»Nas hat abgesagt«. Dieses T-Shirt in leuchtendem Rosa konnte man nicht übersehen. Die Trägerin hatte den wohl witzigsten Spruch zum Festival drucken lassen, der sich zum Glück so nicht bewahrheitet hat. Doch zumindest die Hauptbühne war für Nas nicht angesagt…
Freitag, 6. Juli: Staus auf den wichtigen Autobahnen in Richtung Ferropolis, eine eher ungünstige Wettervorhersage fürs Wochenende – es ist wie in den Jahren zuvor. Sekunden nach dem Abholen des Pressebändchens macht es Bling, eine SMS heißt die Schreiber und Knipser willkommen – mit dem Musikprofi Stephan Velten ändert sich die Kommunikation. Der Ablauf auf den Bühnen ändert sich ebenfalls. Einige Künstler sind zu spät gekommen, Nas muss deshalb warten und auf die Nebenbühne ausweichen. Erster Höhepunkt für mich ist A$AP Rocky, der eine beeindruckende Performance hinlegt und mit Dirty South und Bass jongliert. Er wird nicht der Einzige bleiben. Das Splash-Feeling ist schnell wieder da.
Wer erst am Freitagabend angereist ist und im Stau stand, freute sich, dass Nas nicht – wie geplant – kurz nach Acht anfing. Er zündete ein Feuerwerk seiner Hits, die mittlerweile Klassiker sind (um nicht Oldies zu sagen, was sie eigentlich sind). Zugleich stellte der Mann neues Material vor, das auf dem Album enthalten ist, das kurz nach dem Splash erscheint.
Das Splash wieder ein »Platsch«? Es regnete am ersten Abend nur leicht, die 1-Euro-Capes konnten in der Tasche bleiben.
Samstag, 7.Juli: Wunderschönes Wetter am Nachmittag, nachdem Stunden vorher die Flut wütete. Chillen am Seeufer, entspannte Soulmusik in der neuen Bar im Wasser, den Sommer genießen war angesagt.
Das Festival meldete kurz vor Beginn, das es ausverkauft sei – entsprechend stark war der Andrang auf der Hauptmeile mit Fressbuden, Merchandising-Ständen und Promo-Girlies lokaler Radios. Der Spartensender ZDF Kultur zelebrierte Hiphop als Mitmachveranstaltung mit Riesen-Touchpad – statt Gebühren für Strandburgen voller Dörfler zu verschwenden, bewiesen die Verantwortlichen aus Mainz, wie mit Understatement gepunktet werden kann. Die kleine feine Bühne des – für ZDF-Verhältnisse – fein programmierten Kanals war Anziehungspunkt für viele Hobby-MCs von nebenan. Einer der jüngsten Gäste, der viereinhalb Jahre alte Damiao aus Leipzig, fühlte sich ebenfalls hingezogen – zum Gorilla, der vor dem ZDF-Stand im Kostüm schwitzte.
De La Soul, die im vorigen Jahr wegen einer peinlichen Buchungspanne nicht nach Deutschland kamen, begeisterten am frühen Abend auf der Hauptbühne viele mit ihren alten Hits, richtig voll war es aber nicht. Unverständlich, dass vom Plug1 und Plug2-Projekt nichts zu hören war. Wo wenn nicht hier hätte De La Soul die Stücke spielen sollen, die im Frühjahr veröffentlicht wurden?
Torch, einer der wenigen deutschen MCs, der diesen Titel auch verdient tragen darf, freute sich im Anschluss über die Fernsehübertragung. Er zeigte, wo der Hammer hängt, und feierte mit alten und neuen Fans im Publikum sowie Freunden und Weggefährten auf der Bühne eine richtige Blockparty.
Sonntag, 8. Juli: Die Programmplaner haben dafür gesorgt, dass vorzeitiges Abreisen unverzeihlich wäre. Dilated Peoples, Nneka, Mac Miller, Wiz Khalifa, Kraftklub, Prinz Pi – da ging noch einiges. Was nicht zusammen passte, wurde kurzerhand passend gemacht. Kraftklub und Splash – eigentlich ein Antagonismus. Doch die Wege in Chemnitz sind kurz, man kennt sich und will nicht nach Berlin – vermutlich deshalb traten die Hauptstadtverweigerer zum vierten Mal auf. Mit erfrischend gutem Indierock und witzigen Texten bewiesen die Sachsen, dass sie zu Recht Erfolg haben. Dies auch, weil sie Stimmungen des Zeitgeists punktgenau einfangen. Der Klub wurde frenetisch gefeiert, obwohl er eigentlich auf dem falschen Festival war.
Dilated Peoples gehört ohne jeden Zweifel auf eine Rapveranstaltung – die Kalifornier gaben sich routiniert und waren wie immer ein Erlebnis, allein wegen DJ Babu. Evidence präsentierte zudem aktuelles Material von »Cats & dogs«. Wie Nas mussten sie sich mit der Nebenbühne begnügen. Auf der Hauptbühne leistete Mac Miller ordentliche Arbeit. Der Newcomer, der zuvor ein mustergültiges Beispiel für das Marketing eines Debütalbums betrieben hatte, spielte wie A$AP Rocky auch mit den Beats der Booty Shaking Music. Das fiel aber nur den alten Säcken auf, die noch etwas mit der 2 Live Crew anzufangen wissen.
Die Deutsch-Nigerianerin Nneka sorgte für eine Kelle Soul, die das Durchschnittsalter bei ihrem Auftritt um mehrere Jahre in die Höhe trieb. Die Frau hat aber auch eine seltsam anmutende und berührende Stimme! Und sie zieht ihr eigenes Ding aus Soul, Reggae, Folk und Spoken Word Performance durch – wenn sie nicht so lange Monologe zwischen den Songs geführt hätte, wäre die Dramaturgie perfekt gewesen. Danach kam ein erneuter Bruch mit Prinz Pi – und andere Leute vor die Bühne …
Das Splash klang mit Wiz Khalifa aus, dessen Songs auch bei den präsentierenden Lokalradios dudeln.
Fazit: Die Macher setzten an, wo sie im Vorjahr aufgehört hatten. Wir erinnern uns: Splash 2011 war künstlerisch vielseitig, räumlich kompakt und zog mehr Besucher als 2010 an. In diesem Jahr wurde schon vorab »ausverkauft« gemeldet. Erneut spielten die berühmtesten Künstler nicht unbedingt den Schlussakkord. Die Zeiten hätten sich geändert und viele würden nicht wegen Nas kommen, sondern wegen anderer Acts, erklärte Pressesprecher Stephan Velten. Ein Booking wie Janelle Monae, mit dem die Organisatoren vor einem Jahr viel Mut bewiesen, fehlte. Auch Quakers, die wahrscheinlich DAS Genrealbum dieses Jahres produziert haben, hätten gut getan. Im Großen und Ganzen stimmte aber die Mischung der Künstler, irgendwie lag für jeden etwas auf dem Grill. Nichts gegen Kraftklub, die verdiente Altrocker von deutschen Bühnen schubsen. Aber eine leichte Drehung zu Soul und R & B würde besser zum Splash passen, auf meinem Wunschzettel stehen immer noch Rahsaan Patterson, Musiq Soulchild, Angie Stone und Anthony Hamilton. Unabhängig davon freuen wir uns schon jetzt wieder auf ein Feuerwerk im kommenden Jahr!