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»Stets dienstbereit zu Ihrem Wohl«

Ein Interview über das Leben als Tankwart, »Dallas«-Partys und den Minol-Pirol als Ostsymbol

  »Stets dienstbereit zu Ihrem Wohl« | Ein Interview über das Leben als Tankwart, »Dallas«-Partys und den Minol-Pirol als Ostsymbol

Peter Karrow, 51, ist Tankstellenleiter der letzten Minol-Tankstelle Deutschlands in der Lützner Straße. Ein Gespräch über 30 Jahre Tankkultur.

Peter Karrow, 51, ist Tankstellenleiter der letzten Minol-Tankstelle Deutschlands in der Lützner Straße. Ein Gespräch über 30 Jahre Tankkultur.

KREUZER: Herr Karrow, ist es eine große Verantwortung, Deutschlands letzter Minoler zu sein?

PETER KARROW: Auf jeden Fall. Meine Tankstelle war 1993 die erste im neuen Design in Leipzig. Minol änderte damals seine Farben, weil Rot und Gelb durch Shell schon besetzt waren.

KREUZER: Wie sind Sie denn zu Minol gekommen?

KARROW: Das war 1976. Ich bin gelernter Maschinenanlagenmonteur und hatte einen guten Kumpel mit Verwandtschaft bei Minol. Die hatten die Ausreise beantragt, und bei Minol war es damals so: Der Opa ging, der Onkel kam. Da wurden also zwei Stellen frei. Ich hab dann einfach gekündigt und bei Minol angefangen.

KREUZER: Einfach so?

KARROW: Ja, Autos haben mich immer schon gereizt. Außerdem war mir der Kontakt mit den Kunden wichtig. Irgendwie war es schon ein Traumberuf.

KREUZER: Und jetzt haben Sie die letzte von einst 1.300 Minol-Tankstellen.

KARROW: 1993 wurde Minol von der Elf übernommen und dann Elf von Total. Minol gab es nicht mehr.

KREUZER: Bis 1998 hat man schrittweise alle in Elf-Stationen umgebaut ...

KARROW: ... und ab 2003 wurden dann drei Tankstellen wieder eröffnet. Eine in Chemnitz, eine in Berlin und diese hier. Die anderen beiden mussten aber relativ schnell wieder schließen, weil sie an schlechten Straßen lagen.

KREUZER: Und Ihre?

KARROW: Ich weiß auch nicht, warum es bei uns so gut läuft. Wir haben offenbar einen guten Standort.

KREUZER: Warum hat Total Minol eigentlich wiederbelebt?

KARROW: Das hängt mit den Namensrechten zusammen. Der Name wurde fünf Jahre lang nicht gezeigt, und dann hat man die Möglichkeit, ihn zu erwerben. Das wollte Total verhindern.

KREUZER: Wieso denn?

KARROW: Das liegt wahrscheinlich an der Ostalgie-Welle, Knusperflocken und so. Minol braucht eben keine Reklame. Alle kannten es und kennen es heute noch. Es gab ja nur Minol im Osten. Irgendwie denken die Leute vielleicht doch noch an die alten Zeiten.

KREUZER: Sind Sie auch ein Ostalgiker? Immerhin kann man bei Ihnen ja noch den Minol-Pirol als Miniatur kaufen ... KARROW: Das war meine Idee. Davon gibt es nur noch vielleicht 4.000 Stück. Total hat mir geholfen rauszukriegen, wo es die noch gibt. Und jetzt verkaufe ich die halt hier. Gerade hat sich ein Hamburger einen bestellt.

KREUZER: Sie mögen Ihren Pirol?

KARROW: Irgendwie schon. Nicht jeder Betrieb hat ein Maskottchen. Meist nur Fußballmannschaften. Den blauen, ganz alten Pirol hab ich aber gar nicht. Der wird mittlerweile für ziemlich viel Geld im Internet versteigert. Aber ich finde sowieso, der von 1993 sieht frecher aus. Sonst gibt es ja heute nicht mehr viel. Nur noch den Spee-Fuchs.

KREUZER: Also doch ein Ostalgiker.

KARROW: Schon. Mittlerweile sind es 33 Jahre, die ich bei Minol bin. Da hat man einiges miterlebt.

KREUZER: Kommen viele zu Ihnen, nur weil Sie Minol sind?

KARROW: Ja. Meine Mitarbeiter müssen sich mit Minol auskennen. Viele fragen nach. Eigentlich bräuchte ich ein extra Organ mit mehr Spucke, so viel, wie ich reden muss. Montags stehen sie manchmal bis raus. Das ist wie zu Ostzeiten. Da bleibt zum Schwatzen kaum Zeit. Meine Mitarbeiter sind schon stolz, dass sie hier arbeiten.

KREUZER: Sie klingen aber auch stolz.

KARROW: Na klar bin ich stolz auf meine Minol. Früher war das wie eine große Familie. Da gab es auch immer ¬¬– wie bei »Dallas« ¬–¬ einen Ball der Ölbarone, so haben wir es genannt. Da haben sich alle getroffen. Jetzt ist die Familie etwas kleiner.

KREUZER: Warum winkt der Pirol eigentlich?

KARROW: Das war seine letzte Bewegung in den »TausendTeleTipps«. Und dann kam sein Spruch.

KREUZER: Ach ja, »Stets dienstbereit ...«

KARROW: ... zu Ihrem Wohl, ist immer Ihr Minol Pirol.

KREUZER: Sind Sie eigentlich der Minol-Pirol?

KARROW: Ja ... oder ... eher nicht. Aber stets dienstbereit bin ich auch.

KREUZER: Und Sie haben das Sorgerecht?

KARROW: Eigentlich könnte ich das beantragen. Aber das schreiben Sie mal nicht rein, dann muss ich vielleicht noch was bezahlen (lacht). Wir hatten mal zur Eröffnung einen großen Pirol. Da steckte ein junges Mädel drin. Es war ziemlich heiß. Da musste ich ihr immer Wasser durch den Schnabel einflößen.

KREUZER: Tragen sie den Overall eigentlich auch nachts?

KARROW: Nein. Lila ist nicht gerade meine Lieblingsfarbe. Aber das gehört dazu. Der ist ja auch schon ziemlich alt.

KREUZER: Ist der etwa noch original?

KARROW: Ja, Restbestand von 1993. Gott sei dank hab ich nichts weggegeben. Es tat mir damals leid. Vieles war ja noch neu. Ich hatte all die Jahre eine Kiste im Lager. Komischerweise kam dann die Minol wieder.

KREUZER: Wie viele Overalls haben Sie denn noch?

KARROW: Drei, aber die Mütze dazu trage ich nie. Das sieht einfach nicht gut aus. Privat würde ich die Farben nie tragen. Irgendwann werden aber auch diese Overalls verschlissen sein.

KREUZER: Und was dann?

KARROW: Keine Ahnung.


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