Hausbesetzer, Talking Heads und Schattenspiele mit der Illegalität – die Kinostarts diese Woche sind nicht nur viele, sondern auch vielfältig und durchwachsen.
Mit gut drei Jahren Verzögerung kommt »Blank City« in die deutschen Kinos. Endlich, kann man wohl sagen, denn auf der Berlinale 2010 sorgte er sowohl bei der Fachpresse als auch beim Publikum für ausschließlich gute Stimmung. Neben dem Independent-Kino des New Hollywood entwickelte sich zeitgleich im New York der siebziger und achtziger Jahre die Undergroundbewegung des No Wave Cinema bzw. des Cinema of Transgression. Die junge französische Filmemacherin Celine Danhier war überrascht, als sie feststellte, dass offenbar vor ihr noch niemand auf die Idee gekommen ist, einen Film über die Avantgarde-Filmemacher von einst zu drehen. Mehr als vierzig Interviews hat sie geführt, neben Jim Jarmusch sind John Waters, John Lurie, Steve Buscemi und Debbie Harry sicher die noch heute bekanntesten. Danhiers Debüt ist aber weit mehr als die reine Aneinanderreihung etlicher Talking Heads geworden, da die Regisseurin Unmengen an Super 8 und anderem Filmmaterial, das friedlich auf Dachböden und in privaten Archiven überlebt hat, zu einer bunten, temporeichen Montage verdichtet hat. Nicht zuletzt begibt sich Danhier auch auf eine Zeitreise in ein vergessenes New York. »Blank City« – den vollständigen Artikel finden Sie im aktuellen Heft – läuft ab dem 1. März in der Cinémathèque in der naTo und ab dem 7. März auch im Cineding.
Im Juni 1939 besuchen zum ersten Mal in der Geschichte der König und die Königin von England, Georg VI (Samuel West) und Elizabeth (Olivia Colman), für ein Wochenende das New Yorker Anwesen des amerikanischen Präsidenten Roosevelt (Bill Murray). Europa steht kurz vor einem Krieg und die Monarchen suchen nach möglichen Allianzen. Zu Gast an diesem Wochenende ist auch die entfernte Cousine Roosevelts, Margaret Daisy Stuckley (Laura Linney), die seit Längerem eine Liaison mit dem Präsidenten unterhält. Aus ihrer Sicht schildert Regisseur Roger Michell (»Morning Glory«, 2010) in seinem Film »Hyde Park am Hudson« die Ereignisse jener Junitage. »Hyde Park am Hudson« ist eine nette Sommergeschichte mit sympathischen und gerngesehenen Darstellern. Allerdings fehlt den Figuren wie auch der Geschichte ein wenig Tiefgang. Die Ereignisse plätschern auf der Leinwand vorüber. Was bleibt, ist eine Momentaufnahme, die es den Figuren keineswegs gewährt, sich unter dem Druck des Zusammentreffens ein wenig mehr zu entfalten. Wie ein sanfter Sommerhauch weht das gemeinsame Wochenende von Roosevelt und dem König von England leider viel zu schnell wieder davon. »Hyde Park am Hudson« läuft in den Passage Kinos.
Verwandte können schon einmal nerven, erst recht wenn sie ungebeten aufkreuzen und sich dazu auch noch in den eigenen vier Wänden breitmachen – und den Absprung nicht mehr schaffen. Vor kurzem hat Josef (Burghart Klaußner) seine Frau und seinen Sohn verloren. Nun schlagen angebliche Verwandte der Verstorbenen bei Josef in der Villa auf. Angeblich wollen sie ihm Halt geben. Doch schon bald dämmert auch Josef, dass die Herbeigeeilten ganz andere, viel eigennützigere Ziele verfolgen. Die bitterböse Satire »Invasion« startet in der Schauburg.
