Heute in Heavy Celeste, der Metal-Kolumne: Was haben eine Wall of Death in Löbnitz und eine KISS-Katze in Frisco, Kopftuchmetallerinnen in Kairo und ein verschlammtes Zelt in Dessau gemeinsam? Sie alle sind Teil von Jörg Brüggemanns Materialsammlung »Metalheads«, die Fotografien von Metalveranstaltung aus zig Ländern enthält. Das With-Full-Force-Festival ist ebenso enthalten wie das Metalfest, Wacken-Open-Air sowieso. Das sind bekanntere Ansichten. Aber wie – wenn überhaupt – wird die härtere musikalische Gangart in aller Welt zelebriert?
Ähnlich wie hier, lautet die zusammenfassende Antwort, blättert man den Fotoband durch. T-Shirts mit tödlichen Botschaften, lange Haare, Nieten und Tattoos haben sich als erdballumspannender (Dress-)Code für Metalfans etabliert. Das Klischee der weißen, männlichen Vorstadtjugend, die sich aus pubertärer Provokationspose höllischen Lärm antut, fällt unter Brüggemanns Bilderflut in Stücke. Es findet sich – so absurd das klingen mag – Metal als Eine-Welt-Musik dargestellt, die kulturelle Unterschiede nivelliert. Und genauso ist es ja auch: Steht man beim Festival im Mospit oder beim Konzert am Tresen, spielt es keinerlei Rolle, woher jemand kommt – von einigen trüben Tassen einmal abgesehen. Gerade erst war das beim – dünn besuchten – italienischen Grind-Geschrammel in der Stö (29.4.) zu erleben. Dabei hätten die antifaschistischen Kapellen Zeitgeist und Diorrhea besseren verdient.
Und natürlich, das steht außerhalb der Bilder, bedeutet es mancherorts etwas anderes oder mehr, Metal zu hören, als in hier in der MB das Haar zu scheddeln oder in der Halle D als Metalheadz zu schwitzen oder beim Grinden zu schuppen. Im Irak wurden in letzter Zeit Dutzende von Emos – so werden alle genannt, die sich westlichen Subkulturen von Punk bis Metal nicht verweigern – von Religiösen gesteinigt. Und im Iran blüht trotz Verbot eine kleine Untergrundszene. Dass das Metalbekenntnis hier weit mehr bedeutet als einen eigenen Musikgeschmack zu pflegen, muss man nicht extra erklären. Es ist also kein Effekt geschickten Musik-Marketings, wenn sich Menschen über alle möglichen Grenzen hinweg in den Armen liegen können, wenn Blastbeats bombasten, Gitarren schreien und irgendeine Rampensau ins Howling fällt.
Die Überbetonung von Brotherhood kann man sich schenken, auch wenn Metallerinnen noch in der Minderzahl sind. Vom Sein aufs Sollen zu schließen, ist ja dem Antichristen, Zeus oder Nebukadnezar sei Dank, kein Argument. Ein bisschen üben noch müssen wir vielleicht in Leipzig, was den zusammenhaltenden Konzi-Besuch angeht. Rund fünfzig Menschen beim Extrem-Drummers-Festival letzten Samstag (28.4.) waren nicht der Hit, im Gegensatz zu den vier aufspielenden Bands. Legten Invocation (Leipzig) als Morbid-Angel-Zitier-Maschine einen gepflegten Start hin, so waren die vefrickelten Arrangements von Delta Cepheid (Leipzig und Umland) einfach berauschend. Etwas zu gewollt brachten sich September Murder (Thale) mit zu viel Wucht ums spielerische Detail. Als Finale-Einläuter überraschten Deserted Fear (Eisenberg) mit kompakten Old-School-Death. In feinstem Eklektizismus bedienten sich bei schwedischen und US-Vorbildern und besorgten so eine herrlich komprimierte Zeitreise zu den früheren Death-Wellen. Hier hätten die von Brüggemann ins Licht gesetzte »Metalheads« wie der Bärtige aus Oakland, Butche’s Cousin aus Indonesien und die Dessauer Küssenden. So kippt das Lokale ins Globale – und vice versa.