60 Jahre und ein Systemwechsel: Die Eisdiele Pfeifer verkauft seit 1953 selbst gemachtes Eis in der Südvorstadt. Am Samstag wird das Jubiläum gefeiert.
Es hat sich viel getan in den letzten 60 Jahren in Leipzig: Häuser sind verfallen und wurden saniert, Nachbarn sind weggezogen, ein System ist gestürzt – die Eisdiele Pfeifer in der Kochstraße ist geblieben. Die Holzstühle mussten neu lackiert und die Gläser des kreisrunden Deckenleuchters erneuert werden – ansonsten tut die Einrichtung der Eisdiele bis heute ihren Dienst. Die Lampe wurde bereits in den 1950ern gebraucht erstanden. Der bauchige Tresen aus den 1920ern stammt aus einer Bäckerei in der Bornaischen Straße. Im Ladenfenster werben zwei große, bunte Schilder für das Produkt des Familienbetriebs: Eis. Ein verheißungsvolles Versprechen für viele Kinder der Nachbarschaft – und das schon, seit die beiden Schilder in den 1960er Jahren aufgehängt wurden. Die Blümchentapete versprüht Retro-Charme. Sie ist schon verblasst, wie so manche Kindheitserinnerung, die viele Stammkunden mit der Eisdiele Pfeifer verbinden.
So auch Melanie Mehlitz. Sie hat gemeinsam mit ihrer Mutter Regina die Eisdiele von Hans-Peter Pfeifer übernommen: »Es ist meine Kindheitseisdiele. Ich bin in der Nähe zur Schule gegangen.« Für die Eisdiele hat Melanie Mehlitz ihren Job als Architektin aufgegeben. Hans-Peter Pfeifer hat ihr so manches Eis über den Tresen gereicht, bevor er den Laden 2007 übergab – inklusive Rezepturen und Eismaschine von 1972. »Wenn die mal klemmt, ist Herr Pfeifer immer noch zur Stelle«, berichtet Melanie Mehlitz. Von ihm hat sie viel über die Geschichte des Familienbetriebs in der Kochstraße 20 erfahren, den Pfeifer Senior 1953 in einem ehemaligen Kolonialwarenladen gründete. Seit 1979 führte dann Sohn Hans-Peter die Eisdiele in zweiter Generation weiter. Vor allem zur Wendezeit sei das Geschäft sehr hart gewesen, viele Stammkunden zogen in Neubauwohnungen an den Stadtrand und das Haus in der Kochstraße 20 war baufällig.
Trotz der Übernahme 2007 ist die Eisdiele Pfeifer ein Familienbetrieb geblieben. Melanie Mehlitz schmeißt mit ihrer Mutter das Tagesgeschäft, während der Bruder das Eis herstellt, meist ab fünf Uhr morgens. An heißen Tagen wird noch mal nachproduziert. Sanddorn, Amaretto oder Malaga – die Mehlitz’ haben die Produktpalette der Pfeifers um eigene Rezepturen ergänzt, nun kann auch Kaffee und Rhabarberkompott im Freien genossen werden. Doch viel hat sich trotzdem nicht verändert: »Schokolade und Vanille sind immer noch die beliebtesten Sorten. Der Schwedenbecher ist nach wie vor ein Klassiker.« Melanie Mehlitz kennt die Vorlieben ihrer Kundschaft mittlerweile, freut sich über das Hausmeisterpärchen, das auch nach dem Wegzug noch zu Besuch kommt, und über Postkarten aus dem Urlaub: »Es ist alles sehr persönlich hier. 80 Prozent unserer Kunden sind Stammkunden von Herrn Pfeifer aus der Nachbarschaft.« Zwei Jungen betreten die Eisdiele mit ihrer Oma, heute möchten sie Nougateis essen. »Kinder sind die größten Eisfans«, erzählt Melanie Mehlitz. Mit ihnen soll am Samstag dann auch das Jubiläum gefeiert werden. Für Musik sorgt – wie sollte es anders sein – ein Nachbar.