»Und wenn die Tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan losgelassen werden aus seinem Gefängnis und wird ausziehen, zu verführen die Völker an den vier Enden der Erde« – lässt das finale Bibel-Buch wissen. Wer über ein Metal-Festival schreibt, kann von Pathos nicht ganz lassen – das als Leser-Warnung vorweg. Und was ist salbungsvoller, als den spätantiken Drogentrip des Johannes zu bemühen?
»Und wenn die Tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan losgelassen werden aus seinem Gefängnis und wird ausziehen, zu verführen die Völker an den vier Enden der Erde« – lässt das finale Bibel-Buch wissen. Wer über ein Metal-Festival schreibt, kann von Pathos nicht ganz lassen – das als Leser-Warnung vorweg. Und was ist salbungsvoller, als den spätantiken Drogentrip des Johannes zu bemühen?
Wohlan: Vier Tage lang lag die schwarze Horde auf den Ackern von Tiefengruben, nur einen Zwergenwurf von Bad Berka entfernt. Im Gegensatz zu mittelalterlichen Einkesselungen erstarb das Wirtschaftsleben in der thüringischen Kleinstadt allerdings nicht. Die ansässigen Einzelhändler fuhren satte Gewinne ein, als das Party.San Open Air (PSOA) zum 16. Mal seine Höllenpforten öffnete – ohne sich anzubiedern, wie man das aus norddeutschen Dörfern kennt.
»Hell is open« prangt in großen Lettern über dem Bühnenbollwerk, von dem insgesamt dreißig Bands ihre Soundtracks zum Untergang hinabschleudern. Flankiert werden die Seiten von zwei Planen mit aufgedruckten Panzern, die ihre Kanonenrohre ins Publikumsrund richten. Die Dreifaltigkeit Death und Black Metal sowie Grind Core bestimmt hier absolut die Vorzeichen, stellvertretend seien nur Namen wie Napalm Death, Asphyx und Suffocation, Manegarm oder Lividity genannt. Wem das nichts sagt, dem hilft vielleicht ein Vergleich: Gegen das PSOA ist Wacken ein Kindergeburtstag. Dass dieses jüngst als »Ballermann der Metal-Szene« bezeichnet wurde und überhaupt Spiegel, FAZ & Co. diesen Zirkus auf dem Schirm haben, spricht Bände. Weder Busenwettbewerb, noch Karussell, kein Wrestling, Weißbiergarten, Wikingerdorf: Wer mit Metal nichts anfangen kann, hat auf dem PSOA einfach keinen Spaß. Nichts lenkt ab vom extrem schnellen Stromgitarren-Sound, der sich mal melodisch, mal brachial-fraktal oder als dröhnende Walze auf scheppernde Drum-Stakkati und wuchtigen Bass gebiert. Die Gesangspalette erstreckt sich von grunzendem Growling bis zum schrillen Schrei. »Hat jemand Ohren, der höre!«
Keine Melodien für Millionen: Rund 9.000 Diener des Schwermetalls reisen heuer an, um an diesem feinen Stück der härteren Musikkultur teilzuhaben. In der öffentlichen Wahrnehmung mag hier ein Haufen Misanthropen zusammenkommen, um gemeinsam zu feiern – was paradox genug anmutet. Schwarz dominiert alles, nur die schlammverkrustet-bunten Zelte bieten etwas optische Abwechslung, wozu auch blutige Aufdrucke und eher selten mehrfarbige, aber immer finster-groteske Motive auf den T-Shirts beitragen. »Death is a lifestyle« ist da zu lesen, und »Extreme music for extreme people« oder – auch ein klares Bekenntnis – »It’s not about satan, it’s about pussy« bezeugen einen eigenwilligen Humor.
Auch Bandnamen wie Cannibal Corpse, Dying Fetus, Milking the Goatmachine oder The Devils Blood sprechen nicht nur für viel Fantasie, sondern offenbaren auch ein Faible für Morbides wie Absurdes. Ebenso tritt letztlich das ewige Motiv von Eros und Tanatos – nur in ungewohnterem Gewand – zutage. Handelt ohnehin jeder Popsong von Liebe und Tod, dann ist im Metal die Metaphorik eben die bildlichere. Auf opulente Shows leisten die Bands in diesem Jahr meistens Verzicht und stellen ihre Krachaufwürfe einfach so in den Raum, denen ohnehin nichts hinzuzufügen ist. Beiwerk ist Bullshit. Dem akustischen Hauen und Stechen auf der Bühne wohnt eine grölende Menge bei, welche ihre Fäuste und Pommesgabeln (m/) in die Luft reckt und die Schädel beim Bangen kreisen lässt. Die gleiche Bewegung vollziehen in raschen Intervallen die Bierbecher, Metal macht halt durstig.
Die Bilanz nach drei Tagen fällt nüchtern, ähm positiv, aus: Band, Stimmung, Feier waren großartig, nur das Gras hätte etwas grüner sein können. Opfer gab es keine. De facto wurden nur Dosen und Fässchen – Eigenwerbung: »Partydosen« – zuhauf angestochen, Rostbrätel flambiert und die ein oder andere Melone geschlachtet. Kurzum: Die Kirche blieb im Dorf – heil. PSOA, Ride on!