fließen, gemeinsam gerufen und applaudiert wird, scheint eine Veränderung doch noch möglich. Oder wie es die Initiative Awareness formuliert: »Das Patriarchat brennt und wir tanzen in den Flammen.«