Östlich von Taucha soll eine vierspurige Straße durch die naturgeschützte Landschaft führen. Dabei war ein Kompromiss schon gefunden.
»Habt ihr doch in Stuttgart gesehen, dass das nichts bringt«, ruft ein älterer Herr in Sehlis den jungen Leuten zu, die ihr Auto mit Protestplakaten gegen den Ausbau der Bundesstraße 87 zur vierspurigen B 87n dekoriert haben. Er hat aufgegeben – wie so viele Bewohner in dem Ort östlich von Taucha. Langsam zweifeln sie hier an Demokratie und Rechtsstaat. Wegen einer Straße. Denn dass die B 87n die naturgeschützte Endmoränenlandschaft Parthenaue quert, war doch längst vom Tisch – nach jahrelangem Ringen um einen Kompromiss und nachdem 4.000 Bürger gegen den Bau unterschrieben hatten. Es gab eine Einigung, die Route über eine ausgebaute B 2 zu führen.
Doch das sächsische Innenministerium intervenierte und genehmigte die weitere Planung nur unter der Voraussetzung, dass die B 87n nun doch zwischen Taucha und Panitzsch und damit direkt durch die geschützte Landschaft verlaufen darf. Dem stimmte überraschend auch der Regionale Planungsverband Westsachsen (RPV) zu, der sich zunächst einstimmig gegen den Bau der »Südtrasse« genannten Route ausgesprochen hatte. »Der RPV hat so de facto seine ursprüngliche, fachlich qualifiziert begründete Entscheidung widerrufen – was die gesamte vorherige öffentliche Beteiligung und deren Abwägung konterkariert«, beschwerte sich daraufhin die Bürgerinitiative Alternative B 87. Aber warum dieser Sinneswandel? Weil ein kompletter Straßenneubau mehr Geld für Bauunternehmen bringt? Weil das Paunsdorf-Center dann besser ans Umland angebunden wäre? Als Prestigeprojekt? »Wir können nur spekulieren, aber ich sehe keine vernünftigen Interessen«, sagt Jan-Felix Thon, der erst vor einigen Monaten in eine Kommune nach Sehlis gezogen ist. »Damals wurde uns noch gesagt, dass die Südtrasse ausgeschlossen ist.« Jetzt sieht genau diese Variante eine vierspurige Straße durch seinen Gemüsegarten hinterm Haus vor. Er, seine Mitbewohner und Nachbarn rufen daher erneut zu Protest auf. Ihre bislang größte Aktion bereiten sie für den 19. Januar vor. Dann wollen sie mit Traktoren und einer Samba-Band vom Augustusplatz zur Landesdirektion Leipzig ziehen. Ihr Motto: »Jetzt den Betonköpfen die Asphaltbrillen abnehmen!«