Während Jenn und Matt in »Gayby« auf nicht ganz konventionelle, aber urkomische Weise versuchen, ein Kind zu bekommen, kämpft bei André Erkau ein Familienvater mit dem Verlust seiner Frau. Erkau inszeniert die Geschichte mit Humor und gesteht seinen vom Schicksal gebeutelten Figuren auch etwas Leichtigkeit im Alltag zu, ohne den Film gleich seiner Ernsthaftigkeit zu berauben. Und Jeanne Moreau als kapriziöse Dame nimmt auf bezaubernde Weise den Kampf gegen die Verbitterung auf, während Dan Mazer mit seinem Regiedebüt die wohl lustigste romantische Komödie seit vielen, vielen Jahren abliefert. In diesem Sinne: Viel Spaß im Kino!
Jenn (Jenn Harris) und Matt (Matthew Wilkas), beide Mitte 30, sind seit der College-Zeit enge Freunde. Während Matt, ein Comicbuch-Autor, an einer Schreibblockade leidet und seinem Ex-Freund nachtrauert, feilt Jen, überzeugter Single und Hot-Yoga-Lehrerin, an einem heißen Yogaprogramm für Schwangere und plagt sich mit Nachwuchssorgen. Als Jenns innere Uhr immer lauter tickt, fragt sie ihren besten Freund, ob sie nicht gemeinsam ein Kind bekommen wollen – und zwar auf ganz konventionelle Weise. Natürlich bleibt diese Idee nicht ohne Folgen und nicht nur Jenns, sondern auch Matts Alltag gerät zur amüsanten Berg- und Talfahrt. Nachdem bereits vor zwei Wochen »Wuthering Heights«, obwohl er längst im Heimkinoformat DVD-Regale zierte, noch Unterschlupf im Kino fand, gewährt die Kinobar Prager Frühling nun der US-amerikanischen Komödie »Gayby« die Leinwandehre. Die warmherzige Mittdreißigergeschichte überzeugt nicht unbedingt durch eine außergewöhnliche Bildsprache oder überraschende Handlungskniffe. Vielmehr lädt sie ein zum gemeinsamen Schmunzeln und inszeniert charmant-witzig den Kinderwunsch als Gefallen, den man sich unter Freunden eben so tut.
»Gayby«: 23./24.4., Kinobar Prager Frühling
In jungen Jahren ist Frida (Jeanne Moreau) aus Estland nach Paris gekommen und hat dort ein wildes, freies Leben gelebt. Davon ist heute nur noch Stéphane (Patrick Pineau) übrig, ihr ehemaliger, deutlich jüngerer Geliebter, der Anne (Laine Mägi) engagiert hat, damit sie sich um die alte Dame kümmert. Eine ungleichgewichtige Ménage-à-trois stellt der estländische Regisseur Ilmar Raag ins Zentrum seines Kinodebüts »Eine Dame in Paris«, in dem unaufdringlich über Alter, Herkunft und die Spuren des gelebten Lebens reflektiert wird. Jeanne Moreau ist ideal besetzt in der Rolle der kapriziösen Dame, die ihr eigensinniges, unkonventionelles Leben im Alter mit Einsamkeit bezahlen muss, jedoch schließlich den Kampf gegen die Verbitterung aufnimmt. (Martin Schwickert)
»Eine Dame in Paris«: ab 18.4., Passage Kinos
»Das Leben ist nichts für Feiglinge« über einen Familienvater, der seine Frau bei einem Unfall verliert, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Gernot Gricksch. André Erkau (»Arschkalt«, 2011) hat die Geschichte für die Leinwand adaptiert und sie als leichtfüßige Tragikomödie angelegt. Untypisch für deutsche Filme dieses Formats erzählt Erkau mit viel Fingerspitzengefühl von der Trauer seiner Figuren, von denen jede für sich einen Weg findet, damit umzugehen. Während sich Kim zurückzieht, versucht Markus den Schritt zur Normalität. Wotan Wilke Möhring spielt den verunsicherten Vater mit feiner Überzeugung. Statt überdrehter Hektik drosselt Erkau die Erzählgeschwindigkeit merklich. Er nimmt sich Zeit, die Momente vorüberziehen zu lassen. Doch gelingt es Erkau nicht ganz, seinen Mix aus Tragik und Komik geschmeidig miteinander zu verbinden. Die Rolle der Pflegerin Paula (Rosalie Thomass), die sich um die kranke Gerlinde (Christine Schorn) kümmert, wirkt ungelenk und ist zu offensichtlich als kauziger Lichtblick für die drei Trauernden angelegt. Erkau ist auch nicht davor geschützt, seine Figuren stereotyp zu übermalen. Es wäre nicht nötig gewesen, die Teenietochter als Außenseiterin mit schwarz ummalten Augen und Punkfrisur anzulegen. Helen Woigks Momente als Kim sind trotzdem stark, wenn sie beispielsweise gedankenverloren an der dänischen Küste steht und Zweifel aufkommen, ob es richtig war, ihrem Vater den Rücken zu kehren.
