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Kultur

Düsterer Spaß

Das Sommertheater der Cammerspiele bringt Helge Schneiders Parodie der Pferdeheldin Wendy auf die Bühne

  Düsterer Spaß | Das Sommertheater der Cammerspiele bringt Helge Schneiders Parodie der Pferdeheldin Wendy auf die Bühne

Eine Todesrate wie in einem Shakespeare-Drama - kein Wunder, denn das Leben ist kein Ponyhof. Zumindest nicht bei Mendy, dem pferdebegeisterten Mädchen, das Helge Schneider parodiert hat. An den Cammerspielen wurde der abstruse Ritt nun als Sommertheater inszeniert.

Satte grüne Wiesen, saubere Polo-Hemden und Wendy, ein junges Mädchen, das stellvertretend Pferdeglück und Abenteuer erlebt. Auf dem Gestüt »Rosenborg« sind die Konflikte überschaubar und das Happy End groß. Kippt man über diesen kindlichen Kitsch drei Säcke Müll und ergänzt die Todesrate eines Shakespeare-Dramas, gelangt man zur Geschichte Mendys, gespielt von Jennifer Demmel. Ihr Leben ist kein Ponyhof: Die Mutter, genannt Lady Mama, hält sie vom Reiten ab, solange ihr Zimmer einem Saustall gleicht, und der Vater, der seit einem Rodeo-Unfall im Rollstuhl sitzt, hat nur seinen 911er Porsche im Kopf. In der spannungsreichen Familienkonstellation gibt ihr Mocca halt. Doch der Ritt in den Sonnenuntergang ist gefährdet. Der geliebte Gaul soll verkauft werden, um neue Reifen für das Luxusauto zu finanzieren.

»Mendy – Das Wusical« ist eine skurrile Parodie auf die Heldin der bekannten Pferdezeitschrift aus der Feder Helge Schneiders. Der erste Theatertext des Unterhaltungs-Allrounders und Jazzkünstlers feierte 2003 am Schauspielhaus Bochum Premiere. Für das diesjährige Sommertheater der Cammerspiele inszeniert Regisseur Danilo Riedl den abstrusen Ritt durch das Leben einer Pferdenärrin. Bereits im letzten Jahr bildete die Rückseite des TV-Clubs die stimmige Kulisse für die Produktion »A Clockwork Orange«. Der besprühte und entkernte Güterschuppen wird nun zum runtergewirtschafteten Pferdehof, vor dem die zerrütteten Figuren dadaistische Musical-Einlagen zum Besten geben.

Musikalisch begleitet von Johanna Jäkel, Anton Mück und Benjamin Strauch blitzt gerade in diesen Performances das komödiantische Genie Schneiders durch. Falko Köpp, der neben Pferd Mocca auch den Tod spielt, unterbricht und kommentiert sich im Lied vom seelensammelnden, schwarzen Vogel auf so komische Weise, dass das Sterben zum Highlight wird.

Und zum Glück wird an Todesszenen nicht gespart. Nacheinander rafft es den Knecht, Lady Mama und den Vater dahin. Letztere erwischt es gegen Ende, als Mendy mit elterlicher Zustimmung den Platz Moccas auf der Schlachtbank einnehmen will. Um die Botschaft zu unterstreichen, dass es »wichtigeres im Leben als Porsche-Felgen« gibt, finden beide ihr gerechtes Ende. Lady Mama, gespielt von Ralf Donis, wird vom Vater, Ulrich Faßnacht, erst überfahren, dann stirbt er bei der Rettung seiner lieben Tochter. Mocca und Mendy – inzwischen glücklich wiedervereint – sind bereit für ihr Happy End, da stellt das Pferd fest: »Ich bin ein Mensch!« und gemeinsam setzten Tote und Lebende zum Grande Finale an. Mit einer parodistischen Interpretation von »We are the World« findet das verschrobene Musical seinen Abschluss.

Durch wohl eingesetzte Körperkomik, wie im Gollum-haften Spiel von Christian Feist, und genauem Timing, das Damian Reuter in der Rolle von drei snobistischen Pferden beweist, wird die Groteske zum kurzweiligen, teils düsteren Spaß. Die Verbindung aus Trash-TV und Pferderomantik bringt mit vielen komischen Einfällen und dem großartigen Kostümbild von Romy Rexheuser nicht nur gealterte Wendy-Fans zum Lachen.


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1 Kommentar(e)

Ben 16.07.2021 | um 11:47 Uhr

Kleiner Tipp, am Ende wird eine Interpretation von "The Last Unicorn" dargeboten. Und Damian Horst heißt Damian Reuter. Sonst stimmt aber alles. ;-)