Unter dem Motto »monumental« gastiert die Leipziger Jahresausstellung im Westwerk. Zum 20. Jubiläum der Wiedergründung des Vereins wurde die Dotierung des Preises auf 10.000 Euro erhöht.
Ohne Titel, Bleistift auf Papier, 65 x 51 Zentimeter: Zunächst gar nicht »monumental« muten die drei prämierten Arbeiten Bastian Muhrs an. Die blassen Bleistiftzeichnungen verschwinden fast neben großformatigen Arbeiten von Michael Zschocher, Gerhard Wichler oder Alexander Gutsche, der Prinz Charles und Camilla in Acryl auf Leinwand präsentiert. Sie springen nicht sofort ins Auge, wie Jan Großmanns rote Skulptur aus Beton oder Marek Brandts dreiteilige Fotografie »Die Verkündigung«. Trotz oder gerade wegen des Mottos – das ironisch auf den (Leipziger) Gigantismus im Wagner- und Völkerschlachtsjahr anspielt – hat sich die Jury für ein minimalistisches Werk entschieden. Mit tausenden kleinen Bleistiftstrichen zeichnet Bastian Muhr Strukturen; mit filigranem Strich erschafft der Leipziger Künstler kleine Welten. Die Jury zeigte sich beeindruckt von der »Reduktion auf den Strich“ sowie vom »Bezug zur Natur und Naturwissenschaft«. In einer ersten Stellungnahme erklärt die fünfköpfige Jury, der dieses Jahr Kunsthistorikerin Dr. Katharina Heider, Architekt Bernd Sikora, Künstlerin Prof. Doris Ziegler, Heidi Stecker von der GfZK und der Preisträger des vergangenen Jahres, Alexej Meschtschanow, angehörten: »Die filigranen Zeichnungen strahlen eine große Ruhe auf den Betrachter aus, ziehen ihn aber gleichsam in ihren Bann«.
29 Künstler stellen im Westwerk aus, mit Bastian Muhr wurde der Jüngste unter ihnen ausgezeichnet. 1981 in Braunschweig geboren und in Berlin aufgewachsen, studierte Muhr bis 2010 Malerei und Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. In diesem Jahr schloß er sein Meisterschülerstudium bei Prof. Annette Schröter ab. Dass der Verein aber bewusst junge Künstler fördere, bestreitet der Vorsitzende Prof. Rainer Schade. Die Entscheidung der Jury falle in einem anonymisierten Verfahren: »Wir möchten einen Querschnitt aktueller Positionen ausstellen und auch Künstlern eine Plattform bieten, die für Galerien kommerziell nicht interessant sind«. Rund 100 Leipziger Bürger engagieren sich für zeitgenössische Kunst im Verein der Jahresausstellung, die mittlerweile seit 20 Jahren in wechselnden Räumen im Stadtraum Leipzig ausstellt. Nun, so scheint es, hat der Verein aber das improvisierte Nomadentum satt: Zum zweiten Mal in Folge gastiert die Jahresausstellung im Westwerk. 2012 wurde hier ein erstes Jubiläum begangen: Die Gründung des Vereins »Leipziger Jahresausstellung« 1912, unter anderem durch Max Klinger. 1992 belebten Leipziger Kunstfreunde die Tradition. Sie würden auch im 21. Jahr gerne wieder in der ehemaligen Fabrikhalle ausstellen.