anzeige
anzeige
Konzertkritik

Riesenrummel um Rap

Das Festivaltagebuch: Hiphop beim Splash 16

  Riesenrummel um Rap | Das Festivaltagebuch: Hiphop beim Splash 16

Florian aus Berlin fühlt sich sauwohl, als er mit seinen Eltern aus dem VIP-Bereich kommt. Schließlich sitzt der Dreijährige bequem im Tragegurt seines Vaters. Der hat nichts gegen ein Exklusivfoto für den kreuzer vom jüngsten Besucher des Splash-Jahrgangs 2013. Es ist schönes Wetter, die Atmosphäre ist friedlich und die Stimmung entspannt. Das ganze Wochenende über.

Beim wichtigsten und bestbesetzten Genre-Festival des Landes gab es Feinjustierungen. VIPs zahlen einen Zehner – für den guten Zweck. Natürlich nicht die echten wichtigen Leute. Das Splash ist auf die clevere Idee gekommen, dass man sich für die Dauer der Veranstaltung in einen vorübergehenden VIP-Status einkaufen kann. Das beinhaltet ein andersfarbiges Bändchen, Busfahrten mit der Musikjournaille und Zugang zum VIP-Bereich mit recht gutem Blick auf die Hauptbühne. Das Geld kommt einer Initiative zugute, die Menschen mit einem Handicap einen besseren Zugang zu Events ermöglichen will. Für wohltätige Zwecke bilanzierte das Splash in diesem Jahr 9.130 Euro. Dass sich die »Splash Professionals« (laut eigenem VIP-Bereich im VIP-Bereich) nun sogar Charity auf ihre Fahnen geschrieben haben, spricht Bände vor dem Hintergrund, dass es vor einigen Jahren noch mau in der Kasse aussah. Daumen hoch jedenfalls für die Unterstützung der Idee.

Splash 16 war schneller ausverkauft, die Plätze vor den Bühnen ausgefüllt und das Wochenende um einen Tag ausgedehnt. Die Veranstalter schweigen bezüglich der Besucherzahlen, das hat Tradition. Wie der kreuzer aus sicherer Quelle erfuhr, kamen mehr als 20.000 Besucher nach Ferropolis. Und die wirbelten viel Staub auf, aber das war allemal besser, als durch Schlamm zu waten.

Donnerstag

Das erste »Splash Spezial«! Mit diesem »Splash im Splash« hat das Management den Dreier zum Viertage-Festival erweitert. Mit Kendrick Lamar lief der Rap-Countdown gut an. Gegen Mitternacht interpretierte der Mann aus Compton eine Stunde lang den Sound der Westküste auf eigene Art: Er ließ ihn mit Echos versetzen, bombardierte ihn mit Bass und schrieb dazu die Anleitung für ein reformiertes Storytelling, das über eine Repetiermaschine zu laufen scheint. Viele Schnipsel aus seinem Album »Good kid, m.A.A.D. City« bekamen live eine zusätzliche Schattierung. Lamar lief auf der Bühne umher wie der eigene Dirigent. In Sekunden, in denen die Hundertschaften an Fans ihn beklatschten, stand er wie eine Mischung aus Staunen und Unglauben ob des eigenen Erfolges da – und genoss regungslos den Moment.

Freitag

Kendrick Lamar ist Jahrgang 1987. Er sowie geschätzte drei Viertel der Splash-Besucher waren noch nicht geboren, als A Tribe Called Quest schon fleißig mit Rappen beschäftigt war. Die Crew war lange nicht mehr in Übersee, 15 Jahre mieden sie Europa. Die Ü-30-Gäste konnten sich jedenfalls ihren Flashbacks widmen. Das Trio startet Punkt 22 Uhr, um eine Lehrstunde zum Thema »Conscious Rap« zu geben. Sie hätten sechs Joints hintereinander geraucht, brüsten sich die New Yorker. Zumindest Phife Dawg und DJ Ali Shaheed Muhammad merkt man das nicht an. Es dauert etwas, bis alle feiern. »Bonita Applebum«, »Can I kick it«, »Find a way« – nur »I left my wallet in El Segundo« fehlt. Der kommt als Zugabe. Nein, leider nicht. Peace-Sign und das wars. Keine Zugabe.

