Eine Rockband fällt über eine Kleinstadt her, Santigold tanzt mit einem Pferd und die Gummistiefel hätte man lieber nicht zu Hause lassen sollen. Das MS Dockville-Festival in Hamburg bot ein abwechslungsreiches Musikprogramm zwischen Hiphop, Punkpop und den Hits von heute. Aber am bemerkenswerten war der Schlamm (außer für Casper).
Man ist ja wirklich gewillt, nicht mehr übers Wetter zu reden. Es einfach gut sein zu lassen, sich zu fügen, Rudi Carrell die Frage zu überlassen, wann es denn endlich mal wieder richtig Sommer wird und der SPD die alleinige Schuld zu geben. Aber dann kommt das nächste Ding. Denn man kann nicht über das Dockville schreiben, ohne über Matsch zu reden. Das ganze Gelände eine einzige Matschepampe.
Wegen des Matsches hat man Andreas Dorau verpasst, wegen des Matsches konnte man sich nicht auf Kakkmaddafakka konzentrieren, weil vor einem ständig Leute umfielen, deren Gummsistiefel im Schlamm stecken blieben, während andere, die die Schuhe retten wollten, gleich hinterher fielen, was tatsächlich noch lustiger war als die mitreißende Show der Norweger. Der Schlamm war auch schuld, dass am Freitag gleich das ganze Maschinenhaus-Zelt samt Programm geschlossen wurde, so dass niemand mehr wusste, wer wann wo spielt. Und tanzen geht auch nicht, wo man schon nicht laufen kann.
Und am Sonntag Regen. »Wieso tun sich Leute das an? Nur für Musik?«, fragt Charlie Fink von Folkrock-Band Noah And The Whale begeistert, beeindruckt. Vor der Hauptbühne haben sich tausende Menschen mit Regenjacken und Gummistiefeln versammelt, um die Londoner zu sehen. Und plötzlich, kurz nach dem ersten Lied hört der Regen auf, »The blue skies«, da sind sie. Als die Sonne dann auch noch durch die Wolken platzt, spontaner Applaus.
Die Sonne, sie scheint sogar den ganzen Samstag. Zum Beispiel der Band Huah! direkt ins Geicht. Huah!? Ja, diese Verrückten aus den Achtzigern - mit Knarf Rellöm und Bernadette La Hengst –, die sich Anfang der Neunziger auflösten und plötzlich wieder da sind. Am meisten freuen sie sich darüber scheinbar selber, liefern ein gutgelaunte, nahezu alberne Show mit den altbekannten und programmatischen Titeln »Eine Rockband fällt über eine Kleinstadt her« oder »Ich möchte ein Mädchen kennen lernen«.
Etwas ernster nimmt sich dagegen der neue Hiphopheld Casper. »Dieses Lied bedeutet mir am meisten, bitte hört einfach zu, bloß nicht klatschen«, ermahnt er die Zuhörer vor dem Song für einen guten Freund, der sich umbrachte. Aber dann ist auch bei ihm Festivalspaß angesagt. »Alle Hände, ALLE Hände« will er sehen und sieht sie auch. Einen Tipp hat er auch noch, denn der Matsch sei nicht das schlimmste, er habe nämlich Durchfall: »Ich sag’ essen, ihr sagt’ nein. Ich sag’ trinken, ihr sagt ja« und alle brüllen mit: Trinken ja!
Betrunken dann ab zu den Goldenen Zitronen. Schön zu sehen, dass die tatsächlich noch ein paar Hamburger Jungs schocken können, die eher wegen des Tequila-Stands als wegen des musikalischen Programms da sind. »Das ist ja entsetzlich. Was soll das?«, fragen sie. Problem, Problem. Schorsch Kamerun philosophiert über Hamburg, sein Bandkollege empfiehlt, gegen eine Tankstelle zu protestieren. Das sei mal was anderes. Neue Positionen. Und kultig sei das, alles total kultig, wiederholt Kamerun immer wieder in seinem langen bunt gemusterten Umhang. »Ich werde nicht an mir scheitern, sondern an euch.«
Eine Lady zum Abendabschluss. Santigold fährt alles auf, was ein guter Auftritt braucht. Tänzerinnen, die Spagat können, ein Pferd auf der Bühne und Hits. Wenn der Boden nicht nachgeben würde, man würde tanzen.
Ein Glück, dass man hier nicht zelten muss, Großstadtnähe sei Dank. Unmut herrscht bei einigen über teilweise zu leise Lautstärke, über die Klo-Situation, über die Informationspolitik, über die Enge des Geländes, das im Laufe der Jahre auf Grund des ausufernden Hafens immer kleiner wird. Und doch, die Stimmung könnte schlechter sein. Irgendwann ist alles egal. Spätestens am Sonntag Abend, als The Pains Of Being Pure At Heart frohgelaunt die Bühne in Plastiktüten um die Schuhe betreten, es zeitgleich wie aus Eimern schüttet und alle, die bis hier durchgehalten haben, mit einem Lachen in den nassen Gesichtern dem Indiepop der New Yorker applaudieren. Manchmal muss man sich dem Wetter einfach fügen.