Zirkus ist eine Herzensangelegenheit, eine Leidenschaft, die meist schon in der Kindheit beginnt. So war es jedenfalls für die vier Leipziger, die mit Zirkomania Leipzigs erstes Zirkusfestival angeschoben haben. Und zwar mit einer solchen Begeisterung, dass sie damit kein Jahr länger warten wollten, obwohl sie noch viele Unterstützer brauchten, um das Projekt wirklich finanziell wie organisatorisch stemmen zu können.
Freitag früh, es regnet. Unerschrocken und mit der vereinten Kraft vieler Helfer wird das Zelt aufgebaut. Immer noch ist nicht gewiss, ob überhaupt genug Geld über die Crowdfunding-Plattform Visionbakery zusammengekommen ist. Und dann die befreiende Nachricht: Die Finanzierung steht – womit die Aufbauten dem Begeisterungssturm beinahe zum Opfer fallen. Doch auch sie bleiben stehen.
Löwenbändiger und Hula-Hoop
Kaum ist die Wiese freigegeben, strömen Interessierte und Begeisterte mit Kind und Kegel herbei. Auch Peter Schouren war als Kind vom Zirkus fasziniert und hat mit Freunden für zehn Pfennig Eintritt eigene kleine Vorstellungen gegeben. Am Sonntagnachmittag ist er mit seinen Kindern Paul (7) und Rosa (4) da. Paul versucht sich gerade am Vertikaltuch, das von der mit Sternen verzierten Zirkuskuppel herabhängt. Gar nicht so einfach, die richtige Technik herauszubekommen, mit der man am Tuch hinaufklettern kann. Doch Paul hat es schon ganz gut drauf. Seine Schwester Rosa findet es gerade spannender, anderen Kindern nachzulaufen.
Blau und rot gestreift leuchtet das Zelt auf der Wiese an der Industriestraße gegenüber der Konsumzentrale. Ein Zirkuswagen, der offenbar einmal Herkules dem Löwenbändiger gehört hat, steht dort, ein weiterer Wagen als Infozentrale und ein kleineres Zelt fürs Kinderschminken und zum Ausruhen, das außerdem die Bar beherbergt. Fürs leibliche Wohl ist mit Hanflingen süß und salzig sowie diversen Brausen und Kaffee gesorgt. Zwischendrin die Wiese mit großem und kleinem Volk, jeder Menge Jonglage, Hula-Hoop und riesigen Bällen zum Balancieren. Schon die Kleinsten erkunden eifrig die herumliegenden Gerätschaften, auch Vater Schouren erprobt noch mal seine Jonglierkünste und lässt einen roten Teller auf einem Stab rotieren.
Burlesque-Show und Knall-Theater
Das neuntägige Festival bietet in der Woche vom 27. August bis 1. September nicht nur jede Menge Abendprogramm mit Gästen wie den Lipsi Lillies und ihrer Burlesque-Show (Dienstag, 28.8.), dem Knall-Theater (Freitag, 31.8.) und zwei Bands, sondern vor allem auch Kurse für Nachwuchsartisten zwischen 8 und 14 Jahren. Vier Kursschwerpunkte gibt es: Clownerie, Hula-Hoop, Akrobatik und Jonglage. Am ersten Tag können die teilnehmenden Kinder alles ausprobieren, dann aber sollen sie sich für die Technik entscheiden, die ihnen am meisten liegt. »Wir sind ja kein Zirkus im klassischen Sinn«, erläutert Kunst- und Zirkuspädagogin Elena Kreknina, eine der vier Initiatoren des Festivals. »Wir sehen den Zirkus als kreativen Freiraum, in dem es für jedes Kind, egal mit welcher Statur, das richtige Ausdrucksmittel gibt. Aber wir möchten, dass die Kinder sich für eine Sache entscheiden und sich intensiv mit dieser Technik beschäftigen, statt ständig herumzuswitchen und alles nur oberflächlich zu machen. Wir wollen bewusst ein Gegengewicht zur Oberflächlichkeit der Konsumgesellschaft schaffen.«
Coole Hechte und schräge Vögel
Darum ist Mitmischen ausdrücklich erwünscht. Die Kurse finden täglich von 9 bis 15 Uhr statt. Danach ist die Bühne frei für alle, die Lust haben, Zirkusluft zu schnuppern und Neues auszuprobieren – auch für Erwachsene! Diese Open Stage ist allerdings beinahe schon wieder geschlossen, so groß ist der Andrang aller aufgerufenen »coolen Hechte, bunten Hunde und schrägen Vögel«, die vorführen, was sie so an Gesang, Tanz und sonstiger Unterhaltungskunst darzubieten haben. Geboten wird also in jedem Fall ein bunter Abend von Slam Poetry bis Kleinkunst und das inklusive eines veganen Essens für 5 Euro (3 Euro ermäßigt).
Eine abendliche Abschlussgala gibt es am Samstag, wenn vier junge Absolventen der Artistenschule »Die Etage« ihre Träume und Geschichten vom Fliegen, von Fernweh und vom Ankommen zeigen, sei es zirzensisch oder tänzerisch. Um 15 Uhr präsentieren dann die Nachwuchsartisten, was sie in dieser Woche erarbeitet haben.
Doch das ist alles erst der Anfang. Zirkus ist eben ein Gemeinschaftserlebnis und gemeinschaftsstiftend. Die Macher der Zirkomania träumen deshalb von einem festen Standort im Leipziger Westen, wo man von Frühjahr bis Herbst »grenzüberschreitend und die Künste vermischend« in Zusammenarbeit mit verschiedenen Medienprojekten Nachwuchstalente schulen und kreatives Potenzial wecken kann.