Das offizielle Leipzig feiert die Eröffnung der Wasserstraße zwischen Innenstadt und Cospudener See. Nicht alle sind begeistert.
Der Mann im Kanu ist gut vorbereitet. Er hat Fotos dabei, laminierte Fotos, falls sie nass werden. Auf ihnen sieht man Flussabschnitte, die zeigen, wie es früher hier im Floßgraben aussah. Der Kanufahrer im grünen T-Shirt hebt sie mahnend hoch, Männer in weißen Oberhemden schauen kurz, lächeln, weiter gehts.
Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP), Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), sein Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) und Vertreter der Nachbargemeinden, von Stadt und Land machen gerade eine kleinen Bootsausflug und fühlen sich prächtig unterhalten. Anlass ist die Fertigstellung von Kurs 1, der Wasserstraße, die die Innenstadt mit dem Cospudener See verbindet. Elf Kilometer lang ist sie, von der Schreberbrücke bis zum Zöbigker Hafen können Wassersportler nun reisen, ohne ihre Boote zu verlassen.
Fünf sogenannte Leipzig-Boote, die sich durch Elektroantrieb und einen geringen Tiefgang auszeichnen, schippern an diesem Juli-Montag den Fluss entlang, vorneweg OBM Jung, der zuvor in einer Rede von den »geschundenen Landschaften« gesprochen hat, die es hier mal gab. Dass die Landschaften jetzt blühen, davon können sich die geladenen Gäste selbst überzeugen.
Hier sehe es ja aus wie im Spreewald, zeigt sich ein Fahrgast begeistert. Alle sind angetan. Auch die Öko-Aktivisten, die dem offiziellen Tross im Laufe der Fahrt mit Kanus den Weg versperren. Einer von ihnen ruft laut: »Ihr seid der Anfang vom Ende.« »Ruhe im Auwald« steht auf ihren Transparenten, »Nein zu Wasserstraßen« und »Ja zu Paddelbooten«.
Die Menschen auf dem Motorboot verstehen die Aufregung nicht. Ihr »gewässerangepasstes« Boot sei doch ganz leise, und für richtige Motorboote sei das Floßbecken schon von Natur aus viel zu flach. Um durch die Blockade durchzukommen und die lustige Seefahrt nicht zu gefährden, schlagen Jung und Rosenthal folgenden Kompromiss vor: Sie steigen um aufs Paddelboot und paddeln mit eigener Muskelkraft weiter bis zur Schleuse Cospuden. Friede den Kanus.
Auch auf den hinteren Bänken wird nicht mehr gebrüllt. Grünen-Vorstand Jürgen Kasek erklärt von seinem Kanu aus, dass er für naturnahen Tourismus sei und die Blockade eine symbolische Aktion, um für das Thema zu sensibilisieren. Angela Zábojník vom Amt für Stadtgrün und Gewässer rechnet vor, dass die Stadt, wenn sie wollte, was sie ja aber gar nicht wolle, an einem ganzen Tag höchstens 60 Motorboote durch das Gewässer schleusen könnte. Denn die neuen elektronischen Schleusen brauchen eine Viertelstunde für einen Durchgang. »Bitte warten«, leuchtet die rote Anzeige.
Der Mann im grünen T-Shirt will nicht mehr warten. Er packt seine Fotos wieder ein und ruft noch was vom Eisvogel. Der lebte hier nämlich früher einmal.
Fotos von der Einweihung der Wasserstraße hier.