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Kultur

»Geschlechts-, nicht Staatsorgan«

Bildhauer Marcel Walldorf über die sprunghafte Aufmerksamkeit der Medien, Kunst und das Bauchgefühl

  »Geschlechts-, nicht Staatsorgan« | Bildhauer Marcel Walldorf über die sprunghafte Aufmerksamkeit der Medien, Kunst und das Bauchgefühl

Mit der Skulptur »Pinkelnde Petra« – einer Polizistin in der Hocke, in Kampfmontur und mit heruntergelassener Hose – hat Marcel Walldorf überregionales Interesse geweckt. Vom »Pipi-Kunst-Skandal« tönte der Boulevard, der sächsische Innenminister meinte, Kunst müsse Grenzen haben bei der Würde einer Uniform. In der Galerie Potemka zeigt der Bildhauer nun eine Einzelausstellung und berichtet im Interview über die sprunghafte Aufmerksamkeit der Medien, seine Kunst und das Vertrauen aufs Bauchgefühl.

Mit der Skulptur »Pinkelnde Petra« – einer Polizistin in der Hocke, in Kampfmontur und mit heruntergelassener Hose – hat Marcel Walldorf überregionales Interesse geweckt. Vom »Pipi-Kunst-Skandal« tönte der Boulevard, der sächsische Innenminister meinte, Kunst müsse Grenzen haben bei der Würde einer Uniform. In der Galerie Potemka zeigt der Bildhauer nun eine Einzelausstellung und berichtet im Interview über die sprunghafte Aufmerksamkeit der Medien, seine Kunst und das Vertrauen aufs Bauchgefühl.

kreuzer: Wie haben Sie die Skandalisierung ihrer Arbeit »Petra« und die öffentliche Aufmerksamkeit aufgenommen?

MARCEL WALLDORF: So kalt wie es mich erwischt hat, so kalt lässt es mich auch. Ich habe durch das Dauerfeuerwerk der Medienanfragen rund eine Woche Arbeit verloren und die Ausstellung in Leipzig mit Mühe und Not noch vorbereiten können. Natürlich habe ich mich gewundert, gerade weil ich niemanden beleidigt habe. Es ging mir ja um Geschlechts-, nicht um Staatsorgane. Frauen haben sich interessanterweise nicht über die angebliche Verhöhnung beschwert.

kreuzer: Warum haben Sie gerade die Bildhauerei ergriffen?

WALLDORF: Ich habe ja angefangen, Zeichnen und Malerei zu studieren, habe dann aber gemerkt, dass ich mehr Raum für meine Kunst brauche. Darum bin ich ins Fach Bildhauerei gewechselt. Für meine Bildideen haben sich Skulpturen einfach als ideal herausgestellt. Ich hätte Petra ja auch fotografieren können, aber als Skulptur schien sie mir die beste Umsetzung. Außerdem fehlt mir die Geduld, fotorealistische Zeichnungen anzufertigen. Anders als das Klischee – Holz oder Bronze? – hat man als Bildhauer ja ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten, sich auszudrücken. Und man kommt mit vielen verschiedenen Menschen zusammen, mit Tierpräparatoren zum Beispiel, die einen mit ihrem Spezialwissen bei der Umsetzung helfen. Man ist vielmehr mit Leuten im Kontakt, als tagelang allein im Atelier eingeschlossen zu sein.

kreuzer: Wie kommen Sie zu Ihren Ideen?

WALLDORF: Meist morgens oder abends, dann macht es »Klack« und ich habe eine neue Motividee. Wirklich erklären kann ich das nicht. Das ist pures Bauchgefühl, dass das Motiv funktioniert. Bis jetzt bin ich damit ganz gut gefahren.

kreuzer: Betrifft der Ausstellungstitel »Everybody’s Darling« nur die dargestellten Haustiere, also Hund und Pferd?

WALLDORF: Naja, ich frage schon, wie weit man sich verstellen muss, um bei anderen Menschen positiv anzukommen. Ich will den Menschen gefallen, will, dass ihnen meine Arbeiten gefallen. Aber verbiege ich mich deswegen? Diese Frage hatte ich im Hinterkopf. Und meine Arbeit, die so heißt, thematisiert genau das: Hinter einer Chromhülle verbergen sich echte Pferdehufe.

kreuzer: Ihre Arbeiten leben von Ironie, sind meistens frontal. Sie mögen Kunst direkt?

WALLDORF: Die Leute sollen sofort begreifen, worum es geht. Daher sind meine Arbeiten nicht intellektuell, nicht mit epos-geladenem Gerede aufgeblasen, sondern eher intuitiv zugänglich. Auch wenn es nicht so subtil ist, finde ich sie so direkter und auch ehrlicher. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich selbst eher informationsverdrossen bin, nicht Unmengen lese. Darum würde ich meine Kusnt auch nicht politisch nennen – aber wenn etwas transportiert wird, finde ich das natürlich gut.


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