Alice ist Mitte 30 und Apothekerin aus Leidenschaft. Nur mit den Männern klappt es nicht so ganz, aber das ist nicht weiter schlimm. Sie hat ja Woody Allen, dessen Filme und Lebensweisheiten sie durchs Leben führen. Sophie Lellouches Regiedebüt »Paris Manhattan« ist eine charmante, herzerfrischende Hommage an ihr großes Vorbild.
Woody Allen ist überall. Gerade erst geisterte er in seinem eigenen Film »To Rome With Love« als frühpensionierter Opernproduzent durch die Ewige Stadt. Zuvor hatte Robert Weides dokumentarisches Porträt »Woody Allen: A Documentary« noch einmal den Blick für das kreative Spektrum im Lebenswerk eröffnet und nun folgt mit Sophie Lellouches »Paris Manhattan« eine liebenswerte und sehr französische Hommage an den New Yorker Regisseur. Im Zentrum steht die Apothekerin Alice (Alice Taglioni), die eine glühende Woody Allen-Verehrerin ist. Über dem Bett hängt ein großes Porträt des Filmemachers, mit dem sie sich in regelmäßiger Zwiesprache befindet. Für Alice ist der Mann mit der schwarzen Brille ein kompetenter Lebensberater und ein guter Film die beste Medizin. In der Apotheke greift sie oft statt in den Pillenschrank ins DVD-Regal. Sodbrennen – da ist Lubitsch ein bewährtes Heilmittel. Der junge Mann, der die Apotheke überfällt und die Kasse plündern will, wird mit einem Packen Videos wieder auf den rechten Weg gebracht. Wie die Charaktere in Allens Filmen tut sich natürlich auch Alice mit dem Suchen und Finden der Liebe schwer. Ihr Vater verteilt auf Partys Visitenkarten seiner Tochter an potenzielle Schwiegersöhne und auch der Rest der jüdischen Familie sorgt sich um das partnerschaftliche Wohlbefinden. Schließlich hat die ältere, brillante, intelligente Schwester Liebe, Karriere, Familie und sogar regelmäßige Pilateskurse scheinbar mühelos in ihr Leben integriert. Aber wenn man Woody Allen als Übervater hat, fällt die Wahl für den Mann des Lebens nicht leicht. Dann jedoch bekommt der Alarmanlagenbauer Victor (Patrick Bruel) Alices Visitenkarte in die Hand gedrückt und ausnahmsweise scheint die Apothekertochter mit der Vorauswahl ihres Vaters zufrieden zu sein. Aber Victor ist ein Ungläubiger in Sachen Liebe, verweigert sich den amourösen Eroberungsritualen und hat tatsächlich noch nie einen Woody-Allen-Film gesehen.
Auch wenn »Paris Manhattan« mit Zitaten des gefeierten Regisseurs in Wort und Bild nur so gespickt ist und der Mentor höchstpersönlich am Schluss sogar als Liebesfee einen Kurzauftritt hat, steht Sophie Lellouches viel versprechendes Regiedebüt auf eigenen Beinen. Nicht die blinde Liebe zum Meister treibt den Film an, sondern die Lust am spielerischen Umgang mit dessen Werken und deren Synergieeffekten auf das eigene kleine Leben. »Paris Manhattan« erfrischt das Herz nachhaltig, weil er eine narrative Leichtigkeit besitzt, in der romantische Komödie, philosophische Diskurse, skurrile Familienaufstellungen und ein Hand voll griffiger Lebensweisheiten zwanglos nebeneinander stehen können. Weniger die amourösen Verwicklungen als die liebenswert neurotischen Familienstrukturen sind das komödiantische Epizentrum dieses Films, der sich vergnügt auf den verschlungenen Wegen jüdischer Erzähl- und Humortraditionen bewegt und damit zum Seelenverwandten von Michel Leclercs »Der Name der Leute« wird. »Paris Manhattan« ist eine vollkommen unprätenziöse Liebeserklärung an das Kino und natürlich an die Filme Woody Allens. »Nur er macht uns im Lachen klüger«, sagt Alice. Hat man schon einmal ein schöneres Kompliment für einen Filmemacher gehört?