»Fischsuppe« heißt das neue Album von Funny Dannen. Darauf singt er von Unterhosentattoos, von bemalten Wildschweinschädeln oder Probleme beim Spiel »Ich fühle was, was du nicht fühlst«. Im kreuzer-Interview erzählt der 54-jährige Liedermacher, wie er auf diese Ideen kommt und warum er gar keine Lust hat, auf Tour zu gehen.
kreuzer: Bei deinem letzten Konzert in Leipzig flog zum Song »Okapiposter« ein Poster dieses seltenen Tieres auf die Bühne...
FUNNY VAN DANNEN: Das war sogar vom Leipziger Zoo, oder?
kreuzer: Ja. Was macht man damit?
VAN DANNEN: Das hebe ich alle auf. Ich habe auch Okapi-Gummifiguren, die stehen auf der Fensterbank meines Ateliers hinter drei asiatischen Actionfiguren.
kreuzer: Inzwischen werden Lieder von dir in der Schule durch genommen oder Studenten schreiben darüber. Wunderst du dich da, wie andere deine Texte verstehen?
VAN DANNEN: Selten. Zu »Schilddrüsenunterfunktion« bekomme ich manchmal böse Mails, ob ich nicht wisse, wie schlimm diese Krankheit sein kann. Aber ich kriege auch viele schöne Rückmeldungen. Eine Mutter, die zwei sprachlich zurückgebliebene Kinder hatte, schrieb mir, dass meine Musik bei ihr liefen und plötzlich die Kinder auf der Matte saßen und »Menschenverachtende Untergrundmusik« sangen. Das waren die ersten Sätze, die sie gesprochen haben. Sehr rührend.
kreuzer: Wie kommst du auf die Ideen deiner Lieder?
VAN DANNEN: »Beim Machen«, sagt Karl Lagerfeld.
kreuzer: Setzt du dich also morgens um neun hin und sagst: So, jetzt mache ich mal ein Lied...?
VAN DANNEN: Ja, manchmal fällt mir dann was ein, manchmal nicht. Ein Lied wie »Fischsuppe« ist aber genau so entstanden, wie es geschrieben wurde: Bei einer Fischsuppe, die nicht schmeckt. Und manchmal fällt einem einfach so ein Wort oder Satz auf und dann braut sich da innerlich was zusammen.
kreuzer: Du personalisierst oft Dinge und Gegenstände in deinen Songs. Überlegst du manchmal, was diese Kaffeetasse hier oder der Stuhl da drüben denken würden?
VAN DANNEN: Die Dinge sind erweitertes Personal. Und manchmal finde ich sie interessanter als reale Menschen. Schau, der Stuhl sieht doch schon fast aus wie ein Mensch, einfach weil er nach den Menschen geformt wurde. Aber ich habe schon als Kind überall Gesichter gesehen. Gott ist in allen Dingen.
kreuzer: Glaubst du an Gott?
VAN DANNEN: Nee.
kreuzer: Aber er kommt oft in deinen Lieder vor.
VAN DANNEN: Ja, Gott ist immer eine dankbare Figur und für einen Gag gut. Das hat aber keine religiösen Gründe.
kreuzer: Deine Lieder sind meistens Alltagsbeobachtungen...
VAN DANNEN: Wenn es sich ergibt, sind die auch politisch. Es gibt ja immer Vorkommnisse, die man kommentieren kann. Jetzt zum Beispiel die Nazi-Mörder oder Wulff. Aber das ist mir zu vergänglich, in ein paar Monaten interessiert's schon wieder keinen. Ich versuche die Themen eher zu bündeln, wie in dem Lied »Saharasand«, in dem ich das politische und das klimatische Klima in einem Lied zusammenpacke und die Frage stelle, was dringlicher ist: Nazitriebe bei der Polizei oder die Klimaerwärmung? Über die wird ja viel berichtet, aber die Nazischeiße, die seit Jahrzehnten schon abläuft, steht nicht so im Fokus der Medien und scheinbar auch nicht der Politiker.
kreuzer: Würdest du dafür auch auf politisch motivierten Festivals spielen?
VAN DANNEN: Nee, grundsätzlich nicht. Schon allein, weil ich nicht gerne auftrete. Ich bin eher ein schüchterner Mensch und gehe nur auf die Bühne, wenn ich muss.
kreuzer: Aber da du alle zwei Jahre ein neues Album herausbringst, musst du ziemlich oft.
VAN DANNEN: Ja, so sind leider die Abläufe. Und mittlerweile verdient man ja leider Gottes mit einer CD überhaupt kein Geld mehr. Also muss ich auf Tour. Aber ich mach's nicht gerne. Jeder Tag ein anderer Ort. Das sehe ich wie die Indianer: Da kommt die Seele nicht nach. Das ist natürlich ein Zwiespalt, denn ich bin sehr dankbar, dass ich immer noch ein Publikum habe und mit Singen mein Geld verdienen kann.
kreuzer: War das auch ein Grund, weswegen du, nachdem du die Lassie Singers mitgegründet hast, dort recht schnell wieder ausgestiegen bist?
