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Politik

Truppentransporte für den Aufbau Ost

Der Flughafen Leipzig/ Halle und seine militärische Nutzung. Von Jan Wenzel

  Truppentransporte für den Aufbau Ost | Der Flughafen Leipzig/ Halle und seine militärische Nutzung. Von Jan Wenzel

Kein Zweifel, der Flughafen Leipzig/Halle wird in wachsendem Maße militärisch genutzt. Der Luftwaffen-Airbus »Kurt Schumacher«, mit dem die Bundeswehr ihren Truppennachschub nach Afghanistan transportiert, fliegt Schkeuditz mittlerweile fast schon linienmäßig an.

Kein Zweifel, der Flughafen Leipzig/Halle wird in wachsendem Maße militärisch genutzt. Der Luftwaffen-Airbus »Kurt Schumacher«, mit dem die Bundeswehr ihren Truppennachschub nach Afghanistan transportiert, fliegt Schkeuditz mittlerweile fast schon linienmäßig an.

In der Abfertigungshalle sind Soldaten in Kampfmontur neben den wenigen wartenden Urlaubern und Geschäftsreisenden zu einem alltäglichen Anblick geworden. Ebenso wie zerschossenes Kampfgerät, das am Rande des Rollvorfelds zwischengeparkt wird. Und das sind nur die offensichtlichen Indizien für die schleichende Umwidmung einer hoch subventionierten öffentlichen Infrastruktur.

Anders als noch vor einem Jahr wird diese Entwicklung heute auch von der Geschäftsführung des Flughafens und vom Freistaat Sachsen nicht mehr bestritten. Die neue Strategie gegen unliebsame Nachfragen heißt: »Wir dürfen das!« Weil die militärische Nutzung des Airports inzwischen so augenfällig geworden ist, dass sie sich auch durch noch so kühne Verbalverrenkungen nicht mehr wegleugnen ließe, versuchen es die Verantwortlichen jetzt mit Normalisierung: Eine halbe Million als Transitpassagiere deklarierte US-Soldaten im Jahr sind ein ganz normales Flughafen-Business und Leopard-Panzer eine Luftfracht wie jede andere. Wo bitte liegt das Problem?

Das Problem ist euer Business, möchte man da am liebsten antworten. Denn ohne Afghanistan würde es um den selbsternannten wirtschaftlichen Leuchtturm Mitteldeutschlands ziemlich trüb aussehen. Zieht man die Bundeswehr sowie World Airways und Ruslan SALIS als Privatunternehmen im Dienste des Militärs einmal ab, was würde dann außer DHL in Halle/ Leipzig überhaupt noch starten und landen? »Kriegsähnliche Zustände« anderswo auf dem Globus, so die bittere Schlussfolgerung, sind das einzig wirklich krisenfeste Geschäftsmodell des Flughafen-Managements, um die in den 1990er Jahren mit Steuermilliarden ins Blaue geplante Infrastruktur am Laufen zu halten. Zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution in Leipzig heißt es nun: Truppentransporte für den Aufbau Ost.

Sicher, ganz so leicht, wie es die Geschäftsleitung des Flughafens und die sächsische Landesregierung in den Medien versuchen, ist eine militärische Umnutzung ziviler Infrastrukturen auch in Zeiten heraufbeschworener Terrorgefahr argumentativ nicht durchsetzbar. So vertritt der angesehene Luftrechtsexperte Elmar Giemulla die Auffassung, dass eine dauerhafte militärische Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle nicht durch die Betriebserlaubnis für den Airport gedeckt sei, die höchstens einzelne militärische Flüge erlaube. Der Flughafen dagegen versucht sich in der Grauzone dauerhaft einzurichten.

Sieht man von solchen durchaus weitreichenden rechtlichen Ungereimtheiten einmal ab, bleibt als zentrale Frage: Was bedeutet es für die Zukunftsfähigkeit der Region, wenn eine ihrer wesentlichen Infrastrukturen zunehmend militärisch genutzt wird? Welche tiefer gehenden Abhängigkeiten entstehen daraus? Das ist eine Frage, die weit mehr als nur das Tagesgeschäft des Flughafens betrifft. Sie zielt auf das Selbstverständnis einer Gesellschaft, die sich unter »kriegsähnlichen Zuständen« lieber nichts Konkretes vorstellen möchte. »Der Krieg in Afghanistan hat mit uns nichts zu tun,« so simpel wie Uwe Schuhart, der Sprecher des Flughafens Leipzig/Halle, bringt diese Haltung des Nicht-Wissen-Wollens auch nicht jeder auf den Punkt. Jan Wenzel


Jan Wenzel lebt als Künstler und Publizist in Leipzig. Im nächsten Sommer erscheint bei Spector Books ein Buch, das sich mit der militärischen Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle auseinandersetzt und das Jan Wenzel zusammen mit Jan Caspers, Anne König und Vera Tollmann herausgibt.


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