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Stadtleben

Viel Engagement, wenig Gehör

Die Initiative »Südvorstadt für alle« zieht nach drei Jahren eine gemischte Bilanz

  Viel Engagement, wenig Gehör | Die Initiative »Südvorstadt für alle« zieht nach drei Jahren eine gemischte Bilanz  Foto: Marco Brás dos Santos

Fast 4.000 Menschen stimmten im Jahr 2023 mit ihrer Unterschrift für die Petition »Südvorstadt für alle« und damit für die dahinterstehende Forderung, drei Wohnhäuser mit insgesamt 105 Wohnungen in der Leipziger Südvorstadt sozial und ökologisch zu sanieren. Alle drei Häuser gehören faktisch den Leipzigerinnen und Leipzigern – sie befinden sich nämlich im Eigentum der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB), deren alleinige Gesellschafterin die Stadt Leipzig ist. Doch deren Mitwirkung scheint nicht erwünscht zu sein.

Die Initiative »Südvorstadt für alle« – bestehend aus Mieterinnen, Mietern und Stadtteilgruppen – bemühte sich seit 2022, Einfluss auf die Gestaltung der Sanierung von drei Wohnblöcken zu nehmen, die in den 1960er Jahren errichtet wurden. Sie stehen in der Kochstraße 13-15 und 59–63 sowie der August-Bebel-Straße 81–83. Ziel war es, dort Modellprojekte für sozialverträglichen Wohnraum und für eine behutsame, klimaangepasste Sanierung zu entwickeln. Darüber hinaus sollten dabei auch Erkenntnisse für zukünftige Sanierungsprojekte gewonnen werden – ein dringendes Anliegen angesichts der sich zuspitzenden Wohnungs- und Klimakrise.

Im Juni 2022 brachte der Stadtbezirksbeirat Süd das Anliegen der Initiative mit einem Antrag im Leipziger Stadtrat ein. Dieser wurde von den Fraktionen der Linken, Grünen und SPD wohlwollend diskutiert und im Oktober 2023 beschlossen. Eine zentrale Maßgabe des Beschlusses war, dass die LWB ein Umsetzungskonzept für das Modellprojekt gemeinsam mit dem Netzwerk Leipziger Freiheit, dem Stadtbezirksbeirat Süd und wissenschaftlichen Institutionen wie der HTWK erarbeiten sollte. Zudem wurde die Einrichtung eines Sanierungsrats angeregt – bestehend aus Anwohnenden sowie Personen mit relevanten Fachkenntnissen.

All diese Vorhaben blieben jedoch aus. Dabei waren bereits in einem gemeinsamen Workshop im Herbst 2022 die Anliegen des Antrages sowie mögliche Kompromisse von den Beteiligten diskutiert worden. Die Initiative legte im Folgenden proaktiv Konzepte und Kalkulationen für die Sanierung vor und organisierte eine potentielle wissenschaftliche Begleitung des Modellprojektes durch die Deutschen Umwelthilfe und die TU München. »Aus unserer Sicht versandete der ursprüngliche Ratsbeschluss ›Südvorstadt für alle‹ irgendwo zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat der LWB, dem Oberbürgermeisteramt und den zuständigen Fachausschüssen – alles Ebenen, zu denen wir keinen direkten Zugang hatten. Und dass, obwohl der Stadtrat ursprünglich ein kooperatives und transparentes Verfahren beschlossen hatte«, erklärt Robin Weisbach von der Initiative.

Die Stadtverwaltung, die den Prozess mit dem Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung aktiv begleitete, räumte auf Anfrage des kreuzers ein, dass »viele Aspekte, die mit dem Ratsbeschluss ›Südvorstadt für alle‹ beschlossen wurden, aus wirtschaftlichen Gründen nicht umgesetzt werden können, auch wenn das Ansinnen des Modellprojekts den städtischen Zielen, wie sie im wohnungspolitischen Konzept festgelegt sind, entspricht«.

Inzwischen wird die Kochstraße 13-15 bereits saniert. Für die beiden anderen Adressen laufen die Planungen. Laut einer Antwort auf eine Stadtratsanfrage der Linken plant die LWB nach der Sanierung mit Miethöhen von bis zu 16 Euro pro Quadratmeter. Wohnungen, die auch für Menschen mit geringem Einkommen oder im Sozialleistungsbezug leistbar wären, sollen nicht entstehen. Die bisherigen Mieterinnen und Mieter erhalten ein Rückkehrrecht, müssen allerdings mit einer Mieterhöhung im Rahmen der Modernisierungsumlageum zwei Euro pro Quadratmeter rechnen – auch wenn sie damit noch unter dem Preisniveau der freiwerdenden Wohnungen liegen. Der stille Leerzug der Häuser – Wohnungen wurden nach Auszug seit Jahren nicht neu vermietet – dürfte sich für die LWB also finanziell auszahlen.

Die Debatte um die Wohnblöcke gärt bereits seit 2013. Schon damals verhallten offene Briefe von Mieterinnen und Mietern. Die LWB zeigte weder Bereitschaft zur Einbeziehung der Anwohnerschaft noch zu mehr Transparenz in der Sanierungsplanung – und auch nicht zum Erhalt bezahlbaren Wohnraums. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob eine Mitwirkung von Mietenden und Stadtteilgesellschaft bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft überhaupt gewollt ist.

