Mythische Prophezeiungen, Polizisten-Reality und Repliken auf die Stummfilmzeit versammeln sich in dieser Kinowoche um das wohl fantastischste Regiedebüt des Jahres: »Beasts Of The Southern Wild« von Benh Zeitlin. Und Jesus höchstpersönlich kümmert sich in Anbetracht der Apokalypse um die Menschen – und die Liebe!
Ihr Pelzmantel erzählt von glücklichen, unbeschwerten Tagen, doch Aurora (Laura Soveral) wohnt inzwischen in portugiesischer Plattenbautristesse und erlebt Luxus nur noch bei ihren Besuchen im Casino. Das Geld dafür ist längst verspielt. Ihre Haushälterin Santa (Isabel Cardoso), ebenfalls ein Andenken aus besseren Zeiten, bleibt lediglich aus Treue und Mitleid bei der alten Dame. Auroras Nachbarin Pilar (Teresa Madruga), deren eintöniger Alltag keinen Raum für Abenteuer lässt, lebt ihre soziale Ader an ihr aus. So kann sie Aurora, als diese im Sterben liegt, auch nicht abschlagen, nach der einzig wahren Liebe der einstigen Kolonialherrin zu suchen. Und kaum hat Pilar den stattlichen Gian Luca Ventura (Henrique Espírito Santo) ausfindig gemacht, springt der Film zurück in die poetischen Erinnerungsfantasien des Liebhabers: Aurora als Farmbesitzerin am Fuße des (fiktiven) »Mount Tabu«. In wunderschönen Schwarz-weiß-Bildern und als faszinierende Replik auf die goldene Stummfilmzeit erzählt Miguel Gomes die Geschichte einer alten, temperamentvollen Portugiesin, die ein lang gehütetes Geheimnis um eine leidenschaftliche Liebe und ein Verbrechen im kolonialen Afrika mit sich herumträgt. Eine Kritik von Hanne Biermann können Sie im aktuellen kreuzer nachlesen. Der Film ist ab dem 22. Dezember in der Cinémathèque in der naTo zu sehen.
Armut, Elend, Bandenkriege – im gefährlichsten Viertel von L.A. hat die Polizei alle Hände voll zu tun. Die beiden engagierten Streifenpolizisten Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Miguel Zavala (Michael Peña) kämpfen sich mit Knopflochkameras und Camcordern ausgestattet durch den harten Alltag in South Central – und geraten schnell ins Visier rivalisierender Drogengangs. In seinem nervenaufreibenden Cop-Thriller »End Of Watch« wirft Regisseur David Ayer (»Training Day«, 2001) jedoch keinen Blick von außen auf die Bemühungen der beiden Polizisten, die wie Helden auf verlorenem Posten durch die Gewaltwüste donnern, sondern lässt sie mit wackligen Bildern selbst davon berichten. Diese Perspektive verleiht dem Film eine ungeheure Authentizität und Intensität. »End Of Watch« läuft im Regina Palast, im CineStar und im Cineplex im Alleecenter.
Huck Finn (Leon Seidel) liebt nichts so sehr, wie unter freiem Himmel in seiner Regentonne zu leben, Fische zu fangen und sie am Lagerfeuer am Stock zu braten. Wann immer es geht, stehlen sich Tom Sawyer (Louis Hofmann) und er davon. Doch eines Tages ist es vorbei mit dem idyllischen Dorfleben und den kleinen Freiheiten. Die Fortsetzung des Abenteuers von »Tom Sawyer« nach den Geschichten von Mark Twain – »Die Abenteuer des Huck Finn« läuft in den Passage Kinos, im Regina Leipzig, im CineStar und im Cineplex im Alleecenter.
Marie (Jessica Schwarz) hat kein Glück mit den Männern. An ihrem Hochzeitstag merkt sie, dass sie ihren Bräutigam eigentlich gar nicht will, und trifft prompt auf Jeshua (Florian David Fitz), der mit dem Pfarrer Gabriel (Henry Hübchen) befreundet ist. Der junge Palästinenser sieht nicht nur gut aus, sondern ist zuvorkommend, aber auch ein klein wenig sonderbar. Marie ahnt nicht, dass es sich um Jesus höchstpersönlich handelt, der sich noch ein letztes Mal unter die Menschen begeben will, weil in wenigen Tagen das Jüngste Gericht bevorsteht. »Jesus liebt mich« heißt die schräge romantische Komödie von Florian David Fitz, der frei nach einem Roman von David Safier mit viel Witz und Ironie eine ungewöhnliche Liebesgeschichte erzählt. Fitz’ Film, der zum Publikumsliebling avancieren könnte, ist im CineStar und im Cineplex im Alleecenter zu sehen.
