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Stadtleben

Sprinten, tackeln, ackern

Am Wochenende fand die Verbandsmeisterschaften der Damen im Siebener-Rugby in Leipzig statt

  Sprinten, tackeln, ackern | Am Wochenende fand die Verbandsmeisterschaften der Damen im Siebener-Rugby in Leipzig statt  Foto: Das Team vor und neben dem Platz bei der Verbandsmeisterschaft im Siebener-Rugby/RCL


Ein »Crouch, Bind, Set« überschallt den Motorenlärm der Straßenbahn, die von der Haltestelle »Stahmelner Allee« abfährt. Von hier aus lässt sich die Landesverbandsmeisterschaft im Siebener-Rugby der Damen nur akustisch erahnen. Doch die unüberhörbaren Spielzugkommandos, Anfeuerungsrufe und Jubelschreie empfehlen, zügigen Schrittes, an den blühenden Stahmelner Feldern und Wiesen vorbei, zum Sportgelände des Rugby Clubs Leipzig (RCL) zu laufen. Nach 700 Metern Fußweg entwickelt sich das wahrnehmbare Geräuschtreiben zu einem Actionfilm. Je sieben Spielerinnen zweier Landesauswahlen beackern gerade das fußballfeldgroße Grün im Abnutzungskampf um das ovale Spielgerät, »Ball« oder »Ei« genannt. Die Anzahl der Mitspielenden beim Siebener-Rugby ist der wesentliche Unterschied zur klassischen Variante, die mit 15 Personen pro Team, aber derselben Feldgröße gespielt wird. Auf dem Spielfeldrandhang der Südseite sitzen gut 50 Zuschauende auf Klappstühlen und Picknickdecken. Ihre Augen verfolgen Sprint um Sprint, Tackling um Tackling, Karambolagen, Richtungswechsel, Staffeten und Spielzüge rund um den ovalen Ball. Zweimal sieben Minuten dauert ein Spiel. Zwei Minuten Verschnaufpause gibt es zwischendurch. Die Turnierleitung begleitet das Spielgeschehen, von einer Bierzeltgarnitur an der Seitenlinie aus, mit Kommentaren, Erklärungen und Spielstandupdates am Mikrofon. Ihre unübersehbaren pinken Westen mit dem Branding des Leipziger Rugbyclubs verraten, dass sie Teil des etwa 30-köpfigen ehrenamtlichen Teams sind, welches an diesem letzten Maitag eine Premiere ermöglicht: Nie zuvor hat ein überregionales Damenturnier des Deutschen Rugby Verbandes in Ostdeutschland – außerhalb von Berlin – stattgefunden.


Sachsen ringt um Platz 5

Hauptausrichterin der diesjährigen Landesverbandsmeisterschaft und Vizepräsidentin des RCL, Nora Schumann, ist auch direkt an der Seitenauslinie des Spielfelds zugegen. Schumann trägt ebenfalls eine pinke Weste – der Schirm der Kappe in der blauen Leipziger Vereinsfarbe ist nach vorne gerichtet – klatscht in die Hände und erhebt die Stimme: »Let’s Go, Sachsen, Goooo«. Schumann ist Teil des Coachingteams der Damenmannschaft des RCL. Acht Leipziger Spielerinnen, dazu drei aus Dresden und eine Spielerin aus Chemnitz rennen, raufen und rackern gerade für das Auswahlteam Sachsens im Aufeinandertreffen mit den Berlinerinnen. Nach der Niederlage gegen Nordrhein-Westfalen und einem darauffolgenden 29:10 Erfolg über das Bündnis aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern in der vormittäglichen Gruppenphase, rangen die Hessinnen Sachsen im ersten Spiel der Platzierungsrunde um die Plätze vier bis sechs mit 49:7 nieder. Eine vermeidbare Niederlage, wie Sachsens Milla Babenerd konstatiert: »Wir waren erst auf Augenhöhe, aber haben dann ein wenig die Kontrolle verloren«. Aufgrund von Abstimmungsschwierigkeiten und eigener Unkonzentriertheit habe sie selbst das ihr zugespielte Ei mehrfach nicht endgültig zu fassen bekommen oder Vorbälle fabriziert, ärgert sich Babenerd. Im Rugby sind ausschließlich Rückpässe erlaubt. Wenn das Ei in Spielrichtung vorwärts abgepasst wird, wird der Angriff zurückgepfiffen und das Gegnerteam erhält das Spielgerät.

Im letzten Platzierungsspiel unter der Nachmittagssonne gegen Berlin entscheidet sich nun das finale Abschneiden der Sächsinnen. Einen frühen Vorstoß über die rechte Außenbahn kann die sächsische Auswahl dabei in einen »Versuch« ummünzen. Dieses Ablegen des Balls in der Endzone, dem »Malfeld«, der gegnerischen Spielfeldhälfte wird mit fünf Punkten belohnt. Der Wert des Versuchs kann anschließend per Dropkickschuss des Spielgeräts durch die obere Hälfte des gegnerischen Stangentors um zwei weitere Punkte ergänzt werden. Dieses Kunststück gelingt den Sächsinnen in diesem Spiel nicht: Da der Ball in der Endzone nahe der rechten Seitenauslinie abgelegt wurde, musste auch der Kick von dieser horizontalen Position auf das mittig im Malfeld stehende Tor ausgeführt werden. Die Berlinerinnen erkämpfen und ersprinten sich Versuche in zentralerer Lage. Nationalspielerin Julia Braun erhält ein ums andere Mal das Spielgerät, dreht und wendet sich durch die sächsischen Verteidigungsreihen und verwandelt final auch zwei Erhöhungskicks für ihr Team. »Was für Waden, Alter«, staunt eine Zuschauerin laut über den athletischen Vorteil der Berlinerin gegenüber ihren Gegenspielerinnen. Die Sächsinnen setzen scheinbar unermüdlich ihre Sprints und Tacklings fort, doch auf dem nach einem Starkregenschauer rutschigen Geläuf entgleiten die Berlinerinnen ihnen wiederholt. Als etwa Babenerd, Sachsens Nummer Neun, ihre Gegenspielerin erst per fairem Hüftgriff stoppen und auf die Knie bringen kann, muss diese folgerichtig das Ei loslassen. Doch das »Supportplay« von Berlin funktioniert und die Rotgekleideten geben das Spielgerät vom Ort das Tacklings nach Linksaußen durch, um den abschließenden Versuch zum 38:5 Endstand zu verwerten. »Es braucht auch ein gutes Auge beim Rugby«, feiert die Turnierleitung den Spielzug über ihr Mikrofon.

