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Stadtleben

»Vielleicht die glücklichste Ägyptologin der Welt«

Susann Kleinfeld über seriöse Ägyptologie außerhalb der Uni und die Ladengalerie Amina

  »Vielleicht die glücklichste Ägyptologin der Welt« | Susann Kleinfeld über seriöse Ägyptologie außerhalb der Uni und die Ladengalerie Amina

Susann Kleinfeld über ihre Ladengalerie Amina in der Hainstraße, die Sehnsucht nach Ägypten und große Pläne für 2008. Die Hinwendung zur Ägyptologie kam bei mir recht spät. Nach abgebrochenen Studienversuchen in Germanistik, Slawistik und Kommunikationswissenschaften war ich immer noch auf der Suche nach meinem Weg: irgendwas mit Orient, Kunst und Kultur.

Die Hinwendung zur Ägyptologie kam bei mir recht spät. Nach abgebrochenen Studienversuchen in Germanistik, Slawistik und Kommunikations- wissenschaften war ich immer noch auf der Suche nach meinem Weg: irgendwas mit Orient, Kunst und Kultur. Als ich dann eines Tages im Ägyptologischen Institut in der Schillerstraße landete, hab ich mich auf der Stelle verliebt. Es roch nach Tee und Kaffee, und anders als in anderen Instituten, wo man damals noch mit dem Uni-Neuaufbau einhergehend jeden Studenten händeringend umwarb, kümmerte sich kein Mensch um mich. So begann ich wenig später in damals noch nahezu privater kleiner Runde mein Studium der Ägyptologie. Nach dem Studium und drei Jahren Arbeit am Institut war ich gerade dabei, mir einen Job in Kairo zu organisieren, da wurde ich schwanger. Ich musste eine Entscheidung für die Zukunft treffen. Aus dem Fach raus wollte ich nicht, aber auch nicht unbedingt zurück an die Uni. Außerdem wollte ich zwischen Leipzig und Ägypten pendeln. Da erinnerte ich mich an meine Studienzeit und an die Dienste in unserem Ägyptischen Museum: Viele Besucher fragten nach ägyptischen Andenken – aber wo kaufen? Schon während des Studiums haben wir in der WG über Museumsshops und Ähnliches herumgesponnen. Einen Ort, an dem man echtes Kunsthandwerk und Schmuck kaufen kann, garantiert direkt in Ägypten erworben – den wollte ich erschaffen. Da der Vater meiner Tochter Ägypter ist, ergaben sich für mich viele Kontakte. Mein Schwiegervater arbeitet zum Beispiel selbst als Bildhauer. Unsere Tochter zählte gerade ein paar Wochen, da haben meine Eltern und ich den Laden im Sommer 2003 mit großer Unterstützung meiner Freunde gemeinsam eröffnet.

Echtes ägyptischen Kunsthandwerk
Es handelt sich um einen reinen Familienbetrieb, von deutscher Seite aus wie auch von ägyptischer. Am Anfang musste ich viel lernen, menschlich vor allem, und mich im Kopf weg vom Schreibtisch bewegen, weg von der universitären, elitären Sprache. Viele Leute suchen gerade meinen Laden auf, weil sie Berührungsängste mit der Universität haben. Wenn jemand Vertrauen fasst, kommt es vor, dass ich zu bestimmten Fragen, den Islam oder die altägyptische Sprache betreffend, regelrecht interviewt werde. In gewisser Hinsicht leiste ich ab und zu Aufklärungsarbeit, vor allem im Hinblick auf den Islam. Mein akademischer Abschluss ist mir aber oft auch nützlich, denn viele fühlen sich erst gut beraten, wenn man vom Fach ist. Andere Passanten schauen herein, weil ihnen einfach die vielen Gefäße und der Schmuck im Schaufenster gefallen. Manche Interessierte haben ein Problem, den Laden zu finden, aber ich sage immer, Tut-Anch-Amun musste man auch lange suchen. Vor einiger Zeit habe ich eine zweite Mitarbeiterin eingestellt. Als Religionswissenschaftlerin ist sie vor allem Spezialistin für islamische Kultur. Wir bieten Kurse und Workshops zu ägyptologischen und islamischen Themen an, in naher Zukunft ist das auch für Kinder geplant. Ein zweites Standbein, das immer mehr Resonanz erfährt, sind Reisen. Momentan finden sechs bis sieben Reisen pro Jahr statt. Weil ich mich in Ägypten gut auskenne und man mich dort respektiert, haben meine Gäste die Chance, in das »authentische Ägypten« einzutauchen und Kontakte zu einheimischen Künstlern und Manufakturen zu bekommen. Ich arbeite außerdem gern mit dem ägyptischen Fremdenverkehrsamt auf Messen und bin beratend für Ausstatter von Filmproduktionen tätig. Im nächsten Jahr habe ich viel vor. Ich möchte Fachliteratur in das Angebot integrieren und noch mehr individuelle Reisen anbieten wie zum Beispiel Tanzreisen oder eine Tour zum Ägypten-Marathon im Februar. Dass zwei Ägyptologinnen ein Fachgeschäft führen, ist sicher einmalig in Deutschland. Die meisten orientalischen Läden orientieren sich mehr am Prinzip Basar. Ich führe aber auch fast 100 Jahre alte Stücke. Was hier schon unter Antiquitäten läuft – darüber kann ein Ägypter natürlich nur lachen, dort fangen diese frühestens vor 2.000 Jahren an. Ich habe eine Arbeit gefunden, die mich voll erfüllt, auch wenn man dabei nicht reich wird, mal ganz abgesehen von den vielen behördlichen Steinen im Weg. Aber ich brauche einfach mehrmals im Jahr eine Dosis Ägypten – das geht nur, wenn man einigermaßen frei arbeitet. So gesehen bin ich vielleicht eine der glücklichsten Ägyptologinnen der Welt.


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