Beca (Anna Kendrick) lässt sich viel lieber von der Musik aus ihren Kopfhörern berieseln, als dass sie ihren Mitmenschen zuhört. Und auch die Leute an ihrem neuen College findet sie alles andere als prickelnd. Zu keiner Clique scheint sie richtig zu passen. Schließlich landet sie, nicht ganz freiwillig, in der Mädchen-Gesangsgruppe »The Bellas«. »Pitch Perfect« läuft im Regina Palast, im CineStar und im Cineplex im Alleecenter.
Und für die kleinen Kinogänger begibt sich Sammy ein weiteres Mal auf schildkrötige Pfade. Gemeinsam mit der kleinen Ray macht er sich auf die Suche nach Opa, nachdem böse Fischer diese eingefangen und verschleppt haben. »Sammys Abenteuer 2« ist im Regina Palast, im CineStar und im Cineplex im Alleecenter zu sehen.
Außenseiter und Verlierer, die sich im Sumpfdelta um New Orleans niedergelassen haben, stehen im Mittelpunkt des mitreißenden Regiedebüts von Benh Zeitlin: »Beasts Of The Southern Wild«. Unter ihnen lebt auch die sechsjährige Hushpuppy, die einen überbordenden Sinn fürs Fantastische hat. Unsere Autorin Katharina Tress ist für uns in das Universum der kleinen Hushpuppy abgetaucht. Was sie dort erlebt hat, können Sie hier nachlesen.
Filmfutter fernab der Kinostarts:
100 Jahre UT CONNEWITZ
Wenngleich die bewegten Bilder heute eher eine Nebenrolle spielen, sind es vor allem der Charme des alten Kinos im Leipziger Süden und ein beherztes Team, was viele Menschen immer wieder dorthin lockt: Das UT Connewitz feiert am 25. Dezember seinen 100. Geburtstag. 1912 wurde das Lichtspielhaus mit dem Film »Die schwarze Katze« (1912), eine »rührende Liebesgeschichte« von Viggo Larsen, eröffnet. »Der Film ist einfach nicht aufzutreiben«, sagt Thomas Noack vom Verein UT Connewitz. »Wir haben die Filmarchive in Deutschland, Stockholm und Moskau durchforstet, und das war’s.« Ehrbaren Ersatz hat das Team vom UT Connewitz in der Stummfilmhommage »The Artist« (2011) gefunden, der am ersten Weihnachtsfeiertag über die Leinwand flimmern wird.
www.ut-connewitz.de
Kurzes Filmvergnügen
Apokalyptische Prophezeiungen ranken sich um die diesjährige Wintersonnenwende. Verkündet der 21. Dezember sonst das baldige Ende der dunklen Tage, müssen wir uns in diesem Jahr zwangsläufig mit dem Gedanken plagen, dass es auf Dauer zappenduster werden könnte – zumindest wenn man den Deutungen des Maya-Kalenders Glauben schenkt. Und obwohl erst im Sommer Archäologen in Guatemala einen neuen Block mit Maya-Hieroglyphen entdeckt haben, die zwar auch auf den Dezember 2012 verweisen, aber angeblich keine Weltuntergangsstimmung verbreiten, kann man sich nicht ganz dem Sinnieren über ein baldiges Ende der Menschheit entziehen. Das haben sich wohl auch die Macher des Arte-Magazins KurzSchluss gedacht, die in diesem Jahr einen Online-Kurzfilmwettbewerb zum Thema ausgerufen haben. Unter dem Motto »21.12.12: Der kürzeste Tag« haben über 200 Hobbyfilmemacher ihre ganz eigene Interpretation der Apokalypse ins Rennen geschickt. Der Leipziger Filmemacher Marcel Schreiter, der von der Jury als einer der Gewinner auserkoren wurde und dessen Beitrag »Interference Emission – Video Art« am Freitag auf Arte laufen wird, thematisiert jedoch weniger die Apokalypse an sich. Schreiters Blick richtet sich in seiner surreal anmutenden schwarz-weißen Bildercollage auf die von Menschenhand fabrizierten Katastrophen (siehe kreuzer 12/2012).
> www.kirschbaum-pictures.de, www.wettbewerb.creative.arte.tv
In der Kürze liegt die Würze – so lautet das Motto der Kinobar Prager Frühling und auch der Passage Kinos am kürzesten Tag des Jahres, den beide Kinos ganz dem knackigen Format widmen. Während die Kinobar Prager Frühling ihren Kurzfilmabend – anlässlich der apokalyptischen Prophezeiungen – unter das Motto »Game Over – Auf den Weltuntergang« stellt und schräge wie unterhaltsame Filme vom Ende der Welt zeigt, lassen sich die Passage Kinos in »Skurriles unterm Weihnachtsbaum« mit bizarren Kurzfilmen vom vorweihnachtlichen Flair nicht abbringen.
> www.kinobar-leipzig.de, www.passage-kinos.de
Mehr Filme finden Sie auf hier und in unserer Printausgabe.
Wie immer: Gute Unterhaltung!
Wunderschöne Weihnachtsfeiertage!