Klingt wie ein fragwürdiger Selfcare-Trend, ist allerdings das neue heiße Indie-Ding aus Österreich: die Wiener Band Endless Wellness. Mit schrammeligem Fuzz-Pop und obskur-poetischen Texten über Erektionsstörungen, Zukunftsängste, Klimakatastrophe oder nicht vorhandene Kinderwünsche sticht die Gruppe aus der aktuellen Riege generischer Indie-Formationen deutlich hervor. Im Januar erschien das Debüt-Album »Was für ein Glück«, seitdem ging es für die Band steil bergauf. Nun kommt das Quartett erstmals nach Leipzig. Wir sprachen mit Sänger Philipp Auer und Keyboarder Hjörtur Hjörleifsson.
Endless Wellness wird öfter als Tocotronic der 2020er oder Isolation Berlin aus Wien bezeichnet. Können Sie sich damit identifizieren?
AUER: Schwer zu sagen, aber ich liebe Isolation Berlin auf jeden Fall sehr. Die haben das auch, sich Sachen leichter zu singen oder leichter zu spielen, wenn es eigentlich gerade ganz schwer ist.
Die Musik der Band klingt gar nicht nach Wellness – was war die Idee hinter dem Namen?
HJÖRLEIFSSON: Also, wir würden sofort sagen, dass wir große Verfechter des Wohlergehens sind. Und hoffentlich schafft es auch unsere Musik, zum Wohlbefinden beizutragen. Aber andererseits gibt’s dann auch noch die Kehrseite. Wellness hat ja auch etwas Zwanghaftes und es gibt diese gesellschaftlichen Zwänge nach Optimierung und danach, die bestmögliche Version von sich selbst zu sein. Und dagegen versuchen wir auch anzukämpfen.
Im Januar ist Ihr Debütalbum »Was für ein Glück« rausgekommen, danach wurde die Band ziemlich schnell relativ erfolgreich. War dieser schnelle Erfolg eine Überraschung?
HJÖRLEIFSSON: Wie schnell es gegangen ist, war schon sehr verwunderlich und übertraf auf alle Fälle jegliche Erwartungen. Es wäre ja auch größenwahnsinnig gewesen, schon im Vorfeld so was zu prophezeien. Aber es gab schon so einen Grund-Glauben an das Material, dass das gut ist. Also dass schöne Musik daraus entstehen wird, da war ich mir ganz sicher und das ist für mich die eigentliche Definition von Erfolg.
AUER: Als wir angefangen haben, hatten wir alle unsere verschiedenen Vorstellungen und Träume, aber die sind mittlerweile fast alle schon eingetreten. Ich glaube, Milena, unsere Bassistin, will noch Judith Holofernes kennenlernen – dann haben wir alle Häkchen gesetzt.
Wie ist das, jetzt Interviews zu führen, auf Tour zu gehen und dergleichen?
HJÖRLEIFSSON: Zum Glück sind wir eine sehr enge Gruppe. Also wir sind in erster Linie befreundet, das ist einfach die höchste Priorität und wir versuchen einfach, aufeinander zu schauen.
AUER: Das Tour-Leben ist schon eine ganz schöne Herausforderung. Wir haben uns auch immer wieder gegenseitig bestätigt, dass wir ganz froh sind, dass wir das jetzt um die 30 rum machen und nicht mit Anfang 20. Weil – man ist, glaube ich, sehr verlockt, dass man da in so falsche Richtungen abbiegt. Also, allein Alkohol ist einfach ein Thema. Wenn dein Job ist, dass jeden Abend Party ist, dann geht sich das irgendwann einfach nicht mehr aus, wenn man jeden Tag trinkt.
HJÖRLEIFSSON: Wir sind wirklich teilweise sehr, sehr brav (lacht).
AUER: Nach jedem Konzert stellt sich eben die Frage: Trinken wir noch was oder gehen wir heim und schauen fern? (lacht).
Besonders an der Musik der Band sind die sehr persönlichen, tagebuchartigen Texte, die häufig auch politische Themen ansprechen. Wie wichtig ist es dabei, dass alle in der Band dahinter stehen?
HJÖRLEIFSSON: Wir ticken zwar alle sehr anders, aber ideologisch, idealistisch haben wir schon sehr viel gemeinsam. Aber es ist nicht so, dass alle hundertprozentig hinter allem stehen müssen. Erst mal bringt der Philipp die Texte mit und wir versuchen, ihnen Raum zu geben, dann werden Sachen thematisiert und es entsteht ein Dialog.
AUER: Ich weiß selbst gar nicht, ob ich das bejahen würde, dass ich mich identifiziere mit den Songs. Natürlich, das sind Songs, die ich geschrieben habe. Es ist doch aber was Befremdliches, sein eigenes Tagebuch zu lesen ist so: Who is this? Was passiert hier? – Das sind halt Momentaufnahmen, und das lieb ich an dem Ganzen.
Wann haben Sie das Gefühl, dass ein Text gut für einen Song ist?
AUER: Wenn die anderen sagen, dass das so ist (lacht). Also, es passiert auf jeden Fall nicht oft, dass ich Sachen schreibe und sie von Anfang an toll find, eher das Gegenteil.
HJÖRLEIFSSON: Man muss dem Philipp meistens länger nachgehen. Wie am Anfang dieser Band, das war ein sehr langer Prozess, bis das wirklich angekommen ist. Ich kann auch nicht sagen, dass ich mir so hundertprozentig sicher war am Anfang bei allen Sachen, aber ich wusste, dass da irgendwas dran ist, das mich sehr, sehr interessiert.
> 13.10., 20 Uhr, Naumanns