Am Donnerstag beginnen die 62. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Die diesjährige Berlinale steht ganz im Zeichen der gesellschaftlichen Auf- und Umbrüche. Morgen Abend wird sich der Vorhang im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz zum ersten Mal heben. Zur Eröffnung zeigt das Festival den Kostümfilm »Leb wohl, meine Königin« von Benoît Jacquot über die ersten Tage der Französischen Revolution.
»Es war in diesem Jahr nicht schwierig, einen roten Faden im Programm zu bestimmen«, sagte Festivaldirektor Dieter Kosslick bei einer Pressekonferenz zum diesjährigen Programm Ende Januar. »Das Thema ist eindeutig und zwar nicht nur im Wettbewerb vertreten, sondern auch in den anderen Sektionen. Es spiegelt teilweise wider, was in der Welt gerade passiert: nämlich Aufbrüche und Umbrüche. Es verändert sich etwas.« Auch im Eröffnungsfilm »Leb wohl, meine Königin« des französischen Filmemachers Benoît Jacquot geht es genau darum: Der Film geht über zweihundert Jahre zurück ins Jahr 1789, als sich einer der wichtigsten gesellschaftlichen Umbrüche der Vergangenheit vollzog. Aus der Sicht der Dienerschaft in Versailles schildert Jacquot die ersten Tage der Französischen Revolution. Der Kostümschinken eröffnet nicht nur die 62. Berlinale, sondern auch den diesjährigen Wettbewerb. Bis zum 19. Februar konkurrieren darin 18 Filme, alles Weltpremieren, um die Goldenen und Silbernen Bären. Wie etwa der neue Film des philippinischen Regisseurs Brillante Mendoza. In »Captive« spielt Isabelle Hubert eine von der Terroristengruppe Abu Sayaf gekidnappte Entwicklungshelferin. Ebenso Premiere im Wettbewerb feiert der Film des ungarischen Enfant terrible Bence Fliegauf »Just the Wind«. Fliegaufs Arbeit erzählt von den Repressalien, denen Roma-Familien in Ungarn ausgesetzt sind. Ganz aus der Perspektive einer betroffenen Familie zeigt Fliegauf Gewaltübergriffe, schildert tiefsitzende Ängsten vor rassistischem Terror und zeigt das Alleingelassensein in einer großen Menge. Die Angst der Protagonisten wird geradezu spürbar für die Zuschauer. Das sei eine große Tendenz in den Filme des diesjährigen Programms. »Viele Filme erzählen ganz aus der Perspektive der Betroffenen«, resümmiert Festivalleiter Kosslick.
Christian Petzold und Charlotte Gainsbourg
Im Wettbewerb finden sich gleich drei deutsche Beiträge: In »Barbara« von Christian Petzold wird die Geschichte einer Ärztin in der DDR erzählt, die 1980 einen Ausreiseantrag stellt und dann in die Provinz abgeschoben wird. »Was bleibt« von Hans-Christian Schmid schildert den Zusammenbruch einer Familie. Matthias Glasner inszeniert in seinem Wettbewerbsbeitrag »Gnade« ein deutsches Paar, das nach Norwegen auswandert, um dort einen Neuanfang zu wagen. Glasner hatte vor einigen Jahren mit seinem Drama »Der freie Wille« über einen Vergewaltiger für zahlreiche Diskussionen gesorgt.
Über die Vergabe der diesjährigen Bären entscheidet eine hochkarätig besetzte internationale Jury. Um den Jury-Präsidenten, der britische Regisseur Mike Leigh (»Happy-Go-Lucky«, 2008), versammeln sich der niederländische Fotograf und Filmemacher Anton Corbijn, die französisch-britische Schauspielerin Charlotte Gainsbourg, der amerikanische Schauspieler Jake Gyllenhaal, der letztjährige Goldene Bären-Gewinner Asghar Farhadi, der französische Regisseur François Ozon, der algerische Schriftsteller Boualem Sansal sowie die Schauspielerin Barbara Sukowa.
Stelldichein der Stars
Der Ehrenbär des Festivals geht in diesem Jahr an die Schauspielerin Meryl Streep, die zugleich ihren neuen Film »Die eiserne Lady« präsentiert, der am 1. März in den deutschen Kinos startet. »Meryl Streep ist die Frau, die den Rekord als meist nominierte Schauspielerin aller Zeiten weltweit hält. 16 Oscarnominierungen und zwei Oscars, acht Golden Globes und weitere 18 Mal wurde sie nominiert«, erzählt Dieter Kosslick begeistert.
Natürlich hält die Berlinale auch in den weiteren Sektionen fernab des Wettbewerbs großartige Filme von etablierten Filmemachern aber auch von weniger bekannten Regisseuren bereit und zeigt zahlreiche Erstlingswerke. Das Programm finden Sie hier. Übrigens: Es werden zahlreiche nationale und internationale Stars in Berlin erwartet. Nicht nur Keanu Reeves, Meryl Streep und Angelina Jolie (mit eigenem Film im Berlinale Special) geben sich ihr Stelldichein. Auch Vampirschnauze Edward, also Robert Pattinson wird dieser Tage um den Fernsehturm schleichen und seinen neuen Film »Bel Ami« präsentieren.
Vielleicht (noch?) kein Star, aber aus Leipzigsicht interessant, ist der Beitrag des hiesigen Dramturgiestudenten Julian Pörksen. Sein Film »Sometimes we sit and think and sometimes we just sit« läuft in der Sektion Perspektive Deutsches Kino.
Eine Reise nach Berlin ist das Filmfest dieser Tage also allemal wert. Aber nicht vergessen: Kinokarte sichern. Das Onlinekontigent ist bei zahlreichen Filmvorführung längst aufgebraucht. Da heißt es Schlangestehen an den Kinokassen.