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Stadtleben

Fahrrad statt Lieferwagen

Das Fahrradkurier-Kollektiv Fulmo hat den Leipziger Zukunftspreis gewonnen

  Fahrrad statt Lieferwagen | Das Fahrradkurier-Kollektiv Fulmo hat den Leipziger Zukunftspreis gewonnen  Foto: Christiane Gundlach


Fulmo ist Esperanto und bedeutet »Blitz«. So schnell sind die Fahrradkuriere vom gleichnamigen Kollektiv zwar nicht unterwegs, aber sie versuchen es. Seit 2018 bringen die Mitarbeitenden von Fulmo Pakete mit Lastenrädern bis an die Haustür. Jetzt hat das Forum Nachhaltiges Leipzig – eine Initiative der Stadt Leipzig – das Kollektiv mit dem Leipziger Zukunftspreis in der Kategorie »Zukunftsfähig Wirtschaften« ausgezeichnet.

In einem unscheinbaren Hinterhof im Leipziger Osten liegt einer der Standorte des Fahrradkurier-Kollektivs Fulmo. Der Wind pfeift durch die Einfahrt, doch im Büro hinter der Tür ist es ruhig. Drinnen sitzt Liisbeth Veli am Tisch – eine der Gründerinnen und Gesellschafterinnen. Viel ist nicht zu sehen: ein paar Werkzeuge, einige Fahrräder, ein Wasserkocher. Wenig später rollen Maximilian Staudy und Leon Imeri mit ihren großen Lastenrädern auf den Hof. Auch sie sind Gesellschafter des Kollektivs. Das Fulmo-Logo prangt auf den Transportboxen.

Das Leipziger Fahrradlogistik-Kollektiv ist in den letzten Jahren gewachsen. Heute besteht das Team aus etwa 30 Personen, darunter 23 Angestellte und sieben Gesellschafterinnen und Gesellschafter. »Wir waren sechs Gründerinnen und Gründer aus verschiedenen europäischen Ländern – und weil wir uns anfangs nicht auf eine gemeinsame Sprache oder einen Namen einigen konnten, kam die Idee mit der Sprache Esperanto«, erklärt Veli. Fulmo sei kein hierarchisch organisiertes Unternehmen, sondern funktioniere nach kollektiven Prinzipien. Alle zwei Monate trifft sich das gesamte Fulmo-Team zur Vollversammlung – Angestellte wie Gesellschafterinnen und Gesellschafter. Dort stellen die Arbeitsgruppen, etwa für Personal, Werkstatt oder Buchhaltung, ihre Themen vor, diskutieren und entscheiden gemeinsam. So würden Mandate und Verantwortung verteilt – einen festen Chef gebe es nicht, sagt Gesellschafter Leon Imeri. »Das bedeutet einen hohen Kommunikationsaufwand, der besonders bei Einarbeitungen viel Zeit und somit Geld kostet und den Anspruch kollektiver Selbstorganisation mit der wirtschaftlichen Realität in Einklang bringen muss«, erklärt Imeri. Da viele Mitarbeitende nur temporär dabei sind, etwa Studierende im Nebenjob, müssen öfter neue Teammitglieder eingearbeitet werden.

Der Stundenlohn bei Fulmo beträgt 14 Euro brutto – unabhängig von Funktion oder Verantwortung. Zum Vergleich: Tariflich angestellte Zusteller bei der Deutschen Post verdienen zwischen 16 und 21,87 Euro pro Stunde. Laut aktuellen Stellenausschreibungen erhalten neu eingestellte Paketzusteller in Leipzig einen Tariflohn von 16,70 Euro bei einer Vollzeitstelle (38,5 Stunden/Woche). Bei kleineren Zustelldiensten, die nicht tarifgebunden sind, kann der Stundenlohn hingegen auch bei unter 14 Euro liegen. »Lohnerhöhungen sind bei Fulmo gewünscht, aber aufgrund unserer kollektiven Struktur und der begrenzten finanziellen Mittel schwer umzusetzen«, erklärt Imeri.

Fulmo will beweisen, dass sich soziale und ökologische Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich lohnen können. Der Betrieb konkurriert mit großen Logistikunternehmen – mit einem ganz anderem Anspruch: »Unser Ziel ist zu zeigen, dass nachhaltige Paketlogistik möglich ist – mit weniger Autos, weniger Emissionen und trotzdem wirtschaftlich und konkurrenzfähig«, sagt Maximilian Staudy. Die Branche gilt als wenig nachhaltig: Hoher CO₂-Ausstoß durch Lieferfahrzeuge und prekäre Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen sind weit verbreitet. Fulmo setzt darauf, lokal und emissionsfrei zu liefern – meist mit Schwerlastfahrrädern, nur selten mit E-Transportern.

Im Unterschied zu klassischen Paketdiensten setzt Fulmo auf direkte Zusammenarbeit mit kleinen, lokalen Händlern, deren Waren es ohne Umwege über zentrale Logistikzentren zustellt.

Auch beim Thema Gleichstellung will Fulmo anders sein. »FLINTA werden bei uns im Bewerbungsprozess grundsätzlich bevorzugt«, sagt Imeri. Das meint Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen. Also Menschen, die Diskriminierung aufgrund ihres tatsächlichen oder zugeschriebenen Geschlechts erleben – zum Beispiel in der Medizin, im Beruf, im Alltag oder in der Sprache. Das Ziel ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen Bewerbern und Männern, die sich mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Allerdings: »Wenn wir jetzt unbedingt jemanden brauchen, auch für eine bestimmte Aufgabe, dann stellen wir auch Männer an, auch wenn wir gerade nicht 50/50 sind. Deshalb ist die Balance immer ein bisschen schief«, sagt Imeri.

Fulmo wurde für seinen Ansatz beim Leipziger Zukunftspreis 2025 in der Kategorie »Zukunftsfähig Wirtschaften« nominiert – und ausgezeichnet. Diese Kategorie würdigt kleine und mittelständische Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit besonders nachhaltig ausrichten. Fulmo hat sich gegen 30 andere Bewerber durchgesetzt. Die Preisverleihung fand am 19. Mai 2025 im Grassimuseum Leipzig statt. »Wir hatten niemanden eingeladen, weil wir eh nicht damit gerechnet hatten zu gewinnen, weil die Konkurrenz so stark war«, sagt Veli.

Die Jury würdigte in der Laudatio besonders die ganzheitliche Nachhaltigkeit – sowohl ökologisch als auch sozial – sowie die Kooperationsbereitschaft mit der Stadt Leipzig »Da wird was bewegt – nicht nur Pakete.«

Trotz Herausforderungen wie hohem Kommunikationsaufwand und knappen finanziellen Ressourcen will Fulmo seiner Vision treu bleiben. Die Auszeichnung mit dem Zukunftspreis bedeute dem Team viel. »Das war schon cool, dass da Leute sitzen, die sich das von außen anschauen und bewerten, was wir gemacht haben – weil wenn man so drinsteckt, fällt es manchmal total schwer zu sehen, was man eigentlich schon geschafft hat«, sagt Veli. Fulmo will zeigen: Nachhaltige Logistik ist keine Utopie, sondern eine reale Option.


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1 Kommentar(e)

Herman D. 20.06.2025 | um 12:40 Uhr

Ein schönes Beispiel dass nachhaltigkeit und soziale Berechtigigung keine Utopie mehr sind. Deshalb der Name in Esperanto 'Fulmo' ?