»Wann steigt endlich meine Miete« steht auf dem Transparent, das in der Brüderstraße hängt. Die vielbeschworene Gentrifizierung hat in Leipzig nun ihr neues praktisches Beispiel. In den Häusern der Windmühlenstraße, der Grunewaldstraße und der Brüderstraße herrscht Aufruhr, da nach dem Wechsel des Eigentümers die Zukunft des Kiezes und seiner Bewohner unklar scheint. So wurde beispielsweise dem Tschau Tschüssi gekündigt, der Bau eines Discounters ist geplant.
Dass die Gebäude teilweise sanierungsbedürftig sind, ist auch ihren Bewohnern klar. Doch sie wollen bei der Gestaltung ihrer Häuser mitbestimmen, befürchten nicht nur teurere Mieten, die sie sich nicht mehr leisten können. Ein Herzstück ist der Innenhof, der sich zum Treffpunkt der Mieter entwickelt hat. »Die geplante Verkleinerung der gemeinschaftlich nutzbaren Flächen und das Fällen von Bäumen, um mehr Stellflächen für Autos zu schaffen, halten wir für unverhältnismäßig«, heißt es in einem Brief an den neuen Eigentümer, die Grundstücksverwaltungsgesellschaft Abdo Assman GbR, den 83 Mieter unterschrieben haben und der weitere Wünsche wie die Erhaltung des Atelierhauses Frühauf oder der kleinteiligen Ladenstruktur beinhaltet.
Für ihren Protest und die Vermittlung ihrer Bedürfnisse haben die Privatmieter im Oktober die Interesengemeinschaft Windmühlenstraße gegründet, um gezielter zu informieren und konstruktive Aktionen zu planen. So gab es am letzten Wochenende ein Hoffest und die Finissage der Ausstellung »Hausbesuch«, in der die Bewohner des Kleinkiezes in künstlerischen Porträts gezeigt wurden.
Künstlerisch tätig sind nämlich viele, die hier wohnen, was das Thema so brisant macht, dass sich nun auch die Politik damit beschäftigt. Der Gebäudekomplex Windmühlenstraße bilde im Herzen der Stadt einen kostbaren Lebensraum und mit dem Künstlerhaus FrühAuf zusammen eine Nische der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Stadt, die es zu erhalten gelte, erklärten die Grünen. »Vor diesem Hintergrund fordern wir den neuen Eigentümer dazu auf, die vorgetragenen Belange der Interessengemeinschaft ernst zu nehmen«, sagte Jürgen Kasek, Vorstandssprecher des Kreisverbandes. »Die Kündigung des Ladengeschäfts Tschau Tschüssi ist nicht nachvollziehbar ebenso wie die Argumentationslinie des Eigentümers.«
Der Vermieter, die Grundstücksverwaltungsgesellschaft Abdo Assman GbR hat in einem offenen Brief zwar erklärt, Kündigungen nicht rechtfertigen zu müssen. »Diese werden nicht willkürlich ausgesprochen. Der, der sie bekommt, kennt in der Regel die Gründe.« Er werde keine weiteren Stellungsnahmen zu diesem Thema geben. In einer zwei Monate vorher herausgebrachten Mieterzeitung war das Tschau Tschüssi allerdings noch als »Kultmieter« hervorgehoben worden.
Allerdings hat Assmann betont, »immer« für Gespräche zur Verfügung zu stehen. So soll es nächste Woche ein Gespräch mit Bewohnern, Stadt und Besitzer geben. Vielleicht wird darin auch die Frage geklärt, wann die Miete steigt.