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»Rupp die Hippies weg«

Rapper Harrison aus Leipzig-Grünau und der Versuch, aus Mythen Party zu machen

  »Rupp die Hippies weg« | Rapper Harrison aus Leipzig-Grünau und der Versuch, aus Mythen Party zu machen

Der Plan ist simpel: Schocken. So wie das Aushängeschild von AggroBerlin Sido »zu geil sein, um gehasst zu werden«, erklärt Jan Heyden. Der 18-Jährige redet viel und gerne, hält Frauen die Tür auf, ist pünktlich bei Verabredungen. In der Schule nannten sie ihn Harry, wegen seiner Brille. Außerdem ist er, wie der Zauberlehrling Potter, ein kleiner und beherzter Mann der Tat.

Der Plan ist simpel: Schocken. So wie das Aushängeschild von AggroBerlin Sido »zu geil sein, um gehasst zu werden«, erklärt Jan Heyden. Der 18-Jährige redet viel und gerne, hält Frauen die Tür auf, ist pünktlich bei Verabredungen. In der Schule nannten sie ihn Harry, wegen seiner Brille. Außerdem ist er, wie der Zauberlehrling Potter, ein kleiner und beherzter Mann der Tat. Den unschmeichelhaften Spitznamen hat er kurzerhand umgedeutet. Seit fünf Jahren rappt er als Harrison, vornehmlich über weibliche Hinterteile.

Seine Ziehväter – die Stylerkings – teilen das Interesse an femininen Rundungen. Auf der Bühne im Jugendclub Mühlkeller sind die Stylerkings und Harry vereint in breitem Grinsen. »Auch Hip-Hopper haben Gefühle«, rufen sie und rappen los: »Dein Arsch ist dein wahres Gesicht.« Man teilt den Sinn für Ironie. »Das mit Harry passt, weil er halt ein cooler Typ ist«, meint der zehn Jahre ältere Thomas Beukert aka Bauer von den Stylerkings. Als sie letztes Jahr vor einer Kaufhalle in Grünau für das Projekt »Ich rappe, ich bin« freestylten, kam Harry zufällig vorbei und machte mit. Laut Harry war er der einzige Mutige und durch seine »abartighammer« Reime war der Platz kurze Zeit später voll mit Menschen.

Freestylen ist neben Selbstdarstellung sein größtes Talent. »Zeig deinen Arsch« zum Beispiel ist sein Sommerlied, zwar mit sexuellen Anspielungen, aber lustig gemeint, denn: »So geben sich die Frauen halt.« Er rappt in Umgangssprache. »Viele Rapper heute sind schlau und deshalb benutzen sie Wörter, die keiner kennt«, stichelt er. Sein Zielpublikum seien auch nicht gerade Studenten. Dafür achtet Harry darauf, nicht das Sächsische zu betonen, denn Dialekt jenseits von Berlinerisch ist uncool. Bauer beschreibt das Kennenlernen etwas zurückhaltender. Jedenfalls traf man sich danach bei Hip-Hop-Workshops im Jugendclub Rabet. Schließlich nahmen die Stylerkings Harrison mit auf die Bühne beim Festival der IG Pop im Schönauer Park und später im Mühlkeller. »Ich finde den Hip-Hop-Gedanken, sich zu unterstützen, besser als den, sich immer nur zu bekämpfen«, erklärt Bauer sein Engagement für den jungen Kollegen.

Dem geht es um die Feierlaune. »Ich mach das, damit die anderen Party haben – damit alle Menschen Party haben«, sagt Harry. Tatsächlich sind seine Auftritte sehr unterhaltsam. Als er euphorisiert von der Bühne des So-und-So-Festivals in Grünau steigt, drängelt er sich durch Fans zu seiner Mutter. Sie drückt ihn und sagt, dass es ihr gefallen hat. Glück gehabt.

Live versteht man die Texte ja auch nicht so genau. »Naja, sie toleriert es, würde ich mal sagen«, beschreibt Harry das Verhältnis seiner Mutter zu seiner Musik. Uneingeschränkte Begeisterung dagegen bei den Homies. Homies, das sind die Freunde aus dem eigenen Block. Die treuen Fans des Lokalstars. Die machen die Party und wollen gut umsorgt sein. Während Harry vor dem Auftritt bei Cola bleibt, sind die Kumpels gut mit szenetypischen Drogen versorgt. »Wann bist du endlich dran? Rupp die Hippies doch mal weg!«, mosert ein angeschlagener Freund, als im Reudnitzer Mühlkeller eine Gitarrenband nicht zum Ende kommen will.

Doch dann geht es los. Die Stylerkings begrüßen ihren Homie, den Schriftsteller Clemens Meyer, der wie kein anderer »Leipzig-Ost represented«. Das Buch des Ingeborg-Bachmann-Preisträgers »Als wir träumten«, in dem es um junge Leipziger zu Wendezeiten geht, müsse man einfach lesen, werben die Rapper von der Bühne. Der Schriftsteller Meyer hebt die tätowierten Arme in die Luft und geht ab. Er habe früher Arbeitsstunden im Club geleistet, erzählt er und sei vorbeigekommen, um seine alten Freunde zu sehen. Doch dann ist er, wieder ganz Homie, bei der Musik.


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