Zen Zebra unterschreiben bald einen Vertrag bei Universal, ihr Video läuft auf MTV und die Fangemeinde wächst von Tag zu Tag. Um das zu schaffen, muss man vor allem eins können: Voten. Was sie außerhalb der eigenartigen Welt der Virtuellen noch kann, erzählt die Leipziger Band im Interview.
Zen Zebra unterschreiben bald einen Vertrag bei Universal, ihr Video läuft auf MTV und die Fangemeinde wächst von Tag zu Tag. Um das zu schaffen, muss man vor allem eins können: Voten. Was sie außerhalb der eigenartigen Welt der Virtuellen noch kann, erzählt die Leipziger Band im Interview.
kreuzer: Ihr macht beim MTV-Rookie mit. Guckt denn überhaupt noch jemand MTV?
JOHANNES: Also ich empfange den nicht zu Hause.
MARV: Ich habe den jetzt auch erst seit langem mal wieder gesehen.
ERIC: Aber MTV ist ja gefühlt immer noch cooler als Viva.
kreuzer: Bei dem MTV-Wettbewerb geht es darum, mit einem Musikvideo gegen andere zu gewinnen. Ihr seid mit eurem Video »Minus Me« Monatssieger geworden, weil für euch die meisten Zuschauer gevotet haben. Zuerst sah es nicht so aus, als könnet ihr das schaffen.
M: Ja, es war Donnerstagmorgen, und am Donnerstagnachmittag sollte der Sieger feststehen. Wir waren an zweiter oder dritter Stelle und wollten aufgeben. Wir hatten extra am Abend vorher eine Voting-Party gemacht – mit 20 Laptops im Flower Power, wo alle gleichzeitig für uns gevotet haben. Und trotz dieser Aktion sind wir mysteriöserweise nicht gestiegen, sondern immer weiter gefallen.
Kreuzer: Ist das nicht Beschiss, wenn da einen ganzen Abend lang immer dieselben zwanzig Leute voten?
M: Das will MTV aber. Die wollen sehen, wie viele Leute du aktivierst.
J: Nicht ohne Grund lassen die ja zu, dass man so oft voten kann wie man will. Bei anderen Votings kann man ja nur einmal am Tag voten. Aber hier ist es ja gewollt, dass man sich den ganzen Tag hinsetzt und votet.
E: Das ist übrigens nicht zu empfehlen, weil es nämlich supernervig und unglaublich zeitraubend ist. Das war so eine anstrengende Woche. Wie viele Stunden saßen wir da am Tag? Zwölf?
J: Ja, die letzten drei Tage dann schon. Da gab’s nur Schlafen, Essen und Voten.
kreuzer: Ihr habt also nur gewonnen, weil ihr die ganze Zeit vor dem Rechner gesessen und gevotet habt?
M: Nee, wir haben tatsächlich nur gewonnen, weil wir die meisten Leute hatten, die für uns gevotet haben. An diesem Donnerstagmorgen meinten wir: Schicht. Es geht nichts mehr. Wir kommen gegen die Konkurrenz nicht an, die offenbar eine ständig votende Software hatten. Aber dann hat MTV das herausgefunden und mittels eines Extra-Codes unterbunden. Ab diesem Zeitpunkt war alles wieder möglich für uns, weil wir wussten, dass eine Betrugs-Software jetzt nicht mehr funktionieren wird. Also haben wir uns wieder hingesetzt, alle Leute angerufen, und es ging von vorne los.
E: Es reicht ja nicht, da fünf Leute anzurufen. Man muss da ja Tausende von Votes machen.
M: Die Unterstützung trieb teilweise skurrile Blüten: Mein Vater hat zum Beispiel seine Kundschaft warten lassen. Johnnys Onkel hat zu seinen Angestellten gesagt: So, hört mal kurz auf, wir voten jetzt für die Band von meinem Neffen. Das hat deutschlandweite Kreise gezogen.
kreuzer: Gab es auch richtige Fans, die für euch gevotet haben?
M: Ja, es gibt sogar Fans, die auf Youtube Aufrufe für uns gesendet haben.
J: Einer hat sogar einen Trailer für uns erstellt. Mit unseren Songs von MySpace, die er sich da irgendwie runtergeladen hat. Die hätte er eigentlich gar nicht haben dürfen.
kreuzer: Ihr ward dann also der Monatssieger. Das heißt, im April steht das Halbfinale an.
M: Ja, leider.
kreuzer: Wieso leider?
M. Wir haben ja gehofft, dass Universal sich jetzt, wo es um den Deal mit denen geht, mal hinsetzt und guckt, was die Bands sonst noch können, außer Leute zu akquirieren und ein gutaussehendes Video zu drehen. Es geht die ganze Zeit nur um den einen Song – dabei wir haben ja weit mehr zu bieten.
J: Während dieser Voting-Phase meinten wir schon: »Stellt euch mal vor, wir müssen das jetzt noch mal zwei Wochen lang machen.« Das war die absolute Horrorvorstellung! Und die ist nun eingetreten.
