Wo genau liegt nochmal der Kaukasus? Wer ist eigentlich Signe Baumane und warum weiß sie so viel über Liebe und Sex? Und was macht eine junge Frau zur Striptease-Tänzerin? All diese und viele andere Fragen beantwortet dieser Tage das 53. Internationale DOK-Film-Festival in Leipzig. Cineasten sollten begeistert sein, denn bis Ende der Woche erwarten sie hunderte Dokumentations- und Animationsfilme aus insgesamt 58 Ländern. Neue Produktionen sind da genauso zu entdecken wie kaum gezeigte Raritäten.
»Wenn wir zusammen halten, kann kein Feind uns bekämpfen und Georgien nicht ausgelöscht werden.« Die Ansage des Leaders an seine jugendlichen Schützlinge ist eindeutig. In einem Zehn-Tage-Programm sollen die jungen Leuten lernen, was Nationalstolz bedeutet. Salomé Jashi porträtiert in »The Leader is always right« ein Jugendcamp, dass getreu dem Motto »Nichts soll nicht Georgisch« sein, junge Georgier zu neuer Vaterlandsliebe verhelfen soll. Es werden Fahnen gehisst und die Nationalhymne geträllert. Jashis Beitrag läuft im Sonderprogramm »Kaukasische Lektionen«, das beim diesjährigen DOK Leipzig den Blick weit Richtung Osten schweifen lässt und in acht Programmen einheimische Regisseure aus der eigenen, zum Teil sehr persönlichen Perspektive vom Kaukasus erzählen lässt.
Am Montag startete das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm in seine 53. Ausgabe, eine Woche lang gibt es hunderte von neuen Produktionen und kaum gezeigten Raritäten zu entdecken. Neben Sonderprogrammen wie »Kaukasische Lektionen«, »Money Matters«, der Signe Baumane-Reihe »Love, Sex and Signe Baumane« und einer Hommage an Klaus Wildenhahn, der im Juni seinen 80. Geburtstag feierte (»Der stille Moment der Improvisation«), gibt es wie jedes Jahr unzählige Festivalbeiträge, die sich mit politisch brisanten Themen, ganz privaten Familiengeschichten und Gender-Fragen auseinandersetzen. »12 Angry Lebanese« erzählt die Geschichte libanesischer Inhaftierter, die ein Theaterstück von Reginald Rose aufführen und neue Perspektiven auf ihr eigenes Leben und Handeln gewinnen. »9 Lives« zeigt das erschütternde Porträt deutscher Jugendlicher, die ein Leben auf der Straße gewählt haben. »Armadillo« präzisiert auf beängstigende Weise, wie aus jungen dänischen Männern Tötungsmaschinen werden.
»In Case of Loss of Pressure« erzählt die Regisseurin von ihrem Leben als Striptease-Tänzerin und ihrem behinderten Sohn. In »Steam of Life« kann man finnischen Männern in der Sauna dabei zuhören, wie sie über Liebe und Hass, Einsamkeit und Hoffnung philosophieren, in »Winds of Sand, Women of Rock« einer Gruppe von Toubou-Frauen durch die Sahara folgen. Diese versuchen in einer Welt, in der eine Frau nur halb so viel wert ist wie ein Mann, so frei und selbstbestimmt wie möglich zu leben. Und in »Freetime Machos« gar lernen wir ein Rugby-Team kennen, das kurz vor dem Abstieg steht und mit eigenen Rollenklischees zu kämpfen hat. Das Ringen um Frauen- und Männerbilder treibt die legendäre Animationskünstlerin Signe Baumane, die persönlich anreist, ins Extreme: Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um sexuelle Erfahrungen geht. Ohne Hemmungen erzählt sie über die Größe des männlichen Geschlechtsorgans oder begibt sich mit ihrem Alter Ego Cynthia in eine weitere Episode des etwas anderen Bildungsfernsehens (»Teat Beat of Sex«). Die gebürtige Lettin stellt jedoch nicht nur eigene Filme vor.
In der Schaubühne Lindenfels gibt sich Baumane am Dienstag mit Bill Plympton, einem ebenso wichtigen Vertreter der unabhängigen New Yorker Animationsfilmszene, einem Geschlechterkampf der Superlative hin: In »Battle of the Sexes. Animated!« liefern sich die Beiden einen handfesten Schlagabtausch und zeigen fünf Filme von Frauen, fünf von Männern. Alle drehen sich um das Thema Sex. Das Publikum entscheidet am Ende, welches Geschlecht die besseren Geschichten erzählt hat!
Rege Publikumsbeteiligung ist auch am Freitag gefragt, wenn ebenfalls in der Schaubühne die besten Nachwuchswerke der jungen internationalen Animationsszene mit der »PINK Peanut« ausgezeichnet werden. Im Anschluss daran kann als krönender Abschluss einer spannenden Filmwoche auf der »PINK Party« bis zum Morgengrauen getanzt werden.