Die Filmkunstmesse 2008 zeigt an ihrem Ende »Liebe und andere Verbrechen« als einen der wenigen Filme aus Osteuropa und Lars von Triers »The Boss of it all«. Und auch dieses Jahr wählte das Publikum: Der Preis ging an den Film »Stilles Chaos« von Antonello Grimaldi.
Einer der wenigen Vertreter aus Osteuropa auf der ansonsten stark europäisch geprägten Filmkunstmesse war »Liebe und andere Verbrechen« von Stefan Arsenijevic, der für seine Kurzfilmarbeit schon den europäischen Filmpreis und eine Oskar-Nominierung sein Eigen nennen kann. Sein Langfilmdebüt begleitet zwei junge Menschen in einer Belgrader Plattenbausiedlung auf ihren Abschiedswegen. Neben der zaghaften, gegenseitigen Annäherung der beiden verfolgen die stoisch-schlichten Bilder das allzu liebenswürdige Nachbarschaftsleben im Schutzgeldgangstermilieu einer Betonwüste, in der die Träume der Menschen längst verloren gegangen sind. Zwischen Mafiazwist und Verkaufsbudenmelancholie macht sich aber trotz interessant-eigenwilliger Charaktere leider eine ganze Menge Banalität und Langeweile breit. Die schlechte deutsche Synchronisation und unauthentische Dialoge tun ihr Übriges. Der Anspruch auf Stilisierung europäischer Alltagskultur am Rande wohlständischer Zivilisation scheint hier leider der Filmkunst den Entfaltungsraum zu nehmen.
Lars von Trier lässt sich in seinem neuen Werk wieder einmal voll auf seine filmkünstlerischen Ideen ein und liefert zugleich mit seiner ersten Komödie »The Boss of it all« großartige Unterhaltung. Wie in einem Panoptikum spielt sich das tragisch-komische Theaterstück in einer dänischen IT-Firma ab, in der der Schauspieler Kristoffer den Boss spielen soll, weil der echte Chef sich bisher seinen Mitarbeitern nie zu erkennen gegeben hat und nun die Firma verkaufen will. Da der Verkäufer nur mit dem Boss verhandeln will, übernimmt er anfangs noch mit Schwierigkeiten den Part, doch findet er mehr und mehr in die Rolle seines Lebens. Die Bilder durch eine halbautomatische Kamera, die zufällig immer andere Bildausschnitte wählt, verfremdend, folgt der Regisseur dem absurden Geschehen, schaltet sich immer wieder mit bissigen Kommentaren selbst ein und lässt ansonsten den skurrilen Figuren freien Lauf. Spaßig bis in die kleinste Geste, die Peinlichkeitsgrenzen ausreizend und jede Menge Seitenhiebe auf die Schauspielkunst verteilend, kommt ganz wunderbarerweise der charakteristische Dogma-Stil ebenfalls nicht zu kurz. Ein großartiges Filmvergnügen!
Der diesjährige Publikumspreis ging an den Film »Stilles Chaos« von Antonello Grimaldi. Die italienische Tragikkomödie erzählt von Pietro, der nach dem plötzlichen Tod seiner Frau auf der Bank vor der Schule seiner Tochter sitzen bleibt und zum Anziehungspunkt der Seelennöte und der Emotionen seiner Umgebung wird. Das Preisgeld von 2.500 Euro kommt dem Verleih für die Vermarktung des Films zugute. Die Jugendjury die Filmkunstmesse, bestehend aus Jungen und Mädchen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, kürte den diesjährigen Cannes-Gewinner »Die Klasse« zu ihrem Favoriten. Der Film erzählt ungeschönt und authentisch vom Alltag eines Lehrers an einer Schule in den Banlieus, der mit ungewöhnlichen Methoden versucht, zu seinen Schülern durchzudringen. Beide Filme werden ab Januar 2009 in den deutschen Kinos zu sehen sein.