In der zentralchinesischen Provinz Henan trainieren tagein, tagaus rund 26.000 junge Menschen in der größten Kung-Fu-Schule des Landes. Unter ihnen sind die 9-jährige Xin Chenxi und die 15-jährige Chen Xi, die weit entfernt von ihren Eltern das harte Kampftraining absolvieren und sich der strengen Disziplin und den Regeln in Shaolin Tagou unterwerfen. Was für uns nach einem kinderunwürdigem Drill klingt, ist für die beiden Mädchen der Wegweiser Richtung Zukunft, vielleicht sogar der einzig denkbare. Xin Chenxi und Chen Xi wollen bald schon zur Kung-Fu-Elite Chinas zählen. Die 17-jährige Huang Luolan dagegen ist geflüchtet aus der Kampfsportschule. »Drachenmädchen« erzählt die Geschichte der drei Mädchen und stellt eindrucksvoll ihr leistungsorientiertes Leben ihren kindlich-schönen Träumen gegenüber. »Drachenmädchen« läuft in den Passage Kinos.
Tina (Alice Lowe) kann es kaum erwarten: Der erste gemeinsame Urlaub mit ihrem neuen Freund Chris (Steve Oram) steht kurz bevor. Mit dem Wohnwagen wollen sie zu den schönsten Plätzen Großbritanniens aufbrechen. Für Tina hat die Reise noch einen angenehmen Nebeneffekt: Endlich ist sie mal ein paar Tage von ihrer herrischen Mutter befreit, die ihr das Leben zur Hölle macht. Ohne Tragödie geht es aber auch während des Urlaubs der jungen Liebenden nicht zu. Chris entpuppt sich als leicht reizbar und das hat blutige Folgen. Von einer Leiche hier und da will sich Tina aber ganz sicher nicht ihren Urlaub kaputt machen lassen! Krampfhaft sucht sie nach einer heilen Welt voller übergroßer Bleistifte und niedlicher kleiner Hunde. Endlich gibt es wieder eine bitterböse, blutige und absolut britische Komödie, die ihre Anti-Helden mit bedingungsloser Sympathie behandelt und ihnen alles durchgehen lässt. Während die Morde beinah nebenbei geschehen, entpuppt sich »Sightseers« mehr und mehr als Liebesgeschichte über zwei Menschen, die sich gegen die Widerstände von außen durchzusetzen versuchen. Nur eben auf ihre Weise. Die ganze Besprechung von Hanne Biermann können Sie im aktuellen kreuzer nachlesen. »Sightseers« läuft in den Passage Kinos.
»The Crime« ist ein Reboot der Siebziger-Jahre-Kultserie »The Sweeney« (zu Deutsch: »Die Füchse«) für die Kinoleinwand, in dem es um ein Sondereinsatzkommando von Scotland Yard geht. Wer zu dieser Spezialeinheit zählt, ist ein Ausputzer. Sie werden gerufen für die ganz harten Fälle, weil sie selbst zu den ganz Harten zählen. Ihr Einsatz ist immer ein Schattenspiel mit der Illegalität. Ihre Existenzberechtigung wird von der Obrigkeit in Frage gestellt. Das ist auch die Ausgangssituation für den Kinofilm »The Crime«. Ray Winstone als raubeiniger und grobschlächtiger Anführer Jack Regan ist dem Leiter der Abteilung »Interne Ermittlungen« ein Dorn im Auge. Nicht nur ob der gewalttätigen Vorgehensweise, sondern vor allem auch, weil Jack mit dessen Frau schläft. Die Situation eskaliert, als eine serbische Verbrecherbande Jack ganz offiziell den Krieg erklärt. »The Crime« ist – und das ist hier ausnahmsweise kein filmischer Todesstoß – ein altmodischer, aber kein angestaubter Polizeifilm. Er ist gewalttätig, aber keine ausgelebte Machofantasie eines alternden Regisseurs. Es ist einfach raue Kinounterhaltung mit einem Hang zur Nostalgie. Die ganze Kritik von Anna Wollner finden Sie im aktuellen kreuzer. Zu sehen ist »The Crime« im Regina Palast.
