Leipzigs absurdeste Ampelkreuzung in der Kurt-Eisner-Straße zeigt es seit letztem Jahr: Wo heute wenige Meter neu gebaute Straße an den Mauern der »Distillery« enden, muss es irgendwann weitergehen. Das angrenzende Areal liegt seit Jahren brach, seit durch den Bau des City-Tunnels die Bahnanlagen nicht mehr benötigt werden. Wie die Stadt zwischen dem MDR und dem Bayerischen Bahnhof zukünftig aussehen soll, war Thema eines städtebaulichen Wettbewerbs.
Das Preisgericht vergab den ersten Preis gleichzeitig an die Arbeit der Berliner Büros von Jörg Wessendorf und die Landschaftsarchitekten des Atelier Loidl. Die Planer hatten eine schwierige Aufgabe: Wegen der Kostenreduzierung für den City-Tunnel verschwindet die Bahnstrecke erst kurz vor dem Bayerischen Bahnhof unter die Erde und nicht schon an der Kurt-Eisner-Straße. Der so entstandene offene tiefe Trog für die Gleise musste nun stadträumlich eingepasst werden, Grünflächen mussten gestaltet, Bereiche für Wohnungsbau ausgewiesen und Standorte für zwei Kitas und eine Schu-le festgelegt werden. Im Gegensatz zu anderen Wettbewerbsbeiträgen, die die schmale städtebauliche Fuge zwischen Südvorstadt und dem Wohngebiet an der Straße des 18. Oktober zur Grundidee ihrer Planung machten, schwächen Wessendorf und Loidl diese Trennung ab: Durch die Ausbildung und versetzte Anordnung von größeren Grünflächen wird die Enge des Areals überwunden.
Wohltuend im Gegensatz zu anderen Plänen scheint das Konzept entsprechend den Forderungen der Ausschreibung umsetzbar: 10 bis 20 Jahre sind dafür vorgesehen und Zwischennutzungen wie eine temporäre Grünflächengestaltung eingeplant. Realistischerweise wird damit kein Big Bang erwartet und ein in wenigen Jahren fix und fertig gestalteter Stadtraum. In Leipzig laufen die Uhren langsamer – was nicht unbedingt ein Nachteil ist. Denn so bleibt genügend Zeit für die Weiterentwicklung des Projektes.
Allerdings: Das städtebauliche Konzept – zumal mit solch einer suggestiven Visualisierung – lässt leicht vergessen, dass das bisherige Brachland zwar ungeplant, aber nicht ohne Leben war. Zahlreiche informelle und temporäre Nutzungen hatten sich hier etabliert. Zukünftig müssen die kleinen privaten Modellautorennen an anderen Orten stattfinden, Spaziergänger laufen dann auf schnurgeraden Wegen und nicht mehr zwischen wildem Gesträuch und Ruinen. Und auch die »Distillery« wird irgendwann hier nicht mehr zu finden sein.