Nach einem Tocotronic-Konzert tut die Leipziger Musikerin Fiona Lehmann das, was viele tun, sie steckt Jan Müller eine Kassette zu, in diesem Falle »Die vier Jahreszeiten« ihrer Band Frau Lehmann. Wenig später meldet sich Müller bei ihr. Ihm gefalle die Musik sehr gut. Nun erscheint eine Split-EP mit Songs von Frau Lehmann und Müllers Band Dirty Dishes. Wir treffen beide zum Interview. Beide duzen sich, Fiona und ich duzen uns – sie schreibt ja auch für den kreuzer –, also duzen wir uns alle.
Jan, was hat dir an der Musik von Frau Lehmann so gut gefallen?
JAN MÜLLER: Erst mal vor allem die Melodien. Mir gefällt der ganze Ansatz der Band sehr gut, weil die Musik auf eine sehr schöne Art und Weise unbedarft und irgendwie auch ein bisschen unschuldig daherkommt. Ich muss aber auch sagen, dass ich oft von Leuten gebeten werde, mir ihre Musik mal anzuhören, was ich generell ziemlich anstrengend finde. Ich fühle mich dann einerseits verpflichtet, andererseits schaffe ich das oft aber überhaupt nicht. Bei Frau Lehmann gefiel mir aber die Aufmachung des Tapes sehr gut, weshalb ich neugierig war.
Wie ist dann später die Idee für eine gemeinsame Split-EP entstanden?
FIONA LEHMANN: Die Idee kam von unserem Gitarristen, nachdem ich ihm von der Bekanntschaft mit Jan erzählt hatte, denn er ist zugleich großer Fan der Dirty Dishes. Dann haben wir euch, Jan, den Vorschlag gemacht, und ihr habt ziemlich schnell zugesagt.
MÜLLER: Ja, ich fand’s auch toll, dass ihr das angestoßen und in die Hand genommen habt. Und es kam uns auch sehr gelegen, dass es eine Konzept-EP zum Thema Wasser werden sollte. Wir arbeiten mit den Dirty Dishes nämlich am liebsten konzeptuell.
Wie kamt ihr denn auf das Thema Wasser?
LEHMANN: Das hing vor allem damit zusammen, dass wir schon zwei Songs hatten, die beide in verschiedener Weise was mit Wasser zu tun hatten – nämlich »Flussaufwärts« und »Tintenfisch«. Und es hat auch deshalb gut gepasst, weil wir bei der vorherigen »Vier Jahreszeiten«-EP ja auch schon konzeptuell gearbeitet hatten.
Die Musik eurer Bands klingt ja doch sehr unterschiedlich. Was hat euch dennoch zuversichtlich gestimmt, dass das harmonieren könnte?
MÜLLER: Ich finde, es spielt überhaupt keine Rolle, ob das musikalisch eng verwandt miteinander ist oder nicht. Als Konsument finde ich es sogar viel interessanter, wenn sich die künstlerischen Ansätze unterscheiden, als wenn zwei sehr ähnliche Bands etwas zusammen veröffentlichen.
LEHMANN: Ich fand die Vorstellung irgendwie auch witzig, dass die Konstellation die Leute vielleicht ein bisschen irritieren kann.
Ich habe gehört, dass ihr mit den Dirty Dishes gar nicht im Studio wart, sondern die Songs über Zoom zusammen aufgenommen habt. Stimmt das?
MÜLLER: Ja, wir wohnen ja leider nicht in einer Stadt, sondern verstreut in Berlin, Hamburg und Bremen, weshalb wir uns dieses Mal für die Onlinevariante entschieden haben. Das war alles in allem aber wahnsinnig nervig. Sobald man da etwa lauter singt, wird die Lautstärke automatisch runtergepegelt, um Rückkopplungen zu vermeiden. Und leider war unser Bandmitglied Guido vom Flockenberg, der Bluesmusiker aus dem Oberbergischen, dieses Mal nicht beteiligt. Er war zwar bei einer Zoom-Session dabei, aber ist dann mit Rasmus was essen gegangen und nicht wiedergekommen (lacht).
Welche Rolle nehmen die Dirty Dishes denn neben deiner Hauptband Tocotronic für dich ein, Jan?
MÜLLER: Es gibt ja den Begriff des Copings, was bedeutet, dass man Druck aus etwas rausnimmt, indem man sich vorübergehend etwas anderem zuwendet. So habe ich dann erst Das Bierbeben und dann auch die Dirty Dishes als Nebenprojekt vom Nebenprojekt gegründet. Ich sehe das als eine kleine, feine Sache, die wenig mit Tocotronic zu tun hat, weil wir mit den Dirty Dishes natürlich einen ganz anderen, eher humoristischen Ansatz verfolgen.
Im letzten Jahr hast du Fiona deine nahezu vollständige Micky-Maus-Heftsammlung übergeben. Vermisst du sie manchmal?
MÜLLER: Nein, gar nicht. Ich bin froh, dass ich die Dinger los bin (lacht). Nein, ich vermisse sie deshalb nicht, weil ich sie in guten Händen weiß. Und der ganze Bereich des Comics ist ja auch ein sehr männlich dominiertes Genre, daher finde ich es gut, dass die Hefte nun im Besitz einer Frau sind. Wie oft liest du sie eigentlich, Fiona?
LEHMANN: Schon regelmäßig. Ich nehme mir jetzt immer mal ein Jahrzehnt raus. Ich war zum Beispiel sehr begeistert von den siebziger Jahren. Das ist echt ein popkultureller und kulturhistorischer Schatz – auch, was zum Beispiel die Werbung in den Heften betrifft.
> Frau Lehmann/Dirty Dishes »Gewäsch«: ab 9.2. auf EP erhältlich