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Filmkritik

Familie und andere Angelegenheiten

Männer in Lebenskrisen, unfreiwillige Actionhelden und Oscar-Aspiranten – im Kinosaal geht es heute in die Vollen

  Familie und andere Angelegenheiten | Männer in Lebenskrisen, unfreiwillige Actionhelden und Oscar-Aspiranten – im Kinosaal geht es heute in die Vollen

Wer dieses Jahr bei der Oscar-Verleihung mitreden möchte, sollte sich den heutigen Kinodonnerstag rot im Kalender markieren: Immerhin gilt der in den Passage Kinos startende französische Stummfilm »The Artist« als einer der Favoriten im Rennen um den begehrten Filmpreis. Die Tragikomödie »The Descendants« mit George Clooney in der Hauptrolle fiebert ebenso in einigen Hauptkategorien um die Trophäe.

Es ist jedes Jahr ein wenig aufregend: Die Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen. In diesem Jahr sind aus Leipziger Sicht besonders die Nominierungen in der Kategorie »Bester nicht-englischsprachiger Film« interessant. Wie am Dienstag die Academy verkündete, ist auch das historische Drama »In Darkness« von Agnieszka Holland (siehe kreuzer 02/2012) in dieser Kategorie nominiert. Der Film der polnischen Regisseurin und Drehbuchautorin wurde zu großen Teilen im Frühjahr 2010 in der Messestadt gedreht. Dafür wurde das Ghetto von Lvov (Lemberg) im Osten der Stadt um die Eisenbahnstraße herum nachgebaut. Im Mittelpunkt von »In Darkness« steht eine Gruppe jüdischer Ghettobewohner, die sich in den letzten Kriegsjahren in der Kanalisation von Lemberg versteckt hält. Der Oscar-Anwärter startet allerdings erst am 9. Februar. Immerhin noch rechtzeitig, um die Daumen bei der Verleihung der Goldjungen am 26. Februar aus Überzeugung zu drücken.

Regisseur Alexander Payne hat bewiesenermaßen ein Händchen für verstörte wie komische Männerfiguren. Sein neuester Fall: Matt King. Nach einem Speedboat-Unfall liegt dessen Frau im Koma und King muss sich fortan alleine um die beiden Töchter kümmern. Doch die altkluge zehnjährige Scottie (Amara Miller) und die rebellische 17-jährige Alexandra (Shailene Woodley) machen es ihm alles andere als leicht, hat er die Kindererziehung doch seit Jahren seiner Frau überlassen. Erschwerend kommt hinzu, dass Matt treuhändisch den Grundbesitz seiner Familie verwaltet, die hawaiianische Wurzeln hat. Das unberührte Stück Land am Meer soll in Kürze an Investoren verkauft werden und Matt und seinen Cousins einen Geldsegen bescheren. Doch Matt zögert. Und als sei das nicht ohnehin schon genug, eröffnet ihm Alexandra, dass seine Frau einen Anderen hatte. Sieben Jahre hat sich Regisseur und Autor Alexander Payne nach »Sideways« Zeit gelassen für seinen neuen Film. Auch in »The Descendants« rückt Payne eine für seine Geschichten typische Figur in den Mittelpunkt: einen Mann in einer Lebenskrise. Nach Paul Giamatti als depressiver, verhinderter Schriftsteller in »Sideways« (2004) und Jack Nicholson als zwanghaft veranlagter und perspektivloser Versicherungsangestellter in »About Schmidt« (2002) gibt nun George Clooney den zurückgelassenen Familienvater. Basierend auf dem Debütroman der hawaiianischen Autorin Kaui Hart Hemmings hat Payne einen sensiblen wie mitreißenden Film geschaffen, in dem er seinen Helden Matt King auf eine Reise voller absurder Begebenheiten schickt und das Konstrukt Familie ordentlich durchrüttelt. Der Film wurde in fünf Kategorien für den Oscar nominiert und ist ab heute in den Passage Kinos und im CineStar zu sehen.

Das gleiche Thema und doch auf ganz andere Weise reißt Pia Strietmann in ihrem Spielfilmdebüt »Tage, die bleiben« an. Nach dem Tod der Mutter verliert eine ohnehin schon zerbrochene Familie endgültig den Halt. Am frühen Abend ist scheinbar noch alles in Ordnung. Andrea Dewenter (Lena Stolze) erhält für ihren ersten Roman eine Auszeichnung. Kurz danach stirbt sie bei einem Autounfall. Ehemann und Kinder bleiben ratlos zurück. Während Andreas Mann Christian (Götz Schubert) fremd geht, hat sich Sohn Lars (Max Riemelt) aus dem Münsterland nach Berlin abgeseilt, um sich als wenig erfolgreicher Schauspieler durchzuschlagen. Und die pubertierende Tochter Elaine (Mathilde Bundschuh) hält Distanz zu den anderen Familienmitgliedern. Zum ersten Mal sind die drei gezwungen, gemeinsam als Familie zu handeln. Der Münsteranerin Pia Strietmann ist mit ihrer Geschichte über eine gewöhnlichen Familie, deren Leben aufgrund eines tragischen Einschnitts aus den Fugen gerät, ein einfühlsamer wie zurückhaltender Film gelungen, der ohne Kitsch und Pathos vor allem glaubwürdig ist. Wer Lust auf junges, deutsches Kino hat, sollte sich auf den Weg in die Schauburg machen. Dort sind heute auch Pia Strietmann und Hauptdarsteller Götz Schubert zu Gast.

Des Weiteren zeigen das CineStar und die Passage Kinos den Oscar-Favoriten »The Artist« (Besprechung siehe kreuzer 01/2012), einem wunderbar inszenierten schwarz-weißen Stummfilm von Michel Hazanavicius über einen fallenden Mega-Star der Stummfilmära. Auch wenn Nicolas Winding Refns Film »Drive« mit nur einer Nominierung in der Kategorie Sound-Design zu den Verlierern der diesjährigen Verleihung zählt, geht es äußerst rasant in dem Streifen mit Ryan Gosling als unfreiwilliger Actionheld zu. Unser Autor Martin Schwickert hat den Film mit großer Begeisterung gesehen.

Weitere Filme finden Sie hier. Viel Spaß im Kino!


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1 Kommentar(e)

The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten 02.02.2012 | um 04:50 Uhr

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