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Kultur

Die wahre Bedeutung hinter den Noten

Das Gewandhaus widmet Dmitri Schostakowitsch anlässlich dessen 50. Todestages ein umfangreiches Festivalprogramm

  Die wahre Bedeutung hinter den Noten | Das Gewandhaus widmet Dmitri Schostakowitsch anlässlich dessen 50. Todestages ein umfangreiches Festivalprogramm  Foto: Blick ins Programm/Eric Kemnitz

Zwei Seiten einer Medaille: Mal spricht der Kampfgeist, mal hört man das Seufzen aus den Melodien, mal beschwingen die Kompositionen von Dmitri Schostakowitsch. So vielseitig sie auch sind, sie berühren. Lernt man dann die Biografie des bedeutenden russischen Komponisten kennen, der 1906 bis 1975 lebte, gibt sein Leben und Hadern Aufschluss über die andere Seite seiner Musik: »Schostakowitsch hatte kein leichtes Schicksal in der Sowjetunion, er ist mehrmals öffentlich verurteilt worden, was ihn und seine Familie in große Gefahr brachte und zur Folge hatte, dass seine Werke eine Zeit lang nicht gespielt werden durften«, erzählt Tobias Niederschlag, Konzertplaner des Gewandhauses, im Gespräch mit dem kreuzer. »Aus dem Dilemma, Musik zu schreiben, die offiziell akzeptiert wurde und mit der er sich trotzdem treu blieb, hat er sich befreit, indem er vielen Werken eine doppelte, hintersinnige Bedeutungsebene einschrieb. Die wahre Bedeutung seiner Musik liegt also häufig zwischen den Zeilen. Das ist außergewöhnlich.«

Anna Rakitina
Dirigentin Anna Rakitina

Schostakowitschs Musik dokumentiert die Missstände seiner Zeit subtil und oft verschleiert. Umso spannender ist es, dass anlässlich des 50. Todestages des Komponisten während des Schostakowitsch-Festivals in Leipzig nun eine große Bandbreite dieser Musik erklingt: Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons und die russische Dirigentin Anna Rakitina leiten Aufführungen aller 15 Sinfonien. Als Klangkörper sind hier das Gewandhausorchester, das Boston Symphony Orchestra und ein eigens gegründetes Festivalorchester zu erleben, das aus Mitgliedern der Mendelssohn-Orchesterakademie, des Tanglewood Music Center Orchestra und aus Studierenden der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« besteht. Darüber hinaus interpretieren namhafte Solistinnen und Solisten wie etwa der Pianist Daniil Trifonow, der Geiger Nikolaj Szeps-Znaider und der Cellist Gautier Capuçon Schostakowitschs bedeutende Kammermusik. Filme über Schostakowitsch, Liederabende und zwei Aufführungen der Oper »Lady Macbeth von Mzensk«, szenisch an der Oper Leipzig, komplettieren das dichte Programm. Der Konzertplaner des Gewandhauses schätzt die Vielseitigkeit und Vieldeutigkeit der Kompositionen und verweist auf deren Brisanz: »Nicht nur in Russland, sondern weltweit sind autokratische Bewegungen gegenwärtig im Aufschwung. Das macht Schostakowitschs Musik heute wieder so erschreckend aktuell. Ich habe mich schon oft gefragt, ob die Musik auch wirkt, wenn man die konkreten biografischen Hintergründe nicht kennt, und würde sagen: Ja, sie wirkt trotzdem. Sie spricht einen emotional unmittelbar an, man kann sich ihr gar nicht entziehen!« 

 

> Schostakowitsch-Festival mit allen Sinfonien und Solokonzerten, Kammer- und Klaviermusik sowie Lied und Oper: 15.5.–1.6., www.gewandhausorchester.de

> Über Schostakowitschs einzigen – nicht freiwilligen – Besuch in Leipzig im Jahr 1950 berichtet Ute Lieschke im aktuellen Gewandhaus-Magazin (Ausgabe 126, Frühjahr 2025). Dort schreibt Claudius Böhm auch über fünf Briefe des Komponisten, die im Gewandhaus-Archiv liegen.

> Nie ein Fehler: Julian Barnes lesen. Sein Roman »Der Lärm der Zeit« (KiWi 2017) erzählt Schostakowitschs Lebensgeschichte.


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