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Kultur

»Ich bin auf meine Weise krass«

Martina Eitner-Acheampong über die Magie des Theaters, ihr kleines Inszenierungs-Dogma und die neue Produktion »Das Fest«.

  »Ich bin auf meine Weise krass« | Martina Eitner-Acheampong über die Magie des Theaters, ihr kleines Inszenierungs-Dogma und die neue Produktion »Das Fest«.

Martina Eitner-Acheampong, geboren 1960 in Cottbus, war von 1991 bis 2000 Ensemblemitglied am Schauspiel Leipzig, trat seitdem in einer Reihe von Fernsehproduktionen auf (u.a. »Stromberg«) und führte verstärkt Regie. Zuletzt war von ihr »Dornröschen« im Centraltheater zu sehen.

Martina Eitner-Acheampong, geboren 1960 in Cottbus, war von 1991 bis 2000 Ensemblemitglied am Schauspiel Leipzig, trat seitdem in einer Reihe von Fernsehproduktionen auf (u.a. »Stromberg«) und führte verstärkt Regie. Zuletzt war von ihr »Dornröschen« im Centraltheater zu sehen.

kreuzer: Sie waren lange als Schauspielerin in Leipzig engagiert – wie fühlt es sich an, als Regisseurin nach Leipzig zurückzukommen?

MARTINA EITNER-ACHEAMPONG: Es ist einfach toll und unglaublich super, dass ich diese Chance habe. Mir ist alles unheimlich vertraut. Ich fühle mich sehr mit der Stadt verbunden, mein Sohn ist hier geboren. Und dann ist diese andere Sicht auf Theater eine wunderbare Möglichkeit. Ich bin so weit, dass ich Geschichten zu erzählen habe, und freue mich, es hier zu dürfen.

kreuzer: Haben Sie nach dem Intendantenwechsel Veränderungen wahrgenommen?

EITNER-ACHEAMPONG: Es ist und bleibt das Theater Leipzig. Da sind die Techniker, die Beleuchter – die kenne ich ja alle noch. Da ist es lustig, wenn man nach Jahren wiederkommt und hört: (sächselt) »Hallo, grüß’ dich, Martina!« Und was mich ehrt, ist die große Akzeptanz, die ich spüre, auch von Kollegen, die mich als Schauspielerin kennen.

kreuzer: Wie kamen Sie zur Regie? Ihre ersten Versuche begannen ja in Wismar mit Figurentheater ...

EITNER-ACHEAMPONG: Oh, das muss so 1987 gewesen sein. Was mir erst später bewusst wurde: Ich habe schon auf der Schauspielschule angefangen, zu beobachten, wie meine Kollegen zum Spiel kommen. Diesen Vorgang finde ich nach wie vor magisch. Da sind ein Schauspieler und eine Bühne und aus dem Nichts entstehen irgendwelche Situationen. Ich fühle mich da sehr beschenkt, dass ich beide Seiten am Theater intensiv erleben darf.

kreuzer: Sie wollen also keine der beiden Rollen ablegen?

EITNER-ACHEAMPONG: Nein, ich spiele auch noch, derzeit in »Alice« in Bochum. Im Moment überwiegt die Regie, aber wenn sich eine schöne Rolle ergibt, dann spiele ich sie. Früher dachte ich, dass sich das entgegensteht, aber das sind einfach zwei unterschiedliche künstlerische Daseinsformen.

kreuzer: Ist es schwierig, als Schauspielerin mit Regieerfahrung unter einem Regisseur zu agieren? Sie haben ja für Helge Schneider gespielt, der vielleicht nicht so unkompliziert ist.

EITNER-ACHEAMPONG: Das ist ein Supertyp! Mit ihm zu arbeiten, war großartig. Als ich Ende dreißig war, wurde mir die Schauspielerei manchmal zu klein. Da war ich für Regisseure durchaus unleidlich, weil ich nicht den Mut hatte, eine neue Verantwortung zu übernehmen und auch Regie zu machen. Seitdem ich das tue, bin ich als Schauspielerin einfach zu »handhaben«.

kreuzer: Wie muss man sich den Wechsel praktisch vorstellen, kommt man als Schauspieler an und sagt: »Ich möchte jetzt auch mal Regie machen«?

EITNER-ACHEAMPONG: Ich bin durch meine Arbeit mit Studenten an der Schauspielschule dazu gekommen. Das hat mir offensichtlich eine gewisse Reputation verschafft, so dass ich bei Sebastian Hartmann mit dem ersten Märchen hier 2008 starten konnte. Und dann es ging weiter.

kreuzer: ... und zwar mit »Ego-Shooter«, einer »Peer Gynt«-Adaption für die Skala. Ihre neue Inszenierung »Das Fest«, das im großen Haus Premiere hat, trägt auch Züge von Ibsen. Was brachte Sie auf den Stoff? Und wie ging das mit der Kurzfristigkeit, sie sprangen ja ein?

EITNER-ACHEAMPONG: Es ist ein normaler Vorgang, dass eine Inszenierung aus terminlichen Gründen verschoben wird. Ich wollte etwas finden, wo die Psychologie spannend ist. Im »Fest« wird eine Familie tiefgreifend zerstört und verändert durch die sexuellen Übergriffe des Vaters. Es gibt kein Happy End, aber ich glaube, über die Art der Schauspielerin, in die Tiefe zu gehen, kann der Zuschauer trotzdem ermutigt hinausgehen.

kreuzer: Wie bringt man einen Dogma-Film auf die Bühne, wenn dem theoretischen Manifest nach keine Künstlichkeit und zusätzlichen Requisiten zugelassen sind?

EITNER-ACHEAMPONG: Das bezieht sich ja auf den Film, das Medium Theater erfordert andere Dinge. Ich habe für mich ein eigenes kleines Dogma aufgestellt. Mir geht es weniger darum, sich der Mittel zu berauben. Kreativität entzündet sich an etwas, und dieses Etwas zu finden, ist der Probenprozess. Das interessiert mich. Auf Dinge, die nur nett, hübsch, attraktiv sind, verzichte ich. Bloße Effekte sind nicht erlaubt.

kreuzer: »Das Fest« passt ja auch prima zum Dogma-Stoff »Idioten«, den Martin Laberenz in der Skala inszeniert hat und der unter manchen Zuschauern für einen Skandal gesorgt hat.

EITNER-ACHEAMPONG: Ja, der Martin – wir kennen uns schon lange – macht immer wieder krasse Sachen. Es ist astrein, was er versucht. Ich bin halt anders, ich bin 50, eine Frau und auf meine Weise auch krass. Lassen Sie sich überraschen.


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