VAN DANNEN: Ach, ich hätte schon gerne eine Band, aber das ist Glückssache, dass Menschen, die sich privat gut verstehen, auch musikalisch gut zusammenpassen. Bei den Lassie Singers war es noch ein bisschen anders: Wenn du drei Frauen in einer Band hast, brauchst du nicht noch einen vierten, der da mitsingt. Und ja, es war ziemlich schnell klar, dass da viel auf mich zukommt, gerade mit dem Reisen. Und damals waren die Kinder auch noch klein.
kreuzer: Wie erklärst du dir, dass du mit dem Singen viel erfolgreicher bist als mit deinen Bildern oder Büchern?
VAN DANNEN: Na ja, der Erfolg mit den Songs kam ja auch auf den letzten Drücker. Als ich die erste CD machte, war ich 37. Bis dahin habe ich gemalt. Mich mit diversen Jobs über oder vielmehr unter Wasser gehalten. Wir hatten drei, später vier Kinder, immer etwas zu essen und genug Platz zum Wohnen – aber weit unter dem Existenzminimum. Es wurde also wirklich Zeit, dass da was passiert. Aber im Prinzip ist das bis heute so geblieben. Mein Einkommen ist eine sehr wackelige Geschichte.
kreuzer: Aber du kommst schon gut über die Runden?
VAN DANNEN: Ich komme über die Runden, aber das war's dann auch. Wenn mir jetzt plötzlich nichts mehr einfällt, könnte ich vielleicht noch mit den alten Sachen ein paar Mal durch die Landen touren, aber das ist ja auch kein gutes Gefühl, wenn du nur noch aus der Konserve lebst. Ich will nicht klagen, aber ein Elektriker steht finanziell besser da als ich. Rente gibt’s für mich nicht. Und das geht anderen Künstlern, die viel berühmter sind, ähnlich. Deswegen machen ja so viele im Alter nochmal ein Comeback. Aber gut, dafür entscheidet man sich ja irgendwann. Man hat so viele Freiheiten. Aber gerade die letzten Jahre habe ich schon gedacht, wie schön es wäre, einfach nur zu malen, worauf ich Lust habe, ohne Songs zu schreiben oder auf Tour zu gehen.
kreuzer: Dafür packst du aber immer sehr viele Songs auf Deine CDs. Auf »Fischsuppe« sind es 22.
VAN DANNEN: Das finde ich so albern, wenn Leute nur zwölf Songs auf ihrer CD veröffentlichen. Mein Gott, wenn man die Musik liebt, dann macht man das doch so gerne, dass da mehr anfällt als zwölf Lieder in drei, vier Jahren.
kreuzer: Gut. Das klang ja fast schon so, als würdest du nur aus Geld-Gründen alle zwei Jahre eine neue Platte herausbringen...
VAN DANNEN: Nee, ich würde auch jedes Jahr eine Platte herausbringen oder auch zwei wie Bob Dylan, aber die Plattenfirma macht dann immer einen Rückzieher.
kreuzer: Vielleicht nicht ganz zu Unrecht, denn wenn alle paar Wochen ein neues Album herauskommt, ist es nichts Besonderes mehr und nur noch die großen Fans hören sich das an.
VAN DANNEN: Aber für die großen Fans macht man es ja. Ich kann ja nur von den Leuten reden, die mich mögen. Man muss sich ja auch nicht alle 22 Songs der Platte am Stück anhören, sondern nur die, die einem gefallen. Ich weiß, dass manche Lieder sehr speziell sind. Die gefallen vielleicht nur mir und noch einem. Wenn bei Konzerten manchmal jemand irgendeinen Song reinruft, den sonst keiner auf dem Schirm hat, weiß ich: Da ist er. Das ist doch toll, denn dem habe ich mit dem Lied eine Freude gemacht. Ich mache lieber einen Song mehr auf die Platte als einen zu wenig.
kreuzer: Geboren wurdest du in Tüddern, was damals zu den Niederlanden gehörte. Ist Deutsch überhaupt deine Muttersprache?
VAN DANNEN: Nein, sondern der Limburger Dialekt. Eine herrliche, sehr lautmalerische Sprache. Da ist etwas Französisch drin und Kölsch und Niederländisch. Ich habe erst mit zehn in der Schule angefangen, deutsch zu lernen. Deutsch ist quasi meine erste Fremdsprache. Die ersten Lieder habe ich auch in dem Dialekt gesungen, aber da ist das Publikum natürlich sehr klein.
kreuzer: Du singst in »Etwas Neues fühlen« von dem Spiel Weatherwatching. Dabei sitzt man am Fenster, schaut sich das Wetter an und trinkt Brandy. Spielst du das öfter?
VAN DANNEN: Ja.