M. Aber das Lustige ist ja, dass jetzt alle sechs Bands, die noch dabei sind, einen Universal-Vertrag bekommen.
kreuzer: Den schicken die euch jetzt?
M: Ja, den dürfen wir dann prüfen und schauen, ob wir das überhaupt wollen. Es gibt ja genug Bands, die dann feststellen, dass sie gar nicht zu einem Major wollen. Vielleicht gehören wir da auch dazu. Aber wenn wir ihn jetzt unterschreiben, dann gibt es noch eine Klausel, in der steht, dass er erst in Kraft tritt, wenn wir der MTV-Rookie der Saison sind.
kreuzer: Falls ihr aber nicht gewinnt, dann habt ihr nichts weiter außer die Kollegen eurer Onkels begeistert?
M: Viel mehr als das. Wir haben auf jeden Fall gesehen, wie viele tolle Fans wir haben. Und wir liefen bis dato mindesten fünf Mal auf MTV. Aber wenn wir diesen Wochensieg nicht bekommen hätten, würden wir da auch nicht mehr mitmachen. Das ist total krass, dass so was über deine Karriere entscheiden kann. Keiner will dich live sehen, keiner kennt deine Texte oder deine Lieder. Es müssen nur genug Leute voten.
kreuzer: Das nimmt ja auch noch ganz andere Ausmaße an. In den Foren werdet ihr beschimpft.
M: Ja, zum Beispiel als »Emo-Schwuletten«. Wir hätten irgendwelche Rapper an den Eiern gepackt. Und ich sollte mal zur Gesichts-OP. Die Kommentarleiste ist auch so eklig bei diesem Voting – unterstes Niveau! Das ist auch alles andere als jugendfrei.
E: Man hat das Gefühl, dass die dort Selbstgespräche voller Beleidigungen führen. Das ist ja bei uns noch harmlos. Andere werden noch mehr »gehatet«.
kreuzer: Reden wir mal über eure Musik. Eure EP ist jetzt fertig. Nach zwei Jahren.
M: Ja, wir haben uns Zeit gelassen. Dann gab’s auch noch Umbesetzungen, wir waren zwischenzeitlich nur zu dritt.
kreuzer: Aber jetzt passt es?
M: Ja, jetzt ist alles Eierkuchen.
E: Uns war auch wichtig, dass es live gut klingt. Und an dem Punkt sind wir jetzt.
kreuzer: Die EP heißt »Take back to the reins Apollo«. Seid ihr Freunde der griechischen Mythologie?
M: Das bezieht sich auf Apollo, der den Sonnenwagen lenkte und damit die Welt im Gleichgewicht hielt. Aber dann kam sein Sohn und nervte: Lass mich auch mal fahren. Als Apollo dann nachgab, ging alles drunter und drüber und die Erde stand in Flammen. Deswegen: Nimm die Zügel wieder an dich, Apollo.
kreuzer: Was hat das mit euch zu tun?
M: Das ist im Groben die Überschrift für unsere Texte. Also das noch Hoffnungsvolle in der Traurigkeit. Wir haben den Titel genommen, denn er zeigt: Es ist zwar alles gerade in Unordnung, aber es gibt auch Wege heraus. Apropos griechische Mythologie: In dem Song »Eurydices Eyes« geht es im übertragenen Sinne darum, dass Eurydikes Augen daran schuld sind, dass die Beziehung zu Orpheus nicht mehr zu retten ist und somit beide verdammt sind.
J: Sie sind nicht mehr zusammengekommen.
M: Das hat übrigens gar nichts mit unserem Privatleben zu tun. (lacht) Dieser Song ist mein Favorit auf der CD. Da gab es sogar schon Tränen im Publikum. Und genau das wollten wir erreichen. Ein Gänsehautding.
kreuzer: Die Songs, die ich bis jetzt gehört habe, klangen nicht ganz so melancholisch.
J: Das klingt auf der EP auch anders als bei den alten Demosongs. Man kann zu unserer Musik schon eher liegen oder sitzen – oder auch schweben. Das beste Kompliment für uns ist, wenn bei Live-Auftritten nach einem Lied absolute Stille ist.
kreuzer: Vielleicht klappt das ja auch bei eurem Release-Konzert.
M: Das wird auf jeden Fall ein sehr, sehr schöner Abend. Auch visuell. Inskopia, eine Videokünstlerin der Audiovisuale wird das ganze bebildern. Wir haben außerdem einige Special Guests wie »Air Cushion Finish« aus Berlin eingeladen. Auf der CD ist unter anderem auch ein Kontrabass zu hören – den werden wir auch auf der Bühne haben.
J: Und es ist ein Nintendo-Core-Part von unserem Kumpel Timescratch zu hören.
kreuzer: Was ist denn Nintendo-Core?
J: Musik mit dem Gameboy. Also eigene Melodien, die ausschließlich aus Tönen gebaut sind, die man von Super Mario kennt. So genante 8-Bit-Musik.
E: Das ist schon krank.