An dieser Stelle beantworten kreuzer-Redakteure ausgewählte Leserbriefe. Dieses Mal reagiert Musikredakteur Jens Wollweber auf einen Leserbrief zu dem von Anja Thümmler verfassten und im Märzheft erschienenen Artikel »Ambivalente Coolness«.
Liebe kreuzer-Musikredaktion,
seid ihr wirklich so naiv zu glauben, alles wäre FriedeFreueEierkuchen, bloß weil Christoph Gurk verlauten lässt, er wäre an »den Netzwerken der Leipziger Subkultur interessiert«? Bei wem von der »Szene« hat er sich denn mal gemeldet? Die Antwort: Bei niemandem. Es haben sich ein paar Leute bei ihm gemeldet, eben, weil ein neuer »Player« in der Stadt ist und man entweder zu den üblichen Verdächtigen gehört, die immer da sind, wenn es am Hochkultur-Etat/Ruf etwas abzustauben gilt, oder weil man mal wissen mochte, was das »UFO Centraltheater« denn nun eigentlich vorhat in dieser Stadt. Vor haben sie offensichtlich: sich einen feuchten Dreck darum zu scheren, was hier »in der Szene« los ist.
Was ja nun auch nicht das Problem wäre, man nennt so etwas Wettbewerb, das kennt jeder der bisherigen »Player« und kann damit umgehen. Es gibt da nur einen Haken: Das Centraltheater setzt zu 100 Prozent öffentliche Mittel in einem bisher ungekannten Maß ein, um zu marktunüblichen Preisen (da kann Christoph Gurk lange etwas anderes erzählen) Besucherzahlen zu generieren, die am Ende dem Centraltheater in der Besucher-Bilanz gutgeschrieben werden können und die anderen Musik-Veranstaltern ohne öffentliche Hängematte mittelfristig schmerzlich fehlen werden. Jeder in diesem Kultursegment weiß, dass es in einer gerade für lokale Veranstalter kritischen Situation nicht egal ist, wenn jemand mit einem quasi unbegrenzten Etat ohne echte Kalkulation (und ohne eigene Haftung) in Konkurrenz zu Veranstaltern in einem eh engen Marktsegment tritt, die ebendies nicht haben.
Und meint ihr nicht, dass ihr auch anmerken solltet, dass einer eurer Autoren, der immer wieder über das Centraltheater geschrieben hat (nie schlecht, versteht sich) mal eben ein Praktikum bei Christoph Gurk ableistet? »Journalistisch unabhängig« ist etwas anderes.
Und ja, eure Autorin hat es offensichtlich nicht vermocht, bei den Leipziger Akteuren eine ehrliche Meinung zu diesem Thema einzuholen. Das liegt nicht nur an ihr und ist schade, aber es sagt auch etwas über die Ernsthaftigkeit dieses Artikels aus.
Jörg Augsburg
Hallo Jörg,
vielen Dank für deinen Leserbrief. Ich finde deine Gedanken sehr bereichernd in dieser Diskussion, allerdings wundert es mich, dass du – als Teil des (POP UP-Kollektivs – sie erst jetzt öffentlich kund gibst (und ein Leserbrief impliziert eine gewisse Wahrscheinlichkeit an Öffentlichkeit). Die Autorin des Artikels Anja Thümmler ist auf euch zugegangen und hat um Statements gebeten, gerade weil die (POP UP in Leipzig eine ernstzunehmende, die lokale und nationale Szene reflektierende Institution ist. Ihr wolltet euch raushalten. Die Gegenargumente sind euch jedoch sicherlich nicht erst nach dem gedruckten Artikel in den Sinn gekommen. Ich weiß, du hast deinen Leserbrief als Privatperson geschickt, aber du bist einfach ein elementarer Teil der (POP UP.
Unabhängig davon lassen sich die Fakten in solch einer Diskussion leider nur auf dünnem Eis gegenüber stellen. Mit offenen Zahlen hantiert, soweit ich weiß, kein Club öffentlich. Insofern ist ein Vergleich der Konzertgagen beispielsweise nicht ohne weiteres möglich. Die Frage ist: Darf ein städtisch subventioniertes und abgesichertes Hochkulturhaus nicht im subkulturellen Raum agieren? Was ist mit dem Gewandhaus und der Audio Invasion? Wäre das für dich eine angemessene Annäherung zwischen Hoch- und Subkultur?
Ich sehe das Musikprogramm am Centraltheater weiterhin ambivalent. Für Acts wie The Whitest Boy Alive, Tocotronic oder Miss Kitten braucht es kein Theater als zusätzlichen Player, aber was ist mit Matthew Herbert, Carsten Nicolai und Wolfgang Voigt? Hätte die ein anderer Club der Stadt ohne Bauchschmerzen buchen können?
Was unsere Unabhängigkeit angeht: Du brauchst nicht zu denken, dass mit dem Generationswechsel in der Musikredaktion auch der Ethos der journalistischen Unabhängigkeit auf der Strecke geblieben ist. Es stimmt, dass unser Autor Michael Wallies derzeit ein Praktikum am Centraltheater absolviert – allerdings nicht bei Christoph Gurk, sondern in der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung. Hinzu kommt, dass Michael Wallies keinerlei Einfluss – weder direkt noch indirekt – auf den Artikel hatte. Er selbst hat uns zudem im Vorfeld des Praktikums mitgeteilt, dass er für Artikel zum Centraltheater nicht mehr zur Verfügung stehen wird.
Im Übrigen scheint mir das durch die kreuzer-Autorin Anja Thümmler eingefangene Stimmungsbild der Leipziger Veranstalter durchaus authentisch. Denn von ungebremster Euphorie war bis auf wenige Ausnahmen nichts zu spüren – was im Artikel vielleicht nicht an jeder Stelle zum Ausdruck kommt.
Grüße,
Jens Wollweber (Musikredaktion)