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Demokratie? Nein, danke!

Der Stadtrat beruft Mohammad Okasha erneut nicht in den Migrantenbeirat

  Demokratie? Nein, danke! | Der Stadtrat beruft Mohammad Okasha erneut nicht in den Migrantenbeirat  Foto: Stefan Ibrahim


Unruhige Stimmung im Saal, die Stadträte und Stadträtinnen tuscheln: Die Linksfraktion will Mohammad Okasha in den Migrantenbeirat berufen – doch noch, nachdem der Stadtrat im Juni bereits seine Berufung abgelehnt hatte, obwohl er gewählt worden war. Hintergrund war Kritik an einem Post Okashas auf Instagram 2023, in dem er das Vorgehen des israelischen Militärs in Gaza als Genozid bezeichnete. Für dessen Zeitpunkt – den Gedenktag der Reichspogromnacht am 9. November – und Wirkung entschuldigte sich Okasha später.

Ihn trotz seiner Wahl nicht zu berufen, dazu hat der Stadtrat das Recht. Doch die Entscheidung traf auf Kritik, insbesondere unter den zur Migrantenbeiratswahl aufgerufenen Leipzigern: alle, die mindestens drei Monate hier leben und ohne deutschen Pass geboren wurden.

»Der Ausschluss eines gewählten Kandidaten schwächt das Vertrauen in demokratische Prozesse gerade bei denjenigen, die ohnehin oft vom politischen Geschehen ausgeschlossen sind«, zitiert Juliane Nagel (Linke) ein Statement des Migrantenbeirats. Okasha verlasse den Boden demokratischer Prinzipien auch dann nicht, wenn er über Gaza spreche, sagt Nagel und plädiert für seine Berufung. »Vor allem aus der rechten und konservativen Ecke wird Okasha seit langem als Unperson markiert, weil er Haltungen vertritt, die ihnen nicht in den Kram passen«, sagt Nagel. Gerade kritische Geister wie der Okashas seien jedoch im Beirat wichtig, um »im Dissens zu konstruktiven Lösungen zu kommen und auch Positionen in diesem Ratsaal zu hören, die uns manchmal wehtun.«

Während das BSW eine Zustimmung zu Okashas Berufung ankündigt, behauptet der fraktionslose Stefan Rieger (Freie Wähler), Okasha habe neben seiner angeblich antisemitischen Haltung mit »rassistischen Verschwörungstheorien um sich geworfen.« Nagel reagiert empört: »Wir haben sicher verschiedene Ausdrucksweisen, aber er hat keine antisemitische Position und nach seinem Post am 9. November gab es einen langen, produktiven Prozess mit ihm.« »Frau Nagel, dass sie dementieren, dass Herr Okasha ein antisemitisches Weltbild hat, sagt viel über ihren eigenen Zustand aus«, entgegnet Michael Weickert (CDU). Das geht Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) zu weit, der zwischenruft: »Ich würde Sie bitten, mit Unterstellungen von antisemitischen Weltbildern sehr zurückhaltend zu sein!«

Sven Morlok aus der Freien Fraktion bringt den Sachverhalt auf den Punkt: »Die grundsätzliche Frage ist: Sind wir bereit, demokratische Wahlergebnisse zu akzeptieren und umzusetzen?« Nein, heißt es aus der CDU: »Mich kann niemand dazu bringen, Herrn Okasha zu wählen.« stellt Michael Weickert klar. Dann also doch keine Demokratie.

Für Mohammad Okasha ist allerdings heute nichts davon entscheidend. Stattdessen entscheidet über sein Schicksal am Ende ein Tippfehler: Thomas Kumbernuß (Freie Fraktion) trifft statt des grünen den roten Knopf auf seinem Abstimmgerät. Eine nachträgliche Änderung sei laut Jung nicht möglich: »Ich habe einen kritischen Hinweis von der Landesdirektion bekommen. Wir können nicht nochmal korrigieren, wenn die Abstimmung erfolgt ist.«

Okasha verpasst die Berufung so um eine Stimme. Im Juni hatten sich viele Stadträte und Stadträtinnen enthalten, diesmal sind sie entscheidungsfreudiger: 29 Zustimmungen zur Berufung kommen aus der Linksfraktion sowie Teilen der Grünen, des BSW und der Freien Fraktion. Es gibt allerdings auch 29 Gegenstimmen von CDU, AfD und Teilen der SPD. 7 Stadträte enthalten sich weiterhin.


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