»Das Leben ist nichts für Feiglinge«: ab 18.4., Passage Kinos
Statt des üblichen Hindernislaufes von den ersten tiefen Blicken entlang überschaubarer Missverständnisse hin zum vermählenden Happy-End wählt »Das hält kein Jahr …!« den umgekehrten Weg vom Traualtar zum einvernehmlichen Scheidungsantrag. Schon nach neun Monaten finden sich der mäßig erfolgreiche Schriftsteller Josh (Rafe Spall) und die hoch organisierte Werbefachfrau Nat (Rose Byrne) im Büro einer Paartherapeutin wieder und versuchen herauszufinden, warum ihre Ehe nicht funktionieren will. Die diebische Freude des Films an der Choreographie des Desaströsen – es kommt zu einem der lustigsten Beinahe-Heiratsanträge der Filmgeschichte und einem unvergesslichen Weihnachtsabend – zieht sich als wiederkehrendes Leitmotiv durch den ganzen Film. Natürlich driftet er auch mal in vulgäre Gefilde ab, aber auf solch pointierte Weise, dass sich die Obszönitäten organisch ins komische Gesamtkunstwerk einfügen. Und dazwischen ist sogar noch Platz für ein paar aufrichtige Gefühle. »Das hält kein Jahr…!« ist die lustigste romantische Komödie seit vielen, vielen Jahren und in diesem homogenisierten Genre ein echtes Unikat. (Martin Schwickert)
»Das hält kein Jahr!«: ab 18.4., Cineplex im Alleecenter, CineStar, Regina Palast
»Was für eine Schrottkarre!« – Die Unlust, in Mumbai ins Fahrschulauto zu steigen, sieht man Mirela an. Die deutsche Designerin hat an der Lieblingsbeschäftigung ihrer Landsleute nicht so viel Spaß, was auch an den Bedingungen liegen mag, unter denen sie ihren indischen Führerschein macht. Sie ist eine von drei Protagonisten, die »You Drive Me Crazy« beim Fleppen-Erwerb porträtiert. Auch in München und Tokio mühen sich Menschen, in einer ihnen fremden Kultur das Fahrzeuglenken zu erlernen. Die Filmidee ist so einfach wie charmant: Man nehme einen Immigranten und zeige ihn bei etwas Alltäglichem wie Autofahren, aber unter verschärften Laborbedingungen. Herausgekommen ist ein vergnüglicher Dokumentarfilm, der einmal mehr zeigt, dass Sprachkenntniss das A und O für den erfolgreichen Start in einem anderen Land sind. Auf Dauer wirkt dieser nette Ansatz aber insgesamt etwas dünn. Wenn man zusätzlich weiß, dass ein paar Situationen bewusst von den zwei Filmemacherinnen inszeniert oder wenigstens zugespitzt wurden, verliert der dokumentarische Ansatz zusätzlich an Reiz. Ein amüsantes »So hätte es sein können« macht den faden Beigeschmack der derzeit allbeherrschenden Scripted Reality eben nicht weg.
»You Drive Me Crazy«: 19.-24.4., Cinémathèque in der naTo
Gespenstischer Horrorthriller: Zwei kleine Mädchen verschwinden nach dem Tod ihrer Eltern spurlos. Jahre später werden sie in einer abgelegenen Hütte im Wald scheinbar unversehrt gefunden. Doch als ihr Onkel Lucas (Nikolaj Coster-Waldau) und seine Freundin Annabel (Jessica Chastain) sie zu sich nehmen, verhalten sich die Schwestern immer seltsamer.
»Mama«: ab 18.4., Cineplex im Alleecenter, CineStar, Regina Palast
Billy Taggart (Mark Wahlberg) war ein Cop, bis ihm ein unglücklicher Fall von Polizeigewalt zum Verhängnis wurde. Nicolas Hostetler (Russell Crowe), Bürgermeister von New York City, bewahrte ihn vor einer Haftstrafe. Sieben Jahre später lebt Taggart als Privatdetektiv in einer verwahrlosten Ecke der Stadt, und Hostetler meldet sich zurück: Taggart soll feststellen, ob seine Frau Cathleen (Catherine Zeta-Jones) eine Affäre hat. Kaum hat Taggart den Verdacht bestätigt, stirbt auch schon Cathleens Lover. Taggart entdeckt hinter dem Mord einen viel größeren Skandal, und mittendrin steckt der Bürgermeister. Politthriller über einen New Yorker Ex-Cop, der im Sumpf von Korruption und Intrigen zum Spielball der Großen wird.
»Broken City«: ab 18.4., CineStar, Regina Palast
»Die Nordsee, das größte Meer vor unserer Haustür, hat viele Gesichter: weite Wattlandschaften, hohe Dünen, flache Halligen und schroffe Küsten. Ihre Strände locken zu jeder Jahreszeit nicht nur Urlauber, sondern auch zahllose Robben an. Und unter der kühlen Meeresoberfläche verbirgt sich eine abwechslungsreiche und faszinierende Unterwasserwelt: Ob majestätischer Riesenhai vor der Kreideküste von Dover oder kampflustige Kegelrobben am Strand von Helgoland, ob mächtige Tintenfische an der holländischen Oosterschelde oder der gruselige Grönlandhai in den Fjorden Norwegens – an über 2.000 Drehtagen unter und über Wasser sammelten Expertenteams selten Gefilmtes und bündelten dies zu einem Film.« (polyband Medien)
»Die Nordsee – Unser Meer«: ab 18.4., CineStar
Andy Brewster (Seth Rogen) hat einen organischen Reiniger erfunden, doch leider schafft er es nicht, einen Hersteller dafür zu finden. Um für sein Produkt zu werben, plant er eine achttägige Geschäftsreise quer durch die Vereinigten Staaten. Auf den Trip nimmt er seine Mutter Joyce (Barbara Streisand) mit, die seit dem Tod von Andys Vater alleine ist. Andy hat den Plan, die adrette Dame während der Reise wieder mit einer ihrer Ex-Flammen zusammenzubringen.
»Unterwegs mit Mum«: ab 18.4., CineStar
Unser Autor Stefan Huhn hat sich für uns den nervenaufreibenden Dokumentarfilm »Unter Menschen« angesehen.
Weitere Filmbesprechungen und -tipps finden Sie hier und in unserer Printausgabe.
Gute Unterhaltung im Kinosessel!