Der Dokumentarfilm »Gold – Du kannst mehr, als Du denkst« widmet sich drei außergewöhnlichen Sportlern: dem blinden Marathonläufer Henry Wanyoike aus Kenia, der querschnittsgelähmten Schwimmerin Kirsten Bruhn aus Deutschland und dem australischen Rennrollstuhlfahrer Kurt Fearnley. Der Film begleitet die drei nicht nur bei ihren Vorbereitungen auf die Londoner Paralympics 2012, sondern zeigt darüber hinaus, wie sie ihren Alltag meistern – und verfolgt damit ein ehrgeiziges Ziel, nämlich auch beim Zuschauer diesen Ehrgeiz und verschollene Träume zu erwecken. »Gold – Du kannst mehr, als Du denkst« läuft im CineStar.
Es gab bereits im Vorfeld viele Diskussionen um die Verfilmung von Natascha Kampuschs Schicksal. Nun, da der Kinostart offiziell vor der Tür steht, liefert deren Vater schnell weiteren Zündstoff, damit der Gesprächsstoff nicht ausgeht, und behauptet einfach mal, seine Tochter habe Blödsinn erzählt. Selten wurde das schwere Schicksal eines jungen Mädchens, einer jungen Frau derart in den Medien ausgeschlachtet. Sherry Hormann (»Die Wüstenblume«, 2009) hat nun Kampuschs Geschichte mit Amelia Pigdeon als Natascha und Thure Lindhardt als ihrem Peiniger Priklopil fürs Kino aufbereitet. »3096 Tage« läuft im Regina Palast, im CineStar und im Cineplex im Alleecenter.
Als Kampfmaschinen und mit ordentlich Schuss ausgestattet kehren Hänsel (Jeremy Renner) und Gretel (Gemma Arterton) viele Jahre, nachdem sie dem Pfefferkuchenhaus entflohen sind, als rachsüchtige und weit bekannte Kopfgeldjäger aus der Versenkung zurück. Abgesehen haben sie es, wie soll es anders sein, auf Hexen – und lernen schnell, dass nicht jede Hexe gleich böse ist. Der Bürgermeister von Augsburg heuert sie eines Tages an, um die finstere Muriel (Famke Janssen) zur Strecke zu bringen. Es spritzt viel Blut, es rollen Köpfe, und Hänsel und Gretel haben, wann immer es möglich ist, einen lockeren Spruch auf der Lippe. Wer Lust auf kurzweilige Unterhaltung hat: »Hänsel & Gretel – Hexenjäger« läuft im Regina Palast und im Cineplex im Alleecenter.
Erziehung ist so eine Sache. Jeder hat seine ganz eigene Vorstellung davon und so kommt es in dieser Familienkomödie schon bald zu Reibereien deswegen. Alice (Marisa Tomei) bricht zu einer einwöchigen Geschäftsreise auf. Ihre drei Kinder (Bailee Madison, Kyle Harrison Breitkopf, Joshua Rush) sollen in der Zwischenzeit bei ihren Eltern Diane (Bette Midler) und Artie Decker (Billy Crystal) unterkommen. Alice hat dafür nur eine Bedingung: Keine altmodischen Maßnahmen. Doch es kommt natürlich immer anders. »Die Bestimmer – Kinder haften für ihre Eltern« läuft im Regina Palast, im CineStar und im Cineplex im Alleecenter.
Unser Autor Stephan Langer hat sich für uns »Corridor« von den Jungfilmern Johan Lundborg und Johan Storm angesehen, einen Thriller mit Peter Stomare als gruseliger Nachbar, der am 1. März in der Cinémathèque in der naTo seine Leipzig-Premiere feiert.
Mehr Filmbesprechungen und -tipps finden Sie hier und in unserer Printausgabe.
Wie immer: Gute Unterhaltung im Kinosessel!