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Kultur

Das fängt ja gut an

Das Eva Klesse Quartett und Eric Schaefer + The Shredsz läuten die 37. Jazztage ein

  Das fängt ja gut an | Das Eva Klesse Quartett und Eric Schaefer + The Shredsz läuten die 37. Jazztage ein

Wieder einmal wurde in den Räumlichkeiten des Jazzclubs durch Kalender geblättert und wieder wurden Jubiläen zweier Künstler gefunden, die auf den ersten Blick wenig gemein haben. Stilbruch und Brückenschlag werden zum roten Faden, der sich auch in diesem Jahr durch das gesamte Programm schlängelt. »Siggi und der gelbe Hai« referiert zum einen auf Siegfried, zum anderen auf »The Yellow Shark« – in diesem Jahr werden also Richard Wagner (1813–1883, 200. Geburtstag) und Frank Zappa (1940–1993, 20. Todestag) aufeinander losgelassen.

Und wie schon im letzten Jahr, als sich alles um Gil Evans und Jimi Hendrix drehte, fällt auch bei den 37. Jazztagen auf, dass der Spagat vielleicht gar nicht so gewagt ist, wie er zunächst scheint. Wagner und Zappa sind beide Musiker, deren Genie lange Zeit nicht als solches erkannt wurde, und die bis heute polarisieren wie wenige andere. Wagner scheint entweder verteufelt oder vergöttert zu werden, und auch bei Zappa hat man bisweilen das Gefühl, dass sich die Welt in zwei Gruppen splittet: in die, die ihn verehrt, und in die, die ihn nicht kennt. Beide waren ihrer Zeit voraus und blieben von der Masse lange Zeit unverstanden, während sie selbst nie Zweifel an der Überlegenheit ihres Könnens hegten.

Je tiefer man sich heute in die Gefilde der freien Musik begibt, desto seltener wird man Künstler antreffen, die Wagner oder Zappa nicht als die Könner erkennen, die sie waren – ob ihre Musik nun gefällt oder nicht. Freidenken, ausbrechen, anecken – das ist der Tenor, der sich durch das diesjährige Programm zieht. Leichte Kost wird sich schwerlich finden lassen. Aber das wäre ja auch viel zu langweilig.

Los ging es gestern aber zunächst mit einem Quartett, das gar keine Musik machte: Stefan Heilig (Jazzclub), Dietrich von Berg (Marion-Ermer-Stiftung), Michael Faber (Leipziger Kulturbürgermeister) und Bert Noglik (Jazzjournalist) wurde die Ehre zuteil, den diesjährigen Leipziger Nachwuchspreis an die Jazz-Schlagzeugerin Eva Klesse zu vergeben. Von »sensiblem und intelligentem Spiel« war in der kurzen Laudatio die Rede, und tatsächlich: Das Preisträgerkonzert des Eva Klesse Quartetts hielt, was die Vorschusslorbeeren versprachen. Sehr behutsam begannen die 37. Jazztage im ausverkauften UT Connewitz. Warmes Licht, ein mucksmäuschenstilles Publikum und eine Schlagzeugerin, die so leise anfing, dass man ihr Spiel erst sah, bevor man es hörte. Zusammen mit den omnipräsenten Philip Frischkorn (p), Robert Lucaciu (kb) und Evgeny Ring (sax) wurde das Quartett eine Einheit, die offenbar großen Wert auf weiche Übergänge legte. Manche Veränderungen in Sachen Dynamik, rhythmischer Struktur und Klangfarbe wurden so geschickt eingeleitet, wie man sie mitunter von The Necks kennt: Man bemerkte sie erst, als sie längst vollzogen waren. So überwältigt und sprachlos Eva Klesse bei der Preisannahme war, so souverän und verspielt gab sie den Bandleader, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Nach sechs Stücken und gut einer Stunde Spielzeit war der erste Teil des Konzertabends auch schon vorbei und die Bühne wurde für den nächsten Gig geräumt.

Da die Ohren der Zuhörer nun auf feine, leise Klänge ausgerichtet waren, musste man dankbar sein, dass auch Eric Schaefer + The Shredsz sehr ruhig, sehr atmosphärisch anfingen. Denn als John Dennis-Renken (tp), Volker Meitz (org/rhodes/keyb), John Eckardt (b) und Eric Schaefer (dr) erst einmal loslegten, beneidete man fast die Vielen, die keinen Sitzplatz mehr bekommen hatten und sich somit freier bewegen konnten. »Who is afraid of Richard W.?« hieß ihr Programm, das dem Publikum mit hoher Präzision und viel Elektronik um die Ohren gehauen wurde. Wirkte der Walkürenritt im ersten Titel noch irgendwie aufgesetzt und fehl am Platz, so ging das Konzept im Verlauf des Abends doch auf: Die Themen aus »Siegfried«, »Parsifal« und »Lohengrin« wurden geschickt in eine Musik gewoben, die sich vehement allen Schubladen entziehen wollte. Rock, Dub, Rhythm and Blues, Trip Hop und ab und an sogar Jazz – und immer laut, schnell und auf den Punkt. Bei »Tannhäuser« berserkte Schaefer derart an seinem Schlagzeug, dass ihm das Stand-Tom umkippte, und als ihm mitten im Solo der Stick wegflog, hatte er den neuen bereits zur Hand, bevor der erste den Boden berührte. Einige verließen während des Konzerts den Saal; die die blieben, wollten mehr. Schließt sich hier bereits der Kreis zu Zappa und Co.?

Die 37. Jazztage präsentierten gleich am ersten Abend ein weites Spektrum hochenergetischer Musik; gespielt von exzellenten Bands, die mit viel Gefühl ausbrechen, freidenken und anecken. Und das war erst der Anfang.


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