Sonntag

Vor dem diesjährigen Festival habe ich mich häufig gefragt, wie John Legend und Sachsen-Anhalt zusammenpassen. Man stelle sich vor, Florian Silbereisen würde im Apollo in Harlem auftreten … Der Amerikaner beginnt fünf Minuten früher, er gibt sich locker im weißen T-Shirt und Jeans; er weiß, dass einige in der Fanmasse ihn besonders herbeigesehnt haben. Er weiß aber auch, dass er auf einem Hiphop-Festival in Ostdeutschland spielt und die neue Platte promotet werden muss. Call & Response funktioniert nicht immer, aber der gute Wille ist bei allen da. Legend spielt seine wunderbaren Soulperlen aus 2005, er covert »Light my fire« von den Doors und »Bridge over troubled water« klingt bei ihm auch frischer als bei Simon & Garfunkel. Und er testet seine neue Single »Who do you think we are«. Der Sänger, Pianist und Produzent arbeitet ohne Netz und doppelten Boden. Soulmusik pur für ein Publikum, das nicht ganz so gedrängt steht wie bei den Rap-Acts, das eher den familienfreundlichen »Baltic Soul Weekender« besucht und anspruchsvolle Klänge zu goutieren weiß. Im August kommt das neue Album des Künstlers, der von Kanye West gefördert wird. Die Strapazen, die das Dasein als Berufspendler zum Splash mit sich bringt, haben sich gelohnt – allein wegen dieses Auftrittes.

Die Zeit bis zum Abschlussfeuerwerk vertreiben Macklemore & Ryan Lewis als Headliner des Abends. Macklemore, der aussieht, als wäre er eine Hälfte von Erasure, kann richtig gut spitten. Er liebt die große Theatershow mit Feuerkanonen und Karaoke-Spickzetteln für die Leute. Er verkleidet sich als König und sieht mit seiner Perücke aus wie ein Poser von einer Achtziger-Hardrockband. Zwischen den Songs erzählt Macklemore Geschichten, darunter eine von einem jährlichen Essen, zu dem er sich mit Mariah Carey und Snoop Doggy Dogg versammelt und feststellt, das Splash sei Europas bestes Festival. So etwas wollen alle Besucher aller Festivals gern hören und glauben.

Dann wird das Abschlussfeuerwerk gezündet und viele traben schon zu ihren Zelten. Und verpassen mit Just Blaze einen DJ, der ein Star-Producer ist (u. a. Jay-Z, Mariah Carey, Eminem, Usher u. v. a. m.). Blaze muss sich zunächst seine Leute mit einem Best Of heranspielen, ehe er zeigen kann, was er kann. Von Doug E. Fresh über »Get lucky« von Daft Punk bis zu Dubstep ist einiges integriert. Dann kündigt der Mann die Uraufführung seiner neuesten Produktion an: Die erinnert an das »Barbie Girl«-Gequake des unsäglichen Eurotrash-Projekts Aqua. Wir gehen.

Was nun?

Splash 16 war auch eine große Leipziger Kleinmesse. In Ferropolis konnte man auch Zuckerwatte essen und Autobumsen mit ungedrosselten Autoscootern. Alles in direkter Nachbarschaft zum Stand des (leider!) todgeweihten Mainzer Kultur-Spartenkanals. Hier dürfen die »Splash Professionals« gern eine Grenze ziehen. Abgesehen davon war die Mischung gut geschüttelt und auch wenn es platt klingt: Für jeden war etwas dabei.


Kommentieren


0 Kommentar(e)