»Es ist schon ein demokratisches Defizit, dass der Stadtrat eigentlich keinen direkten Einfluss auf die Sanierungskonzepte der LWB hat«, kritisiert Robin Weisbach. »Unseres Erachtens wurde die Einmischung sowohl von uns als Stadtteilinitiative als auch von weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren eher abgelehnt und verhindert.« Das Modellprojekt hätte wertvolle Expertise für andere Sanierungsvorhaben liefern können – insbesondere bei der Verbindung von sozialen und ökologischen Zielen.

Fast die Hälfte der Gebäude in Deutschland wird den unteren Energieeffizienzklassen zugeordnet. Diese schlecht gedämmten Wohnhäuser werden wiederum überwiegend von Menschen mit geringem Einkommen bewohnt – in Leipzig ist das nicht anders. Das bedeutet, dass sie auch exponentiell mehr Energiekosten bezahlen müssen. Trotzdem ist die Angst vor energetischen Sanierungen gerade bei Menschen mit geringem Einkommen groß. Denn trotz perspektivischer Einsparungen beim Energieverbrauch, werden die Mieterinnen und Mieter oft mit einer Umlage an den Modernisierungskosten beteiligt. Der BUND und der Deutscher Mieterbund fordern vor diesem Hintergrund ein sogenanntes Drittelmodell, mit dem die Kosten der energetischen Modernisierung gerecht zwischen Mietenden, Vermietenden und öffentlicher Hand verteilt werden können. Um Mieterinnen und Mietern die Angst vor energetischen Sanierungen zu nehmen – die letztlich sowohl für den individuellen Energieverbrauch als auch für das Erreichen der Klimaziele essenziell sind – braucht es Leuchtturmprojekte, Beteiligungsformate wie Sanierungsräte und passende Förderprogramme.

»Südvorstadt für alle« ist auch deshalb gescheitert, weil finanzielle Mittel zur Umsetzung sozialer, ökologischer und denkmalpflegerischer Ansprüche nicht ausreichend vorhanden waren – weder auf Landes- noch auf Bundesebene. Hierbei sind sich Initiative, Stadt und LWB einig.

Die Initiative blickt dennoch zuversichtlich in die Zukunft. Im Rahmen der Housing Action Days fand am 26. April ein Rundgang durch die Südvorstadt statt, bei dem der herausfordernde, aber auch aufschlussreiche Prozess von »Südvorstadt für alle« öffentlich aufgearbeitet und transparent dargestellt wurde.

In den drei Jahren des Engagements konnten die Mitglieder viel über ökologische Sanierung, lokale Wohnungspolitik und die Herausforderungen kommunaler Wohnungsunternehmen lernen. Es brauche diese umfassende Expertise, um zu entscheiden – und zu vermitteln – welche Sanierungsmaßnahmen sozial und gesellschaftlich sinnvoll sind, erklärt Weisbach. Vor allem aber gelte: Mieterinnen, Mieter und Stadtteilakteure müssen mitgenommen werden. »Gerade bei kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen sollte das selbstverständlich sein.«

Die Stadt kündigt an, die Beteiligung an dem von der Südvorstadt-für-alle-Initiative organisierten Forschungsprojekt im Auge zu behalten: »Die Stadt Leipzig und die LWB sind interessiert, sich zukünftig mit einem anderen LWB-Objekt, für das die Planung noch nicht begonnen wurde, an dem Forschungsprojekt zu beteiligen«, heißt es aus dem Referat Kommunikation. Außerdem sollen bei der Nutzbarmachung leerstehender kommunaler Liegenschaften durch Stadt und LWB zukünftig kooperative Planungsmethoden und -verfahren angewendet werden.

Die LWB hat auf die Anfrage des kreuzers nicht geantwortet.


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1 Kommentar(e)

Alex 16.06.2025 | um 18:08 Uhr

Was soll man dazu sagen? Das die LWB nichts dazu gesagt hat,sagt eigentlich schon alles! Das ist auch nur ne"Interessengemeinschaft",wo es um Gewinnmaximierung geht,,, und sich dann hinter solchen Phrasen wie"es waren nicht ausreichend Mittel von oben vorhanden"zu verstecken kotzt(Sorry!) einfach nur an... Es gibt schon einige solcher Objekte,welche noch viel schlechtere Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung hatten,wo die Beteiligten aber Herzblut und gewissen"Standort-Patriotismus"mitbrachten und es somit glückte! Aber was soll man schon von so einer Gesellschaft halten,wo der Name schon Fake ist-soweit ich weiß,dürfte es sich die Zentrale der LWB schon in Berlin gemütlich gemacht haben... Noch kleiner Tip: Da sich ja ein Großteil dieser Wohnungen im Einzugsbereich einer eher"rüstigen Klientel" befindet,sind plötzliche Veränderungen ja nun mal der Lauf der Dinge - aber vielleicht gibt es da ja zufällig noch die lieben Enkel? Diese könnten nämlich die Wohnung zu den gleichen Konditionen übernehmen!