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Verwaltungsgefühle

Leipzig will seinen Verwaltungsapparat effizienter machen – mit Hilfe eines geplanten Modelprojekts

  Verwaltungsgefühle | Leipzig will seinen Verwaltungsapparat effizienter machen – mit Hilfe eines geplanten Modelprojekts  Foto: Stefan Ibrahim


»Wir sprechen heute über mehr als nur Verwaltung«, beginnt SPD-Stadträtin Christina März ihre Rede. Ein Satz, wie gemacht für eigentlich jedes Thema im Stadtrat, dem wichtigsten Organ der kommunalen Selbstverwaltung, in dem es fast immer um mehr, nie jedoch um weniger als Verwaltung geht. März jedenfalls muss es wissen, sie arbeitet in der Verwaltung des sächsischen Sozialministeriums. Der vorliegende SPD-Antrag will Leipzig zur Modellkommune der Initiative »für einen handlungsfähigen Staat« machen. Die Initiative der Hertie-Stiftung hatte im Juli ihre Empfehlungen an den Bundespräsidenten übergeben, wie deutsche Verwaltung zukunftsfähig werden könnte. In Modellkommunen solle das getestet werden, so jedenfalls die Vorstellung der Initiative. Der Leipziger Oberbürgermeister soll laut SPD nun erstmal prüfen, ob Leipzig als Modellkommune in Frage kommt und welche finanziellen Vorteile es hätte.

Staatliche Handlungsfähigkeit, führt März weiter aus, sei die Fähigkeit, »Probleme zu lösen, statt nur Akten hin- und herzuschieben«. Und ohne funktionierende Verwaltung kein Demokratievertrauen, so März’ Rechnung. Bei ihrem schwungvollen Plädoyer für die Verwaltung muss selbst dem gefühlskältesten Akten-hin-und-her-Schieber im Rathaus warm ums Herz werden. Verwaltet werden solle künftig effizient, digital, bürgernah. So weit, so unkontrovers. Burkhard Jung könne diese Reformen sozial und gerecht gestalten, sagt die Sozialdemokratin. Als hätte jemand Jungs Parteizugehörigkeit infrage gestellt, fügt sie hinzu: »Der Herr Oberbürgermeister ist ja auch in der SPD, Sie erinnern sich.« Gelächter im Saal, Jung verwaltet mühsam das Lächeln in seinem Gesicht.
Wem bisher noch nicht klar geworden ist, worum es hier eigentlich geht, der oder die kommt jetzt auf seine Kosten: »Digitale End-to-End-Verfahren« oder »Abweichungskompetenzen für Verwaltungsmitarbeitende« könnte Leipzig als Modellkommune testen, hofft März.
Jetzt meldet sich Lucas Schopphoven (CDU), statt ihm wird aber Enrico Stange (Linke) aufgerufen. Schopphoven beschwert sich, Jung sehe ihn nie. März versucht zu beschwichtigen, zumindest sie habe ihn gesehen. Schopphoven schaut unwirsch, kann in Sachen Aufgebrachtheit aber nicht mit Stange mithalten. »Was man am späten Abend so zusammenhalluzinieren kann«, teilt dieser gegen März aus und legt noch eine vergiftete Humorkritik obendrauf: »War zum Teil auch lustig.« Denn seine Fraktion will nicht zustimmen, nichts sei klar, die Modellkommune eine »rosarote Seifenblase«. Zum Beweis wedelt er mit ein paar Papieren – hier also noch kein digitales End-to-end-Verfahren – darauf die durchaus schwammigen Antworten der Verwaltung auf Stanges Fragen zum Modellprojekt. »Tolle Aussage, nichts dahinter«, gibt sich Stange aktenkundig. Denn bisher könne man sich noch gar nicht als Modellkommune bewerben, wie das Projekt gefördert wird, sollte es umgesetzt werden, sei ebenfalls unbekannt. Aktuell gebe es lediglich »Interessenbekundungsverfahren«, habe ihm die Verwaltung geantwortet.

Jetzt darf endlich Schopphoven sagen, dass er den Antrag super findet: »Der ist glatt so gut, der hätte auch von uns Christdemokraten kommen können.« Das Duell der Volljuristen Schopphoven und März bleibt aus und wird zum Schulterklopfen. Und am Ende muss wieder einmal Dresden herhalten, um ein bisschen Emotion in die Debatte zu bringen: Weil die Landeshauptstadt gerade ein anderes verwaltungstechnisches Pilotprojekt an Land gezogen habe, »sollten wir auch mal wieder vorne irgendwo mitspielen.« Ein etwas fahriger Appell an den Lokalpatriotismus.
Zum Schluss wirft sich die SPD-Fraktionsvorsitzende Anja Feichtinger noch einmal vor März – und Stange Arroganz vor. Man könne sich ja mal auf die Bewerbung einlassen, dass jetzt noch nicht alles feststehe, sei ja klar. Statt seine Kommentare »überheblich« vorzutragen, hätte er dies lieber »ordnungsgemäß« tun sollen, besinnt sich Feichtinger auf bürokratische Ideale. Stange bleibt lieber sauer. »Im Antrag steht nichts drin, was man nicht auch ohne Modellkommune machen könnte«, ruft er in den Saal. Außerhalb seiner Fraktion überzeugt Stange damit lediglich Stefan Rieger, den Stadtrat der Freien Wähler, zur Ablehnung, stattdessen wird der Antrag mit breiter Mehrheit angenommen.


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