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Immer wieder mittwochs

Die Fraktionen sehen sich in der Haushaltskrise von der Verwaltung übergangen

  Immer wieder mittwochs | Die Fraktionen sehen sich in der Haushaltskrise von der Verwaltung übergangen  Foto: Stefan Ibrahim


Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ahnt, was jetzt kommt, er will und muss es jetzt schnell hinter sich bringen: die soundsovielte Neuauflage des diesjährigen Dauerbrenners Haushaltsdebatte. Diesmal in Form einer Aktuellen Stunde, eingefordert von CDU, Linken, Grünen und SPD.

Keine Angst, es folgen keine Kolonnen von roten und erst recht keinen schwarzen Zahlen. Auch wenn Aktuelle Stunden eher Schaulaufen als Richtungsentscheidung sind: Es geht mal wieder ums große Ganze. Die antragstellenden Fraktionen wollen darüber sprechen, warum die Verwaltung die bereits beschlossenen Haushaltsanträge des Stadtrats auch für das nächste Jahr plötzlich aussetzen will - und warum sie davon erst auf Nachfrage erfahren haben. »Haushaltsbeschlüsse des Stadtrates sind keine Politikfolklore«, nennen das die Antragstellenden und ja, hier geht auch ein bisschen darum, ob man so einen Stadtrat eigentlich überhaupt noch braucht.

Die Fraktionsvorsitzenden markieren ihre Schuldigen: Für die CDU beklagt Michael Weickert die fehlende Augenhöhe zwischen Rat und Verwaltung. »Eine Verwaltungsspitze, die kein Vertrauen mehr hier in diesem Rat hat, die sollte sich gut überlegen, ob sie nicht den Weg freimacht.« Die etwas schwammige Formulierung lässt genügend Spielraum, um auch Weickerts Parteifreund und Finanzbürgermeister Torsten Bonew in die inzwischen fast obligatorische Rücktrittsforderung des Fraktionschefs an Jung einzuschließen. Jung selbst zieht routiniert die Stirn in Falten.

Ähnlich angriffslustig steigt Franziska Riekewald für die Linke in den Ring. Einstecken muss nicht nur die Verwaltung, die den Stadtrat in den immer schwieriger werdenden Haushaltsverhandlungen noch brauche, sondern auch die seit der Wende regierende sächsische CDU. Der Freistaat sei höchstens auf dem Papier schuldenfrei: »Er hat Schulden bei uns, bei den Kommunen!« Kristina Weyh ist leiser im Ton, ihre Sätze treffen nicht weniger hart. »Wir verlieren das Vertrauen in ihre Aufrichtigkeit und auch darin, ob sie die Finanzen überhaupt noch im Griff haben«, spricht sie Bonew an und die Kompetenz ab. »Sie sind der Kämmerer der Stadt und nicht der CDU-Cheflobbyist im Rathaus. Und Sie, Herr Jung, lassen ihn gewähren.«

Als letzte Antragstellerin spricht SPD-Fraktionsvorsitzende Anja Feichtinger. Sie schont ihren Oberbürgermeister, hält sich mit persönlicher Kritik zurück. Es folgt ein vergleichsweise schüchterner Appell an mehr Transparenz gegenüber dem Rat. Das Wort Respekt fällt dabei so oft, dass man fürchten muss, Olaf Scholz könnte in diesem Augenblick irgendwo im Rathaus heraufbeschworen worden sein.

Zum großen Finale lässt Jung erneut Bonew für sich und die Verwaltung sprechen. Der gibt sich überrascht, kann die »völlig unverhofft gesperrten Anträge« als Grund für die Aktuelle Stunde nicht verstehen. »Wenn es also noch einmal gewünscht wird, dass ich darstelle, in welcher finanziellen Lage wir uns befinden, bin ich dazu gern bereit«, fährt er mit Grabesmine fort. Im schulmeisterlichen Ton betet Bonew erneut sein Haushaltsalphabet herunter. Der Finanzbürgermeister gefällt sich als Mathelehrer, der sich entsetzt fragt, warum seine Klasse den Lehrstoff aus der letzten Stunde schon wieder vergessen hat. Klassenclown Thomas Kumbernuß (Die Partei) witzelt in der ersten Reihe, Schulleiter Jung schaut unbeteiligt in sein Handy. Einige Stadträte rollen mit den Augen. Und auf der Verwaltungsbank schüttelt Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) so den Kopf, dass es den anwesenden Journalisten auch wirklich nicht entgehen kann. Als Bonew fertig ist, herrscht Stille. Jung will den Stadtrat schon in die Pause schicken, da kommen die nächsten angesäuerten Wortmeldungen. Es werden auch in den nächsten Monaten ganz sicher nicht die letzten bleiben.


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