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Kultur

Potemkinsche Container

Rapper Kolja Goldstein spielt in seinen Songs Gangster – und im Oktober in Leipzig

  Potemkinsche Container | Rapper Kolja Goldstein spielt in seinen Songs Gangster – und im Oktober in Leipzig  Foto: Gangster-Rapper mit geschöntem Lebenslauf: Kolja Goldstein/Unviersal Music


Vor vier Jahren befand sich Deutschrap in einer Sackgasse. Die deutschsprachige Afrobeatschiene, die mit RAF Camorra und Bonez MC ihren nicht allzu originellen Anfang genommen hatte, kulminierte in Apache 207 und ließ die Frage aufkommen, ob man das Genre Deutschrap vielleicht doch lieber einschläfern lassen sollte. Das meistverkaufte Album des Jahres veröffentlichte der Hamburger Kontra K und setzte Maßstäbe für Wandtattoo- und Glückskekssprüche auf 15 Songs. Dazwischen die ewig alte Leier vom Mercedes-AMG-Fahren-und-aus-dem-Fenster-Schießen und vom Gras-Verticken-und-Tillidintabletten-Einwerfen. Und dann war da »Terminal«, ein Song aus dem Nichts kommend: Kolja Goldstein rappte über einen minimalistischen Beat und es klang hungrig. Die Welt, die beschrieben wurde, war brutal, roh und – irgendwie – neu. Statt um Kleindealererzählungen oder utopische Scarface-Fanfiction ging es hier um Transportlogistik von stoffbeladenen Containern in holländischen Häfen, GPS-Signale auf dem Meer und Insiderwitze über verschwundene Unterweltgrößen. Das Portal Hiphop.de verlieh Goldstein 2021 den Preis für die Line des Jahres: »Alle meine Freunde sind nervös, denn einer meiner Freunde hat einen seiner Freunde in Säure aufgelöst.« Spätestens da war klar: Da passiert was. Goldstein saß eloquent und tiefenentspannt in Interviews und erzählte von seinen Haftstrafen in Bosnien und Dänemark. In einer ZDF-Doku prahlte er, seine Geschäftspartner und er seien »größer als der Staat«. War das der Gangsterrapper, der wirklich lebte, was er rappte? Eine Recherche der Zeit ging dem auf den Grund und kratzte am Lack des charismatischen Newcomers: Kolja aus Malta? Nicholas aus Augsburg. Kilos in Containern? Kleinmengen Cannabis in München. Haft im Ausland? Die Behörden wissen nichts davon. Auch die Bereiche des Hafens, aus denen Goldstein in der ZDF-Doku Pakete holt, sind laut niederländischen Hafenmitarbeitern eher die Abstellgleise der Schifffahrt. Seitdem diskutiert die Szene bei jedem neuen Release wieder die Realness-Gretchenfrage des Deutschraps. Gerne hätten wir Goldstein gefragt, wie er es mit der Fiktion hält. Eine Interviewanfrage ließ Koljas Management unbeantwortet, vielleicht bleibt’s so spannender. Rap ist Entertainment. 

> 13.10., 20 Uhr, Täubchenthal


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