Sachsen selbst kann mit dem Ball unterm Arm besonders in der zweiten Halbzeit selten Raumgewinn erzielen, also nie »mehr als zehn Meter am Stück nach vorne machen«, wie dem lautgedachten Fachjargon eines RCL-Fans zu entnehmen ist. Die Spielerinnen in den schwarz-gelb-grün, der Landesflagge nachempfundenen Trikots, beißen sich die Zähne an der Verteidigungsstruktur Berlins um Zentrumsspielerin Isabella Pätzold, aus. Pätzold spielte einst für den RCL, wechselte aber nach einem Auslandsjahr im vierfachen Rugby-Weltmeisterland Südafrika zu einem Berliner Club. Damen-Rugby werde zunehmend prominenter in Deutschland, sagt die Vizepräsidentin des Leipziger Vereins, Schumann: »Die Verbände aus Berlin, Bayern oder Baden-Württemberg haben das schon länger auf dem Schirm und sind Sachsen strukturell auf Verbands- wie auf Vereinsebene weit voraus«. 100 Meter vor Schumann klackern die Stollenschuhe der Baden-Württembergerinnen, welche sich kurz darauf für ein Aufwärmprogramm explosiv in den Rasenplatz eingraben. Der Auswahltrainer kann eine Siebener-Formation aus Nationalspielerinnen aufstellen. Sein Team in den gelben, ärmellosen Tops lässt heute die Muskeln spielen und gewinnt die Landesverbandsmeisterschaft. Als bestplatziertes von neun Teams – nach vier siegreichen Spielen, ohne einen einzigen gegnerischen Versuch zugelassen zu haben.

Damen-Rugby in Sachsen populärer machen

Arm in Arm versammeln sich die Sächsinnen vor der Siegerinnenehrung noch einmal für einen abschließenden Schlachtruf. Zweimal hatten sie in der Vorwoche gemeinsam mit ihrem Dresdner Coach, Karsten Werner, trainiert. Am Ende landet Sachsen auf dem sechsten Platz. Spielerin Milla Babenerd freut sich: »Es war ein schöner Tag, an dem wir uns als Team näher kennenlernen und besser zusammenwachsen konnten«. Zusätzlich zu dieser Erkenntnis nimmt Babenerd eine Stoßbeule über dem linken Auge und, wie viele andere Spielerinnen auch, blaue Flecken an den Oberschenkeln als Andenken mit auf den Heimweg. Der hohe Körpereinsatz und läuferische Aufwand, der für das Rugbyspiel auf voller Feldgröße mit sieben, anstelle von 15 Spielenden pro Team gefordert ist, erkläre mitunter auch, warum einige eingeplante Dresdner Spielerinnen kurzfristig verletzungsbedingt für die Sachsenauswahl ausfielen und die Rugby-Verbände aus Bremen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Brandenburg von Vornherein auf eine Anmeldung für das Landesverbandsmeisterschaft verzichteten, resümiert Hauptausrichterin Schumann. Am vorausgegangenen Wochenende hatten nämlich schon Turnierspiele der Qualifikationsrunde für die Deutsche Vereinsmeisterschaft des Siebener-Damen-Rugbys stattgefunden – Die Mannschaft des RCL ist hier bereits ausgeschieden. Zwei Turniertage mit jeweils mehreren Spielen an aufeinanderfolgenden Wochenenden seien nur schwer mit der körperlichen Belastungssteuerung im Amateur-Damen-Rugby vereinbar und Schumann weiß, »Vereinswettbewerbe werden von vielen Clubs und Spielerinnen priorisiert, weil sie finanziell, organisatorisch und letztendlich auch sportlich attraktiver erscheinen«. Der Vizepräsidentin des RCL steht nach der Siegerinnenehrung am Turnierende dennoch ein breites Lächeln ins Gesicht geschrieben. Ziel für die Zukunft müsse sein, »das Siebener-Rugby der Damen besonders in Sachsen und Ostdeutschland besser zu fördern und sichtbarer zu machen«. Möglich also, dass die Straßenbahnlinie 11 in Zukunft noch häufiger Interessierte an der Stahmelner Allee absetzt, die sich von der Geräuschkulisse eines dort ausgerichteten Damen-Rugby-Spiels oder -Turnierevents zum Sportgelände des RCL hinziehen lassen.


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1 Kommentar(e)

HamburgerJung 03.06.2025 | um 14:30 Uhr

Was bitte ist ein "Rug"? Es gibt ein Ruck, das ist aber eine Spielsituation. Was ihr meint, ist schlicht und einfach ein Rugbyball. Denn mit Teppichen wird im Rugby eher selten gespielt.